Am Donnerstag startet die WM 2018 in Russland (17 Uhr im LIVETICKER). Verteidigt Deutschland den Titel und greift nach dem fünften Stern? Rehabilitiert sich Brasilien für die 1:7-Schmach vor vier Jahren? Oder überrascht ein Außenseiter? Welcher Star drückt der WM seinen Stempel auf? Die SPOX-Redaktion diskutiert im Panel über die spannendsten Fragen vor Beginn der Turniers.
Wer wird Weltmeister?
Andreas Lehner (Fußballchef): Argentinien. Es wäre eine Frechheit der Geschichte, wenn Lionel Messi irgendwann einmal ohne WM-Titel in Rente gehen müsste. Vor vier Jahren waren die Gauchos nahe dran, aber der historische Sieg in Brasilien ging an Deutschland. Wenn es stimmt, dass Finalniederlagen und große Enttäuschungen eine Mannschaft noch stärker machen, sind die Argentinier ein ganz heißer Tipp - immerhin haben sie 2015 und 2016 auch noch die Finals der Copa America gegen Chile verloren.
Stefan Petri (WM-Reporter): Brasilien. Ja, ein extrem langweiliger Tipp, aber das Team ist im Vergleich zu 2014 so viel stärker geworden, dass es eigentlich gar kein Vergleich mehr ist. Alisson im Tor, starke Abwehr, gut in der Zentrale besetzt, vorn wirbeln die üblichen Verdächtigen. Da fehlt einfach nichts, die Frühform ist ebenfalls gut. Die Selecao müsste sich schon selbst schlagen, oder aber übles Verletzungspech davontragen.
Jochen Tittmar (Redakteur): Ich bin bei dir, Stefan. Brasilien macht's. Den Tipp hab ich von Marko Arnautovic bekommen, höhö. Spaß beiseite: Das Team ist gewachsen, eingespielt und besitzt eine gute Mischung in allen Mannschaftsteilen.
Jochen Rabe (Redakteur): Frankreich. Bei der WM 2014 nach starker Leistung im Viertelfinale an Deutschland gescheitert, 2016 das EM-Finale im eigenen Land knapp verloren, jetzt sind sie einfach dran. Deschamps hat die Mannschaft in den letzten Jahren sukzessive voran gebracht. Das Gefüge stimmt, die Schlüsselspieler haben sich weiterentwickelt. Die Offensive ist brutal und bringt vor allem die Geschwindigkeit mit, um auch die ganz großen Nationen zu schaden. Für mich sind diesmal die ganz große Nummer. Ich habe jetzt schon Bock auf das Halbfinale gegen Brasilien.
Nino Duit (Redakteur): Frankreich. Die Offensive steht hinsichtlich Qualität und Quantität der Spieler ohnehin außer Frage und die Defensive bekommt Trainer Didier Deschamps stabilisiert. Zusätzlicher Antrieb ist die bittere EM-Finalniederlage von 2016. Diesmal reicht es zum Titel.
Stefan Zieglmayer (Redakteur): Spanien. Bis zum Halbfinale haben die Iberer den wahrscheinlich einfachsten Turnierweg. Gegen Deutschland und Finalgegner Brasilien kommt dann Spaniens Flexibilität zum Tragen. Die Qualität des Kaders ist unumstritten, dazu kommen die starken Joker wie Asensio, Aspas oder Vazquez, die der Mannschaft einerseits Pausen verschaffen können, andererseits als frische Kräfte auch ein Spiel entscheiden können.
Wie schneidet Deutschland bei der WM ab?
