Die gelebte Chance

Von Stefan Rommel
Der FC Augsburg ist zum ersten Mal in seiner Geschichte in die Bundesliga aufgestiegen
© Imago

Der Aufstieg in die Bundesliga stellt den FC Augsburg vor einige Probleme. Manager Andreas Rettig wird in den nächsten Wochen und Monaten zum wichtigsten Mann im Verein. Die vielen Gefahren eröffnen dem FCA aber auch eine Reihe von Möglichkeiten.

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Ein Spiel noch, dann ist endlich Urlaub für die Spieler des FC Augsburg. Ein Spiel noch, dann geht die Arbeit erst so richtig los für Andreas Rettig.

Der Manager des zukünftigen Bundesligisten hat aufregende Tage hinter und vor sich, denn nach dem Aufstieg ist erfahrungsgemäß vor den Verhandlungen.

Der FCA betritt Neuland, und zwar nicht erst mit dem Anpfiff der ersten Bundesligapartie der Vereinsgeschichte Anfang August. Die Weichen in eine spannende Zukunft sind jetzt zu stellen, mittendrin in der beschwingten Aufstiegseuphorie.

Klub muss sich neu erfinden

Es gilt keine Zeit zu verlieren, die Herausforderungen sind mannigfaltig und teilweise erstaunlich profund für einen angehenden Erstligisten.

Bisher wurde fast alles auf das große Ziel Bundesliga konzentriert, die Mannschaft stand im Vordergrund. Jetzt ist es Notwendigkeit und Chance zugleich, die erforderlichen Maßnahmen in der Peripherie anzugehen.

"Dass der FC Augsburg jetzt im Profifußball spielt, das fällt ja nicht vom Himmel", sagt Rettig. "Das war mit viel Arbeit und Kapitaleinsatz verbunden. Und deshalb ist auch klar, dass da gewisse Dinge vor sich hergeschoben werden mussten und wir bisher keine Gewinne machen konnten."

Der Verein muss sich auf gewisse Weise neu erfinden. Personell wird Augsburg aber seiner unspektakulären Linie treu bleiben müssen. Es ist kein Geld da für markante Transfers, also wird der Stamm der Mannschaft erhalten bleiben.

Zurückhaltung auf dem Transfermarkt

Die Vertragsverlängerung mit Andrew Sinkala - bei den Bayern und in Köln in der Bundesliga gescheitert - und das Leihgeschäft mit dem völlig unbekannten Nachwuchsspieler Akaki Gogia vom VfL Wolfsburg sind erste Anzeichen für eine dosierte Offensive auf dem Markt.

"Viele Vereine haben begonnen, mit dem Aufstieg viel Geld für Spieler und andere Dinge auszugeben. Und als sie dann mal abgestiegen sind, kamen sie in Schwulitäten. Wir müssen sehen, dass wir den Spagat schaffen", erklärt der Vorstandsvorsitzende Walther Seinsch die kaufmännische Grundhaltung.

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Etwas angekratztes Image

Ganz umsonst ist das Image des Vereins zu verbessern. Mit dem FC Augsburg können nur wenige Fans außerhalb des Einzugsgebiets etwas anfangen, dazu schlägt dem FCA eine eigenartige Kälte entgegen.

Die Seinsch-Alimente sind vielen Nostalgikern ein Dorn im Auge, auch wenn das Argument kaum mehr stichhaltig sein kann, weil der Verein schon seit geraumer Zeit nahezu autark aufgestellt ist.

Zudem bedeutet Geld nicht automatisch auch Erfolg. Schon viele Größen aus der Wirtschaft haben finanzielle Mittel in einen Fußballklub gepumpt - nur die wenigsten durften dann später aber auch den gewünschten Erfolg feiern.

Der Zuschauerschnitt von rund 19.000 ist für einen Zweitligisten zwar durchaus ansehnlich, trotzdem liegt damit die Stadionauslastung gerade mal bei zwei Dritteln.

Gewisse Skepsis bleibt

Auch deshalb wird der FCA mit einer gewissen Skepsis beäugt: Fast immer war der Augsburger Gästeblock bei Auswärtsspielen nur halb gefüllt, die Schatzmeister der Bundesliga hätten sich wohl lieber Klubs wie 1860 München oder Fortuna Düsseldorf, mit großer Fanbasis, gewünscht.

