Flop: Der Fluch des Weltmeisters
Es wirkt wie verhext: Zum dritten Mal in Folge scheiterte der amtierende Weltmeister in der Gruppenphase. Die Rücktritte von Schweinsteiger, Klose, Lahm und Co. dürfen dabei keine Ausrede für das Löw-Team sein - auch dieses Jahr war die Qualität des Kaders hoch genug, um gegen Kaliber wie Südkorea zu bestehen. Sei es nun die eigene Selbstgefälligkeit oder die erhöhte Motivation der Gegner, es scheint als hätten die Weltmeister nicht so richtig Lust auf eine Titelverteidigung. Wäre ja auch langweilig, oder? In vier Jahren wird sich also Frankreich dem Fluch des Weltmeisters stellen müssen. Vielleicht sollte die Equipe Tricolore in Katar also mit dem Achtelfinale schon ganz zufrieden sein.
Top: Englische Standards
Wer bislang der Meinung war, Standard-Tore seien Glück, wird sich spätestens nach dieser WM Gedanken machen müssen. 73 von 169 Toren fielen nach ruhenden Bällen, besonders Gareth Southgate und die Engländer perfektionierten diese: Beinahe jeder Eckball oder Freistoß glich einem Set-Play nach einem Timeout im Basketball. Jeder Spieler wusste wohin die Flanke kommen wird, nahm seine Position ein und stellte mitunter sogar Blocks für die Mitspieler. Auch wenn der Pokal schlussendlich nicht 'home' kam, die Engländer beeindruckten mit einer nie dagewesenen Standard-Vielfalt - und stellten mit neun Standard-Toren einen neuen WM-Rekord auf.
Flop: Neymars Schauspieleinlagen
Nee nee, Neymar. So wird das nix. Der Brasilianer ist eigentlich prädestiniert dafür, in die Fußstapfen von Messi und Ronaldo zu treten, und hin und wieder hat er das ja auch schon gemacht. Aber in Russland fiel er nicht nur durch Tore und Vorlagen auf, sondern durch Schauspieleinlagen, die in Hollywood als Anschauungsunterricht herhalten dürften. Und ja, der Mann wird gefoult. Und zwar oft, vielleicht öfter als alle anderen. Aber eine derartige Theatralik bringt nur die Fans gegen ihn auf - und härtet Schiedsrichter gegen tatsächliche Fouls ab. Warum also der Nonsens?
Top: Japans reinlicher Abschied
Sollte man den Japanern ihr ödes Ballgeschiebe im letzten Gruppenspiel verzeihen? Einen Einzug in die K.o.-Runde dank der Fairplay-Wertung? (Wenn wir schon dabei sind: Lasst euch ein besseres Kriterium einfallen als Gelbe Karten, liebe FIFA-Verantwortlichen!) Es fällt zumindest leichter, wenn man an den beherzten Fußball denkt, den die Samurai Blue gegen Belgien ablieferten. Als letzter Vertreter aus Asien hatten sie den späteren WM-Dritten am Rande einer Niederlage - und kassierten den Last-Second-Treffer, weil sie nicht auf Sicherheit spielten wie so viele andere Teams. Noch besser: Nach der Niederlage stand nicht etwa Seppuku auf dem Programm, sondern das Saubermachen der Kabine, Dankeskarte inklusive. So wird's gemacht!
Flop: Teams aus Afrika
Man kann die Uhr danach stellen: Alle vier Jahre wird der endgültige Durchbruch der Afrikaner auf der großen Bühne des Weltfußballs postuliert, mit mindestens einem Team im Viertel- oder Halbfinale, wenn nicht noch besser. Wieder sollte es nicht sein: Zwar sorgten Afrikas Vertreter nicht für Negativschlagzeilen, aber sportlich war es eben auch überschaubar. Zum ersten Mal seit 1982 schaffte es kein Team aus dem riesigen Kontinent in die K.o.-Runde, Marokko scheiterte obendrein mit der Bewerbung für 2026. Die Talente sind da, das sieht man auch an den vielen Spielern afrikanischer Herkunft, die in europäischen Mannschaften erfolgreich sind. Aber ausschöpfen konnte man dieses Potenzial noch nicht.
Top: WM-Organisation und Volunteers
Wer bei dieser WM vor Ort war, wird bestätigen müssen: Bei der Organisation haben sich Putin und Co. nicht lumpen lassen. Alles sicher, keine Hooligan-Schlägereien, meistens gute Stimmung. Ein besonderes Lob geht dabei an die Volunteers, die gefühlt zu zehntausenden an und in den Stadien unterwegs waren und den Weg wiesen, vom Hochsitz aus Ansagen machten, Fragen beantworteten - oder einfach nur mit einem Lächeln abklatschten. Allein gelassen wurde man bei dieser WM nicht.
Flop: Diego Maradona
Diego Maradona war einst der beste Fußballer dieses Planeten. Mittlerweile ist der Argentinier, der sein Team 1986 fast im Alleingang zum Titel führte, zur Witzfigur verkommen. Das ist tragisch. Die Art und Weise, wie er sich in Russland präsentierte, lässt aber kaum andere Möglichkeiten zu. Er paffte fleißig trotz Rauchverbot, schlief auf seinem Sitz ein, ließ die Mittelfinger sprechen und gab sich nach eigener Aussage derart dem Weißwein hin, dass er es nicht mehr ohne Hilfe aus der VIP-Box schaffte und medizinisch behandelt werden musste. Fortsetzung folgt wohl. Leider.
Top: Dramatische Spiele
Drama, Baby! Es mag nicht die WM der offensiv spielenden Mannschaften gewesen sein, aber das heißt noch lange nicht, dass es in Russland langweilig wurde. Die Nachspielzeit etwa wurde von den Teams mehr als produktiv genutzt: Stolze 23 Tore fielen ab der 90. Minute noch, damit wurde der Rekord von 14 Toren aus der WM in Brasilien pulverisiert. Damit nicht genug: Zwölf Eigentore waren absoluter Negativrekord - na ja, kommt darauf an, wen man fragt -, mehr als sechs hatte es bisher nie gegeben. Beide Faktoren sorgten für jede Menge Spannung, glorreiche Helden und bittere Tränen.