SPOX: Herr Leitl, Sie haben zu Beginn Ihrer Karriere jahrelang beim FC Bayern gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Stefan Leitl: Nur gute. Ich bin aus der A-Jugend gekommen, durfte einen Profivertrag unterschreiben und mit der ersten Mannschaft trainieren. Dabei habe ich unheimlich viel lernen können. Ich habe durchweg positive Erinnerungen an diese Zeit.
SPOX: Im Profikader konnten Sie sich allerdings nicht etablieren. Wieso nicht?
Leitl: Giovanni Trapattoni hat damals zwar begonnen, immer mehr auf die Jugend zu setzen. Bei mir haben zu dem Zeitpunkt aber leider noch gewisse Dinge gefehlt. Ich war körperlich und auch was meine Qualität anging eben nicht so gut wie andere. Es hat nicht ganz ausgereicht, dort oder bei einem anderen Bundesligaverein dauerhaft Fuß zu fassen. Das habe ich auch selbst so gesehen. Letztlich hat sich aber das, was ich beim FC Bayern gelernt habe, bei meinen anderen Stationen niedergeschlagen.
SPOX: Sie sind danach zum SV Lohhof in die Bayernliga gewechselt. Warum sind Sie letztlich vom FC Bayern weggegangen?
Leitl: Ich habe bei den Bayern keinen Anschlussvertrag mehr bekommen. Ludwig Trifellner, den ich aus Bayern-Zeiten kannte, war Trainer in Lohhof. Ich habe mich bei ihm gemeldet und gefragt, ob ich dort mittrainieren dürfe. Er hat ja gesagt und aber nebenbei noch nach Vereinen für mich gesucht. Letztlich bin ich aber in Lohhof geblieben. Ich habe damals nicht mehr an die große Karriere geglaubt.
SPOX: Gab es auch Optionen aus höheren Ligen?
Leitl: Es gab lose Anfragen, die mich aber nicht interessiert haben. Ich konnte mir damals auch nicht vorstellen, den Münchner Raum zu verlassen. In Lohhof lief es rundum gut und da trudelten dann auch wieder genug Angebote ein.
SPOX: Unter anderem das aus Nürnberg, wo Sie Ihre bislang einzigen Spiele in der Bundesliga absolviert haben. Stimmt es, dass Sie eine WG mit Martin Driller gegründet haben?
Leitl: Ja. Anfangs hatte ich in Nürnberg eine eigene Wohnung, die ich jedoch schnell wieder gekündigt habe. Martin machte mir daraufhin das Angebot, bei ihm einzuziehen. Das habe ich angenommen. Später haben wir uns etwas Größeres gesucht. Tobias Zott von den Amateuren hat die WG komplettiert.
SPOX: Anfangs wohnten Sie also in Drillers nicht WG-geeigneter Wohnung? Haben Sie da auf der Couch gepennt?
Leitl: (lacht) Nein, die Wohnung war groß genug. Er hatte eben ein Zimmer mit Bett für mich frei. Erst da fiel dann die Entscheidung zur WG.
SPOX: Wie lief das WG-Leben?
Leitl: Ganz normal, wie in jeder Studenten-WG wahrscheinlich auch.
SPOX: Also wurde gesoffen ohne Ende?
Leitl: Nein, wir waren zusammen einkaufen und so Dinge (lacht). Jeder war verantwortlich dafür, seinen eigenen Dreck wieder wegzuräumen. Wir hatten beide ein eigenes Zimmer und ein großes Wohnzimmer. Viele Mitspieler kamen zu uns, das war wie ein Aufenthaltsraum. Eine schöne Zeit.
SPOX: In Nürnberg lief es aber auch sportlich für Sie.
Leitl: Anfangs war es perfekt. In zwei Jahren in der 2. Liga habe ich als Vertragsamateur 60 Spiele gemacht und bin aufgestiegen. Nach dem ersten Jahr in Nürnberg gab es auch Anfragen aus der Bundesliga.
SPOX: Wieso haben Sie sich dann getrennt?
Leitl: Es lag sicherlich auch an mir. Ich war als junger Spieler nicht einfach und bin auch abends weggegangen. Das hat man nicht gern gesehen, auch wenn es andere auch gemacht haben. Zudem hat es mit dem damaligen Trainer (Klaus Augenthaler, Anm. d. Red.) auch nicht mehr so funktioniert. Ich hätte meinen Vertrag in Nürnberg noch zwei Jahre aussitzen können, aber ich wollte natürlich nur noch spielen.
SPOX: Damals hieß es oft, dass Sie zu schlampig mit Ihrem Talent umgegangen sind.
Leitl: Das kann man schon sagen. Ich hätte einiges anders machen können, klar. Wenn ich jetzt aber zurückblicke, bin ich dennoch stolz auf das, was ich erreicht habe. Es ist auch nicht alltäglich, über 100 Spiele in der 2. Liga zu machen. Und: Ich bin auch noch nicht am Ende (lacht).