Stefan Petri (WM-Reporter): Halbfinale ist eigentlich Pflicht, trotz der unruhigen Vorbereitung. Die Vorrunde kann man auch mit halber Kraft überstehen, danach die Schweiz und im Viertelfinale Kolumbien oder England? Deutschland ist eine Turniermannschaft, gegen solche Kaliber wird es reichen, egal ob mit spielerischem Feuerwerk oder Eistonnenfußball. Beim Halbfinale gegen Spanien habe ich lange mit mir gerungen, aber im März war das ganz ordentlich - und man kann ja auch nicht immer in Turnieren gegen Spanien verlieren. Deutschland erreicht das Finale, zur Titelverteidigung reicht es aber nicht.
Jochen Tittmar (Redakteur): Irgendwie bin ich gar nicht positiv gestimmt. Neuer, Hector und Werner sind für mich drei Personalien, die noch interessant werden könnten. Gerade Hector ist für mich keine Idealbesetzung, auch wenn ich jetzt keinen Gegenkandidaten an der Hand habe. Werner muss netzen, doch ob ihm das auf diesem Niveau konstant gelingen wird? Noch dazu schwebt die Özil-Gündogan-Affäre über dem Team und blickt man in die Vergangenheit, dann waren politische Konflikte rund um ein Turnier für keine Nation hilfreich. Die Gruppenphase packen sie, aber beim ersten "echten" Gegner geht's diesmal raus.
Jochen Rabe (Redakteur): Aus im Halbfinale. Eigentlich sehe ich Deutschland aufgrund der Kaderbreite und der Form nicht unter den besten Vier, aber die Auslosung wird das DFB-Team trotzdem ins Halbfinale tragen. Wenn auch bei einem Viertelfinale gegen England, Belgien, Kolumbien oder Polen nur mit Hängen und Würgen. Sollte dann in der Vorschlussrunde wie erwartet Spanien warten, ist Schluss.
Nino Duit (Redakteur): Deutschland kommt ins Halbfinale, dort ist aber Endstation. Der Triumph von 2014 stillte den ganz großen Titel-Hunger der langjährigen Stammspieler - deswegen fehlen diesmal die entscheidenden Prozentpunkte gegenüber der Konkurrenz.
Stefan Zieglmayer (Redakteur): Ich bin da bei euch. Halbfinale ist Pflicht, für die Kür reicht es nicht. Ich traue keinem im deutschen Team die Rolle als Unterschiedmacher zu. Aufgrund des Kollektivs wird es im Halbfinale zwar extrem eng, dann passiert das, was die sieben Bayern-Akteure im Kader schon kennen.
Andreas Lehner (Fußballchef): Ich schließe mich dem Pessimismus an. Für mich hat die Mannschaft und der gesamte Kader nicht die Qualität wie 2014. Damals war die Truppe von den Triple-Siegern des FC Bayern geprägt und diese von Guardiola noch weiter geformt. Deutschland war auf dem Höhepunkt - und trotzdem gab es damals schon einige Zitterspiele. Dieses Mal wird es nicht immer reichen. Ich könnte mir auch ein Aus vor dem Halbfinale schon vorstellen.
Wer wird die Überraschungsmannschaft der WM?
Andreas Lehner (Fußballchef): Kolumbien. Südamerikaner muss man zwar immer auf der Rechnung haben, aber die Kolumbianer hat man wohl am wenigsten im Blick. Wenn die erste Elf fit ist, ist das Team von Jose Pekerman aber nicht zu unterschätzen. In Gruppe H sind die Cafeteros ein sicherer Tipp und an einem guten Tag können sie in der nächsten Runde auch England oder Belgien aus dem Turnier nehmen.
Stefan Petri (WM-Reporter): Ägypten. Ist es der innere Romantiker in mir, der denkt, dass es Mohamed Salah verdient hat? Okay, schon eher die schwache Vorrundengruppe A. Salah spazierte zuletzt schon mit Rucksack auf der lädierten Schulter umher, es könnte zum ersten Spiel gegen Uruguay reichen. Danach darf er sich gegen Russland und die Saudis warmschießen, im Achtelfinale gibt es die Revanche gegen CR7. Ägypten erreicht die letzten Acht und Salah wird zur Feel-Good-Story des Turniers.
