"Ich sehe strukturelle Probleme, die sich durch die Mannschaft und auch durch den deutschen Fußball ziehen", schrieb Kemme: "Wir lernen es nicht, Entscheidungen zu treffen. In Deutschland spielen wir strategischen Fußball, geben der Intuition keinen Raum. In der Theorie kennen die Spielerinnen jede Lösungsmöglichkeit, auf dem Platz muss man aber manchmal instinktiv Entscheidungen treffen."
Im "Endspiel" um den Einzug ins WM-Achtelfinale wirkten die Spielerinnen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vier Tage nach der 1:2-Niederlage gegen Kolumbien aus Sicht der 47-maligen Nationalspielerin "gehemmt, als wären sie gefesselt, an eine Leine gebunden".
Auslöser dafür war nach Kemmes Einschätzung die Umstellung mit Lea Schüler als zweiter Spitze neben Kapitänin Alexandra Popp: "Die Verunsicherung im Team aufgrund des Systemwechsels war zu spüren."
Deswegen fehlt Kemme auch jegliches Verständnis für Voss-Tecklenburgs Maßnahme: "Ich habe mich gefragt, warum es von Spiel zwei auf drei auf einmal eine Systemumstellung gab, anstatt seiner eigenen Linie zu folgen. Nach dem Motto: Kontrolle vor Vertrauen. So gewinnt man kaum mehr Spiele."
Kemme: Verzicht auf Magull nicht nachvollziehbar
Der Verzicht auf die nach den ersten beiden Gruppenspielen aus der Anfangsformation gestrichene Lina Magull war für die viermalige Meisterin nicht nachvollziehbar: "Als Schlitzohr vor der Kette" hätte Magull "der Mannschaft unfassbar gutgetan."
Allerdings war Kemme auch von ihren früheren Kolleginnen enttäuscht: Ungeachtet der Verantwortung von Voss-Tecklenburg für das Team "liegt die Entscheidung, wie man sich auf dem Platz in welchen Situationen verhält, auch bei den Spielerinnen. Die Spielerinnen müssen Verantwortung übernehmen, und die habe ich im Spiel gegen Südkorea zu wenig gesehen".