"Diego Torres, du bist echt definitiv sowas von schlecht." Als die größte spanische Tageszeitung El Pais seine kritische Analyse zum erneut blassen Auftritt der spanischen Seleccion im letzten Gruppenspiel gegen Marokko publizierte, platzte Francisco Alarcon Suarez endgültig der Kragen. Ausgerechnet er, der Schütze des ersten Ausgleichstreffers und späterer Spieler des Spiels, stand im Zentrum der Kritik von El Pais-Journalist Diego Torres.
Dieser warf Isco vor, dass er sich zwischen den Verteidigern verstecke und "keinerlei Initiative übernehmen" würde - "ganz im Gegensatz zu David Silva". Darüber hinaus stellte Torres das Standing des 26 Jahre alten Offensivspielers innerhalb der Mannschaft in Frage. Das war zu viel für den ohnehin schon angefressenen Isco. Denn dieser hatte schon kurz nach dem 2:2 gegen Marokko zum Rundumschlag gegen die eigene Defensive von "La Roja" ausgeholt.
Isco bei der WM 2018: "Bin extrem happy mit ihm"
"So können wir nicht weitermachen, jetzt kommen die Spiele, in denen es um Leben und Tod geht", sagte der Flügelspieler in Diensten von Real Madrid und spielte anschließend gar auf das frühe Gegentor gegen Marokko an, dem ein kapitaler Abstimmungsfehler zwischen Sergio Ramos und Andres Iniesta vorausgegangen war: "Wir können nicht damit weitermachen, dem Gegner Tore zu schenken."
Leise Töne und Zurückhaltung sind Iscos Sache nicht. Warum auch, schließlich ist er bei der WM der überragende Mann in einer noch durchschnittlich spielenden spanischen Mannschaft (SPOX-Durchschnittsnote 1,8). "Die Geiger finden nicht den Ton - außer Isco", fasste die Sportzeitung AS die bisherigen Leistungen von La Roja bei dieser WM treffend zusammen.
Befürchtungen, dass sich die spektakuläre Entlassung von Trainer Julen Lopetegui zwei Tage vor dem WM-Auftakt gegen Portugal auf die Leistungen seines "Schülers" Isco auswirken könnte, bewahrheiteten sich nicht - ganz im Gegenteil. Auch Fernando Hierro will nicht auf Isco verzichten: "Ich bin extrem happy mit ihm. Er ist exzellent im direkten Zweikampf", sagte der Lopetegui-Nachfolger nach Abschluss der Vorrunde.
Dennoch mag es viele überrascht haben, dass ausgerechnet Isco die gestandene Führungsriege der Nationalmannschaft öffentlich kritisierte. Immerhin sind Ramos und Iniesta Ikonen bei Real Madrid und Barcelona und seit einem Jahrzehnt feste Bestandteile der Nationalmannschaft, während Isco bei den Königlichen trotz vieler Einsätze immer wieder zwischen Bank und Startelf pendelt und noch bei keinem großen Turnier im Kader der Nationalmannschaft stand.
Doch gerade dort hat sich seit dem Rücktritt von Vicente del Bosque nach der Europameisterschaft 2016 einiges zu Gunsten Iscos verändert. Seine Kritik ist daher nur die logische Konsequenz aus dem gestärkten Selbstvertrauen, welches er in La Roja seit zwei Jahren gesammelt hat.
Iscos Beziehung zu Julen Lopetegui: "Er hat mich immer begeistert"
In Julen Lopetegui holte der spanische Fußballverband einen Trainer als Nachfolger, mit dem Isco schon lange eine besondere Beziehung pflegt, und den er "seit sehr vielen Jahren" und "praktisch aus allen U-Nationalmannschaften" kennt. "In den Momenten, als ich in meinem Klub keine große Rolle spielte, gab er mir sein Vertrauen - er ist ein großartiger Trainer", sagte der 26-Jährige jüngst über seinen "Förderer".
Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit, das bestätigte Lopetegui erst im Mai. Damals sagte er im Interview mit El Chiringuito, dass Isco ihn begeistere und "das schon immer" getan habe. Erst als der 51 Jahre alte Baske beim formschwachen Weltmeister von 2010 das Zepter übernahm, schaffte Isco den Durchbruch in der Nationalmannschaft. Bei Lopetegui war der 26-Jährige - körperliche Unversehrtheit vorausgesetzt - immer gesetzt, und das in einer Zeit, in der sich Isco bei Real zunehmend unwohl fühlte.
So lief es in der Nationalmannschaft wie am Schnürchen: Mit neun Toren und zwei Vorlagen war er nach David Silva Topscorer von La Roja. Dass Isco sich in der Seleccion deutlich wohler fühlte als bei Real, ist allerdings nicht allein Lopetegui zuzuschreiben, schließlich ist die Konkurrenzsituation in der Nationalmannschaft eine andere.
Bei den Königlichen habe er "nicht das Vertrauen, das ein Spieler braucht", klagte Isco im März 2018. Er haderte mit seinem Standing bei Real, obwohl er viele Einsatzminuten bekam und gab sich selbst eine Teilschuld daran: "Vielleicht bin ich das Problem. Ich weiß nicht, wie ich Zidanes Vertrauen bekommen kann."
Iscos Bilanz in der spanischen Nationalmannschaft
Trainer | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Fernando Hierro | 3 | 1 | 0 |
Julen Lopetegui | 14 | 9 | 2 |
Vicente del Bosque | 12 | 1 | 0 |
Isco bei Real Madrid unter Zinedine Zidane: Sie nannten ihn Magier
Nachdem sich Isco öffentlich über Zidane beklagt hatte, reagierte dieser diplomatisch und traf den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf: "Das Problem ist nicht Isco. Das Problem ist, dass ich 25 Spieler habe und nur elf von ihnen spielen können", sagte Zidane und ergänzte: "Ich bin nicht unfair zu Isco", der ein Spieler sei, denn er besonders möge.
Überhaupt verwunderten die Aussagen des Rechtsfuß. Es fehlte der triftige Grund, denn seine Kritik beruhte eher auf einer gefühlten Wahrheit als auf einer faktischen. Isco (49) machte hinter Lucas Vazquez (53) und Marco Asensio (53) die meisten Spiele für die Königlichen in der abgelaufenen Saison und stand in nahezu allen wichtigen Spielen in der Champions League in der Startelf - auch im Champions-League-Finale, obwohl beispielsweise Gareth Bale fit und auch formstärker war.
Es erhärtet sich daher der Eindruck, dass Iscos zwischenzeitlicher Real-Frust auch ein Stück weit hausgemacht ist, schließlich ist in der Abteilung Attacke lediglich Cristiano Ronaldo immer gesetzt. Allein die Tatsache, dass er in Mannschaftskreisen mit dem Spitznamen "Magier" bedacht wird, verdeutlicht jedoch die Anerkennung, die Isco auch bei Real erfährt. Doch Isco hat den Anspruch, bei Real nicht nur Magier, sondern auch unverzichtbar zu sein.
Das zu schaffen, wird für den 26-Jährigen in der kommenden Saison kein Ding der Unmöglichkeit sein, da ausgerechnet sein Förderer Lopetegui die Nachfolge von Zidane bei Real Madrid antritt. Isco selbst weiß, dass das "eine sehr gute Nachricht" für ihn ist.