Jochen Tittmar (Redakteur): England. Gilt das hier? Ich finde schon. Die bei Turnieren zuletzt häufig enttäuschenden Three Lions sind gespickt mit tollen Talenten, der Teamgeist scheint auch da zu sein und in Kane haben sie einen der besten Stürmer der Welt im Kader. Die Gruppe wird vor Belgien gewonnen und das Achtelfinale sieht auch sehr machbar aus. Ich glaube daran, dass England diesmal nicht dem Klischee entspricht und von sich reden machen wird.
Jochen Rabe (Redakteur): Uruguay. Zugegebenermaßen ist ein Viertelfinaleinzug nicht gerade eine Sensation. Aber ich rechne ganz konservativ mit einem Halbfinaleinzug der großen Vier (Frankreich, Spanien, Brasilien, Deutschland). Deswegen ist die größte Überraschung, dass Uruguay im Achtelfinale den Europameister Portugal schlagen wird. Und noch sensationeller: Luis Suarez wird diesmal niemanden beißen und kein Tor per Handspiel auf der Linie verhindern!
Nino Duit (Redakteur): Kroatien gewinnt die Gruppe D vor Argentinien und kämpft sich in der Folge mindestens bis ins Viertelfinale. Prunkstück ist das Mittelfeld um Ivan Rakitic und Luka Modric, vorne machen Ivan Perisic und Andrej Kramaric die Tore.
Stefan Zieglmayer (Redakteur): Senegal. Ich wage es mal, dir zu widersprechen, Jochen. Ich tippe auf ein Aus der Engländer im Achtelfinale gegen die Überraschungsmannschaft der WM: Senegal. Ich traue den Afrikanern den Gruppensieg und eine Sensation gegen England zu. Frisch, jung, unberechenbar - wieso nicht?
Welche Mannschaft wird bei der WM enttäuschen?
Stefan Petri (WM-Reporter): Argentinien. Bis ins Halbfinale sollte es schon gehen, gab Verbandspräsident Claudio Tapia als Ziel aus. Mit Lionel Messi eigentlich Pflicht, aber schon die Quali war haarscharf und die Auslosung hat es mit der Albiceleste nicht gut gemeint. Als Gruppensieger könnte man im Viertelfinale auf Spanien treffen, als Gruppenzweiter schon im Achtelfinale auf Frankreich. Beide schätze ich klar stärker ein. Es wird erneut nichts mit dem vollendeten Messi.
Jochen Tittmar (Redakteur): Russland. Und das geht beim Gastgeber schon im Eröffnungsspiel gegen Saudi-Arabien los. Gegen Ägypten und Uruguay sehe ich sie ohnehin chancenlos. Die Mannschaft wirkt auf mich nicht homogen, einige alte Recken werden durchgeschleppt und Smolov allein wird es nicht reißen. Da kann der Putin dran drehen, wie er will.
Jochen Rabe (Redakteur): England. Endlich haben die Three Lions wieder eine konkurrenzfähige Mannschaft. Endlich können sie mit Stars wie Harry Kane, Dele Alli oder Raheem Sterling wieder um einen großen Titel mitspielen. Endlich hat es ein Trainer, in dem Fall Gareth Southgate, wieder geschafft, England zu einer Mannschaft zu machen. Mit der Dreierkette hat er sogar Stabilität reingebracht. Die reißen was. Könnte man meinen. Aber die Gruppe mit Belgien und zwei extremen Defensivmannschaften wie Panama und Tunesien wird richtig hart. Sie werden sich trotzdem irgendwie durchbeißen. Dann geht's allerdings - egal ob sie Erster oder Zweiter werden - gegen Kolumbien oder Polen. Beides gleichermaßen undankbar. Und dann ist Schluss. Qua Definition und Anspruch eine Enttäuschung.