SPOX: Was würden Sie heute anders machen?
Leitl: Hätte ich damals schon meinen jetzigen Berater gehabt, wäre sicherlich einiges anders gelaufen. Die sogenannten Freunde, die es damals gab, haben mich abgelenkt. Wäre ich heute noch einmal 20 Jahre alt, würde ich sicherlich nicht jeden zweiten Samstag in der Disco rumhängen und mich mehr mit meinem Beruf beschäftigen. Das ist aber auch in gewisser Weise ein grundsätzliches Problem.
SPOX: Inwiefern?
Leitl: Man verzichtet in der Jugend auf sehr viel. Ich hatte über eine lange Zeit fünfmal die Woche Training und am Wochenende zwei Spiele. Irgendwann muss man das Versäumte auch nachholen. Das habe ich später getan und würde es heute nicht mehr machen.
SPOX: Es ist auffällig, dass Sie bis auf die Ausnahme Darmstadt ausschließlich bei Vereinen in Ihrer Heimat Bayern gespielt haben. Ist das Zufall?
Leitl: Nein, ich war schon sehr heimatverbunden. Als ich die Möglichkeit hatte, mit Bruno Labbadia in Darmstadt zusammen zu arbeiten, habe ich mich zweimal mit ihm getroffen und war sofort Feuer und Flamme. Leider haben wir es damals verpasst, in die 2. Liga aufzusteigen. Aus diesem Verein hätte sicherlich etwas werden können. Darmstadt ist eine fußballverrückte Stadt, der Verein hat von seinen Fans gelebt. Es war interessant, einen solchen Traditionsverein, der nicht sehr viel Geld hatte, kennen zu lernen. Ich hatte danach auch ein Angebot von Braunschweig, war aber von der Perspektive in Ingolstadt überzeugt.
SPOX: Sie haben nun quasi 15 Jahre im Mittelfeld gespielt. Seit Benno Möhlmann in Ingolstadt das Sagen hat, spielen Sie im Sturm und blühen regelrecht auf.
Leitl: Das liegt eben an der neuen Position. Zuvor habe ich jahrelang auf der Sechs gespielt, da ist das Tor deutlich weiter entfernt.
SPOX: Trotzdem muss man die Kiste ja auch erstmal treffen.
Leitl: Klar, das klappt sehr gut, ich habe einen Lauf. Das liegt aber auch an der Gesamtentwicklung der Mannschaft. Ich bin sozusagen das Endprodukt unserer gemeinsamen Arbeit.
SPOX: War das eine alleinige Entscheidung von Möhlmann oder haben Sie da auch ein gewisses Mitspracherecht gehabt?
Leitl: Nein, er hat die Entscheidung getroffen. Wir haben darüber nicht viel geredet. Wir haben das zwei Tage vor dem Spiel in Bochum im Training geübt, das war's (lacht).
SPOX: Der FCI hat nach zehn Spielen in der Rückrunde schon drei Punkte mehr als nach der gesamten Hinrunde. Wo sehen Sie dennoch Nachteile im Abstiegskampf?
Leitl: Wir haben uns in den letzten Wochen genau die Situation erarbeitet, die wir immer haben wollten. Sich nun sicher zu fühlen, wäre grob fahrlässig. Nachteile sehe ich eigentlich keine, weil wir gierig genug sind und grob gesagt die Geilheit besitzen, die Liga zu halten. Das wäre der größte Erfolg unserer jungen Vereinsgeschichte.
SPOX: Mit Audi hat der FCI einen großen Sponsor im Rücken. Sind Sie mit deren Engagement zufrieden?
Leitl: Unsere Entwicklung hat enorme Fortschritte gemacht. Als ich vor vier Jahren hier ankam, hatten wir 800 Zuschauer pro Spiel und kein "richtiges" Fußballstadion. Durch den Audi-Sportpark hat sich das Interesse am Fußball in der Kürze der Zeit deutlich nach oben entwickelt. Die gesamte Region profitiert von dieser Entwicklung, die Jugendarbeit blüht auf.
SPOX: Theoretische Frage: Sollte der Klassenerhalt gelingen, was wäre der nächste Schritt für die Schanzer?
Leitl: Die Etablierung in der 2. Liga. Wir können ja nicht jedes Jahr gegen den Abstieg spielen. Sollte der Klassenerhalt gelingen, werden Audi und die sportliche Leitung sicherlich in der Lage sein, die Mannschaft punktuell weiter nach vorne zu bringen. Ich denke, es wird nicht das Ziel von Audi sein, 25 Jahre lang in der 2. Liga zu spielen.
Stefan Leitl im Steckbrief