Caligiuri: "Ich war nicht selbstkritisch genug"

Felix Maier-Lenz
13. Januar 201016:57
Marco Caligiuri (r.) kämpft mit seinen Fürthern um den Anschluß nach obenImago
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Bereits seit 2007 steht Marco Caligiuri bei der SpVgg Greuther Fürth unter Vertrag. Den Durchbruch hat er erst in der laufenden Saison geschafft, ist inzwischen aber Leistungsträger in der Elf von Benno Möhlmann. Vor dem Spiel gegen Alemannia Aachen (20 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) spricht der 25-Jährige über den verspäteten Durchbruch, seine Jugend in der Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart und über seine Kindheit als Eishockey-Fan.

SPOX: Bevor wir zum Fußball kommen, reden wir doch über Eishockey. Sie kommen nämlich aus der Nähe von Schwenningen, einem reinen Eishockeydorf. Wie war denn Ihr Bezug zu den Wild Wings?

Marco Caligiuri: Ich war ein Riesenfan. Bis ich 12 oder 13 war, bin ich regelmäßig zu den Heimspielen gegangen und war auch immer einer der ersten im Stadion. Als kleiner Junge musste man ja auch immer schauen, dass man noch einen guten Stehplatz erwischt. Man könnte sagen, ich war richtig fanatisch. Übrigens komme ich zwar aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Schwenningen, aber es liegt auf der badischen Seite.

SPOX: Und dann werden Sie dennoch Fan der schwäbischen Wild Wings?

Caligiuri: (lacht) Ja, da kann man nix machen. Meine Freunde kamen fast alle aus Schwenningen und dann war es nun mal so.

SPOX: Aber selbst Eishockey spielen stand nie zur Diskussion?

Caligiuri: Nicht wirklich. Ich habe den Fußball von Anfang an bevorzugt. Aber die Atmosphäre im Eisstadion ist schon sehr gut.

SPOX: Zur weiteren fußballerischen Ausbildung ging es für Sie dann zum VfB Stuttgart, aus dessen Nachwuchsarbeit ja schon etliche gute Spieler hervorgegangen sind. Was wird denn richtig gemacht in der Jugendabteilung des VfB?

Caligiuri: Da gibt es mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen. Die Talentsichter haben zum einen ein sehr gutes Auge. Zum anderen wird sehr viel Wert auf Disziplin gelegt und die Taktikschulung ist ein ganz großes Thema. Ich bin auf jeden Fall beim VfB durch eine sehr gute Schule gegangen und froh, dort gewesen zu sein.

SPOX: Zu Beginn dieser Zeit sind Sie zwischen Ihrer Heimat und Stuttgart gependelt. War das eine schwierige Phase?

Caligiuri: Das war anfangs schon hart, auch in Verbindung mit der Schule. Da war ich eigentlich nur im Zug unterwegs und musste mein Mittagessen aus Tupperware essen, die mir meine Mutter gebracht hat. Deswegen bin ich ein Jahr später auch in den Olympiastützpunkt direkt am Stadion umgezogen.

SPOX: Zu Ihren VfB-Zeiten haben etliche junge Spieler eine Chance bekommen in der ersten Mannschaft. Warum Sie nicht?

Caligiuri: Gute Frage. Einerseits war ich zu der Zeit nicht selbstkritisch genug, andererseits war ich mit meiner Situation auch oft zu schnell zufrieden. Dadurch haben mir dann vielleicht die paar Prozent gefehlt, um letztendlich den ganz großen Durchbruch in Stuttgart zu schaffen.

SPOX: Sie saßen ja neben interessanten Trainern auf der VfB-Bank - Matthias Sammer und Giovanni Trapatton. Wie haben Sie die beiden erlebt?

Caligiuri: Unter Sammer war ich fast die ganze Rückrunde mit dabei, leider halt nur auf der Bank. Unter Trapattoni hab ich nur einen Monat trainiert. Ich muss sagen, dass ich beide sehr schätze. Sammer hat immer sehr coole, emotionale Reden gehalten. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Das war immer richtig mitreißend und motivierend. Und gelernt habe ich da, dass man im Fußball auch richtig viel mit Kampfgeist erreichen kann. Der hatte mir vorher ein bisschen gefehlt.

SPOX: Leiden Sie noch mit dem VfB?

Caligiuri: "Leiden" ist das falsche Wort. Aber ich verfolge das Geschehen natürlich schon noch. Ich denke auch, dass die Mannschaft die Kurve ganz sicher noch kriegen wird, weil die Qualität des Kaders einfach viel zu gut ist. Irgendwie müssen sie sich als Mannschaft wohl noch finden, aber von der Qualität her sehe ich den VfB unter den Top 5 der Bundesliga.

SPOX: Dennoch ist Stuttgart nicht Ihr Lieblingsverein, sondern der AC Milan.

Caligiuri: Absolut richtig. Auch, weil mein Vorbild Gennaro Gattuso bei Milan spielt.

SPOX: Vater Italiener, Mutter Deutsche - welchem Land, beziehungsweise welcher Kultur, fühlen Sie sich verbundener?

Caligiuri: Eigentlich beiden gleich verbunden. Wenn ich beim Italiener bin, fühle ich mich italienisch, wenn ich zum Beispiel bei meiner deutschen Oma bin, fühle ich mich sofort wieder mehr deutsch. Ich kann mich da sehr gut anpassen.

SPOX: Wie war es denn zu Hause in der Familie mit Traditionen und Sitten?

Caligiuri: Gerade was das Essen angeht, hat sich meine Mutter meinem Vater ein wenig angepasst. Da gab es dann schon recht viel Pasta. Aber gerade für uns als Sportler war das natürlich optimal.