Nino Duit (Redakteur): Argentinien. Der Finalist von 2014 scheitert trotz einer überragenden Offensivabteilung diesmal bereits im Achtelfinale am späteren Sieger Frankreich. Die Defensive ist einfach zu anfällig. Lionel Messis WM-Karriere bleibt ungekrönt.
Andreas Lehner (Fußballchef): Warum ihr bei Argentinien alle so pessimistisch seid? Ich werfe mal Belgien in den Ring. Wie bei den letzten Turnieren gehören die Belgier zum erweiterten Favoritenkreis und es gibt ja auch durchaus genügend Qualität im Kader. Aber ich glaube, dass sie einmal mehr hinter den Erwartungen zurück bleiben, weil sie als Mannschaft nicht so gut sind, wie die Summe ihrer Einzelspieler vermuten lässt.
Stefan Zieglmayer (Redakteur): Polen. Wenn man von Russland mehr erwarten würde als ein Aus in der Gruppenphase, würde ich auch auf die Sbornaja tippen. So aber befürchte ich lange Gesichter in Warschau und Umgebung. Als Favorit in Gruppe in H fällt Lewandowski und Co. die wackelige Defensive vor die Füße.
Wer wird der Star der WM?
Andreas Lehner (Fußballchef): Lionel Messi. Um auf meinen Tipp zu Beginn zurückzukommen, glaube ich, dass die WM in Russland sein Turnier wird. Wichtig wird dabei sein, dass er Argentinien nicht allein durch die Vorrunde tragen muss und sich Kräfte für die Crunchtime in den K.o.-Spielen sparen kann. Für Messi ist es an der Zeit, der Welt zu zeigen, dass er besser ist als Götze.
Stefan Petri (WM-Reporter): Harry Kane. Nach zuletzt schwachen Turnieren gehen die Engländer diesmal mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen in die Endrunde, die Mannschaft ist jung und komplett auf den erst 24 Jahren alten Kapitän Kane zugeschnitten. Hinter Belgien sollten die Three Lions Zweiter der Gruppe G werden, und angesichts der Gruppengegner Panama und Tunesien würde es mich nicht wundern, wenn Kane vor dem Achtelfinale schon mindestens drei Buden auf dem Konto hat. Selbst wenn man im Viertelfinale gegen Deutschland ausscheidet, könnte Kane den Golden Boot gewinnen.
Jochen Tittmar (Redakteur): Neymar. Wird ja wie beschrieben auch Weltmeister und da das so eintrifft, kann es ja gar keinen anderen Star geben als ihn. Ich glaube, dass er nach seiner Verletzung wieder voll im Saft stehen und sein Team führen wird - inklusive spektakulärer Buden, schönen Pässen und tollen Dribblings.
Jochen Rabe (Redakteur): Antoine Griezmann. War schon bei der EM 2016 mit sechs Toren der überragende Spieler. Seitdem hat er seine Leistungen bestätigt und einen weiteren Schritt in Richtung Führungsspieler gemacht. Er wird trotz der überragenden Außen Mbappe und Dembele der Schlüssel in der französischen Offensive sein. Und damit auch der wichtigste Spieler des künftigen Weltmeisters.
Nino Duit (Redakteur): Neymar zeigt bis zum Viertelfinale begeisternde Dribblings und Tore, scheitert mit seinen Brasilianern dann jedoch im Halbfinale an Frankreich. Anders als 2014 muss er die bittere Niederlage diesmal auf dem Platz miterleben.
Stefan Zieglmayer (Redakteur): Neymar und die Franzosen hin oder her: Ich tippe exotisch auf Iago Aspas. Der wird auf seine relativ alten Tage (immerhin schon 30 Jahre alt) auf großer Bühne aufdrehen und als ursprünglicher Joker schnell Costa aus der ersten Elf verdrängen. Der Offensiv-Allrounder von Celta Vigo zeigt eine überragende Form und kann entscheidend für Spaniens Seleccion werden.