Auf die kann der FC Augsburg nicht zurückgreifen und so schnell auch nicht schaffen. Drei Generationen Anhänger haben das Dasein in der Dritt- und Viertklassigkeit gekostet, der FCA ist hier gerade mal am Anfang einer Entwicklung. Die verläuft aber immerhin relativ rasant und kann mit der Entwicklung des gesamten Vereins Schritt halten.

"Ich hatte zwar schon mal gesagt, dass ich in zehn Jahren in die Bundesliga will. Aber das war ein Scherz. Dass es jetzt tatsächlich so gekommen ist, das ist schon ungewöhnlich", muss selbst Seinsch zugeben.

Infrastruktur ungenügend

Bleiben die Probleme mit dem Unterbau. Die zweite Mannschaft dümpelt seit Jahren in der Landesliga Süd. Normalerweise finden genesene oder vorerst ausgemusterte Spieler einer Bundesligamannschaft im U-Bereich des Profikaders eine geeignete Heimstatt, um sich auf gehobenem Niveau wieder für die erste Mannschaft zu empfehlen. In Augsburg wartet da die sechste Liga.

Das zögerliche Treiben der U-23-Mannschaft ist ein Indiz für die Probleme, die Rettig nicht umsonst in der Stunde des größten Triumphs angedeutet hat: Es fehlt in Augsburg immer noch an der nötigen Infrastruktur.

Es gibt zu wenige und dazu noch veraltete Trainingsplätze, die Jugendarbeit - in den 90er Jahren eine der besten in ganz Deutschland - leidet unter unwürdigen Bedingungen. Es gibt kein Nachwuchsleistungszentrum.

"Wir müssen uns in der Infrastruktur verbessern. Das ist nicht erste Liga, was wir hier haben. Die Fußballplätze sind entscheidend. Wir brauchen Arbeitsbedingungen für unsere Mannschaft, die erstligareif sind. Und die haben wir immer noch nicht", sagt Rettig.

Zukunftsträchtige Planungen

Von der Deutschen Fußball Liga hat der FCA die Lizenz für die kommende Saison unter Auflagen bekommen - sehr wahrscheinlich ist die verbesserungswürdige Nachwuchsarbeit ein Teil der geforderten Frankfurter Anweisungen.

Ab der kommenden Saison wird die Investorengruppe um Seinsch kein Geld mehr in den Verein pumpen. Die Entscheidung ist seit langem bekannt, erste Auswirkungen wird sie aber erst in den kommenden Monaten haben.

Gerade unter diesem Aspekt und für die mittelfristige Zukunft kann es für einen kleinen Verein wie Augsburg nur über eine vernünftige Jugendausbildung, der FCA wird es sich über kurz oder lang schlicht nicht leisten können, immer nur auf dem Transfermarkt tätig zu werden.

Deshalb müssen jetzt einige der Entscheidungen ganz besonders weitsichtig getroffen werden. So wird das Stadion im Süden der Stadt ab der kommenden Saison unter dem Namen SGL-Arena firmieren.

Dahinter steht die "SGL Carbon Group", ein führendes Unternehmen im Bereich der Verbundstoffproduktion. Das M-Dax-Unternehmen soll auch strategischer Partner der Stadiongesellschaft werden.

Mitentscheidend für den Deal ist die Aussicht auf das geplante Technologiezentrum "Innovationspark Augsburg", das wichtigste Zukunftsprojekt der Region. Hier wird sich die "SGL" engagieren - und mit dem FCA eine wichtige Symbiose eingehen.

Abstiegskampf hat begonnen

Die Trainingsplätze und Geschäftsstelle sind immer noch im Stadtteil Oberhausen beheimatet, für den notwenigen Ausbau ist an der Donauwörther Straße kein Platz.

Also wird jetzt mit den Stadt-Oberen über alternative Flächen verhandelt, auf denen ein Trainingszentrum und Rasenflächen entstehen könnten. Die Zone rund um die Arena wäre eine Alternative.

Trotz aller Probleme und Unwägbarkeiten will der FC Augsburg die neue Etappe aber mit sympathischem Fußball und mit einer gewissen Locker- und Bescheidenheit angehen. Und er will die großen Chancen, die sich ergeben, auch nutzen.

Das Anspruchsdenken ist jedenfalls schon mal auf das Minimum gedrosselt. "Ab heute", hatte Rettig nur wenige Minuten nach dem Schlusspfiff am Sonntag gesagt, "geht es nur noch gegen den Abstieg".

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