SPOX: Seit 2007 sind Sie bei der SpVgg Greuther Fürth. Bis zur laufenden Saison konnten Sie sich aber - auch wegen Verletzungen - zunächst nicht durchsetzen.

Caligiuri: Auf die Verletzungen will ich das auf keinen Fall schieben. Die waren eher zusätzlich zu den eigentlichen Problemen. Ich war einfach nicht selbstkritisch genug, habe die Fehler immer zuerst bei anderen gesucht. Ich habe mich einfach mehr mit Dingen beschäftigt, die nichts mit dem Fußball an sich zu tun hatten, anstatt mich auf mein Spiel zu konzentrieren. Das hat jetzt auch gar nix mit irgendwelchen Diskobesuchen oder ähnlichen Eskapaden zu tun - da war ich noch nie der Typ dafür - sondern einfach damit, dass ich mich nicht darauf konzentriert habe, mein Spiel zu verbessern. Ich habe mir immer nur Fragen gestellt, warum jetzt Spieler A oder B spielen darf und ich nicht.

SPOX: Haben Sie Ihrem Bruder Daniel, der sich in Freiburgs Startelf etabliert hat, Tipps gegeben für seine Karriere, damit ihm nicht die gleichen Fehlerunterlaufen?

Caligiuri: Daniels Entwicklung verfolge ich natürlich ganz genau. Er ist ja schließlich der kleine Bruder. Wir telefonieren regelmäßig miteinander und halten uns auf dem Laufenden. Manchmal ruft er an, um in der Tat Tipps von mir zu bekommen. Aber ich denke, so viel kann ich ihm da gar nicht sagen. Die meisten Erfahrungen muss und wird er alleine machen. Über sein Bundesliga-Debüt habe ich mich natürlich riesig gefreut. Und ich bin gespannt, wie viele Einsatzchancen er noch bekommen wird.

SPOX: Auch bei Ihnen läuft es sehr gut. Haben Sie gezielt an den genannten Problemen gearbeitet?

Caligiuri: Ja. Im Sommer habe ich mich mit mir selbst und der Situation auseinandergesetzt und aktiv versucht, Dinge zu ändern, die mich bislang aufgehalten haben. Dabei bin ich selbstkritischer geworden und auch die Konzentration auf dem Platz ist jetzt viel besser. Das versuche ich jetzt beizubehalten und bisher hilft es. Ich habe, abgesehen vom Spiel gegen Duisburg, jedes Spiel mitgemacht, und ich hoffe, dass es bei diesem einen Spiel bleibt, das ich verpasst habe.

SPOX: Die SpVgg hat Ihnen - obwohl Sie sich noch nicht durchgesetzt hatten - schon vor der Saison das Vertrauen ausgesprochen. Das Verhältnis zum Verein stimmt also?

Caligiuri: Die Rückendeckung vom Verein habe ich immer gespürt. Es war einfach so, dass ich mir lange selbst im Weg stand.

SPOX: Wie gefällt Ihnen das Leben in Fürth abgesehen vom Sportlichen?

Caligiuri: Ich wohne jetzt schon zwei Jahre hier, seit einem Jahr mit meiner Freundin, und wir haben überhaupt keine Klagen. Wir fühlen uns sehr wohl hier in Fürth. Natürlich fahren wir auch manchmal nach Nürnberg, aber Fürth gefällt uns sehr, sehr gut.

SPOX: Zuletzt gab es eine Aussage von ihrem Trainer Benno Möhlmann, in der er der Mannschaft im Grunde bescheinigte, nicht die Qualität zu haben, um den Aufstieg mitzuspielen. Wie haben Sie das aufgenommen?

Caligiuri: Ich war nicht persönlich dabei, sondern habe das auch nur über die Medien und von Mannschaftskollegen erfahren. Meiner Meinung nach gehört es auch zur Qualität einer Mannschaft, immer die vorhandenen Möglichkeiten abzurufen. Natürlich kann nicht immer alles gelingen, aber es sollte zumindest immer alles dafür getan werden, dass es gelingt. Die Einstellung kann und sollte in jedem Spiel stimmen.

SPOX: Wie sehen die weiteren Saisonziele aus? Ist der Aufstieg abgehakt?

Caligiuri: Im Moment brauchen wir in der Tabelle definitiv nicht nach oben schauen. Jetzt geht es wirklich nur darum, so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Falls wir dann mal wieder eine Serie starten sollten, kann man mit einem Auge vielleicht wieder hoch schielen, aber im Moment geht es nur um Punkte.

SPOX: Und für Sie persönlich?

Caligiuri: Ich will mich weiter in jedem Spiel zu hundert Prozent einbringen und mein Bestes abrufen. Das kann natürlich nicht immer gelingen, aber versuchen werde ich es. Und wenn die Leistung stimmt, kann ich meinen Stammplatz auch behaupten. Das ist natürlich ein Ziel.

SPOX: Fürth gilt als unaufsteigbar. Ist das im Kopf drin, wenn man dort unterschreibt?

Caligiuri: Natürlich kennt man die Vorgeschichte, dass die Fürther es bislang noch nie geschafft haben. Auch als ich mit Duisburg aufgestiegen bin, waren wir lange Zeit gleichauf mit Fürth. Man wird in der Stadt oft darauf angesprochen und uns wird vorgeworfen, dass wir gar nicht aufsteigen wollen. Aber diese Aussage kann ich nicht nachvollziehen. Für jeden von uns ist es ein Traum, in der Bundesliga zu spielen. Und gerade mit der SpVgg in der Bundesliga zu spielen, wäre ein Traum, um allen zu zeigen, dass wir das doch können und wollen.

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