"Ich bin Bayern zutiefst dankbar"

Von Interview: Haruka Gruber
Greuther Fürths Torwart Max Grün wurde beim FC Bayern ausgebildet
© Imago

Bis 16 war Max Grün kein "richtiger" Keeper, dann absolvierte er die Bayern-Schule - und ist nun der vielleicht beste Torwart der 2. Liga. Vor dem Spiel seiner SpVgg Greuther Fürth gegen Dynamo Dresden (Sa., 13 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der 24-Jährige über seine Wandlung, Edwin van der Sars Besonderheit und die Aufstiegschancen.

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SPOX: Sie erlebten einen Saisonauftakt der Extreme: Gegen Frankfurt haben Sie schlechte Kritiken bekommen, bei Union Berlin wiederum zeigten Sie eine herausragende Leistung - woraufhin Sie sagten, dass 'wichtige Einzelgespräche' zuvor geholfen hätten. Wer stand Ihnen zur Seite?

Max Grün: Ich habe unter anderem mit unserem sportpsychologischen Coach Martin Meichelbeck gesprochen. Darin ging es auch darum, dass ich mir nichts mehr beweisen muss und dass ich mir meine Stärken noch einmal bewusst mache. Insbesondere meine Familie war und ist ein großer Rückhalt, denn ich hatte natürlich nach dem Frankfurt-Spiel schon ein paar Zweifel.

SPOX: Was auffällt: Bevor Sie wegen eines Schienbeinbruchs die komplette Rückrunde aussetzen mussten, waren Sie eher zurückhaltend. Seit dieser Saison treten Sie sehr viel lauter auf und dirigieren Ihre Mitspieler - was einigen nicht so gefallen haben soll.

Grün: Genervt sind sie nicht, aber für sie war es am Anfang vielleicht auch ein bisschen ungewohnt. Inzwischen kommen sie aber ganz gut damit klar, das hilft ja auch der ganzen Mannschaft. Während der Reha-Zeit hatte ich viel Gelegenheit zum Nachdenken und zum Reflektieren und ich habe mir vorgenommen, noch präsenter auf dem Platz zu sein. Es bringt jedem etwas, wenn ich klare Anweisungen gebe.

SPOX: Unter den Torhütern gibt es zwei Grundtypen: Der eine tritt nach dem Vorbild von Oliver Kahn aggressiv und brüllend auf. Der andere spielt ruhiger, hat dafür aber größere fußballerische Fähigkeiten wie etwa Manuel Neuer. Zu welcher Kategorie zählen Sie?

Grün: Wenn, dann schon mehr zur zweiten. Ich bin jemand, der von Haus aus über seine ruhige Art kommt und versucht, durch Anweisungen im Vorfeld die Situation so zu regulieren, dass man sich viel Arbeit ersparen kann. So muss ich keine großen Paraden zeigen und Mitspieler anschreien. Genau das gefällt mir an Neuer. Er ist nicht nur in der Spieleröffnung und der Strafraumbeherrschung, sondern auch im Mitspielen eine Klasse für sich. Neben Iker Casillas der beste Keeper der Welt.

SPOX: Sie spielten sechs Jahre bei den Bayern, die lange von Sepp Maiers und Kahns Torwartstil geprägt wurden. Waren Sie beim falschen Verein?

Grün: Ich habe in München sicherlich einen anderen Torwartstil kennengelernt als jetzt unter Günther Reichold in Fürth. Jeder Torwarttrainer hat eben seine eigenen Ansichten. Mir kommt es sicherlich gelegen, dass ich hier nach vorne den Raum verteidige und mitspielen kann. Deswegen gefiel mir Edwin van der Sar so gut, der extrem nach vorne in den Ball gegangen ist.

SPOX: Woher kommt die Vorliebe für das Mitspielen?

Grün: Ganz sicher aus meiner Kindheits- und Jugendzeit. Bei meinem Heimatverein FV 1920 Karlstadt habe ich immer im Feld gespielt und nur bei den regionalen Auswahlteams im Tor gestanden, bis ich mit 16 zu den Bayern ging und mich auf eine Position festlegte.

SPOX: Sie waren bis 16 gar kein ausgebildeter Torwart?

Grün: Ich war früher einfach nicht ausgelastet genug. In meiner Stadt gab es genügend Torhüter und ich hatte auf dem Feld immer mehr Spaß und wollte mich nur austoben. Herumgrätschen, herumrennen, das war mein Ding. Deswegen habe ich zweimal die Woche bei meinem Heimatverein ganz normal als Feldspieler mittrainiert und wenn es einmal die Woche zur Bezirks- oder Landesauswahl ging, stellte ich mich halt ins Tor. Gott sei Dank war ich dort gut genug, damit die Bayern auf mich aufmerksam wurden. (lacht)

SPOX: In den sechs Jahren in München sollen Sie sich jedoch schwer getan haben. Ist Bayern nicht für jeden etwas?

Grün: Schwer zu verallgemeinern. Generell bieten die Bayern eine exzellente Grundausbildung. Schweinsteiger, Lahm, Müller sind der Beweis. Aber jeder muss eben seinen eigenen Weg finden und sich selbst bewusst machen, was ihm gut tut. Für mich waren die sechs Jahre super schön, aber auch super schwierig. Irgendwann kam der Punkt, als ich eine Veränderung brauchte.

SPOX: Was war super schwierig?

Grün: Die ersten eineinhalb Jahre verliefen klasse: Ich habe immer gespielt und wurde in die deutsche U 17 berufen. Doch dann kam eine lange Verletzungspause und mir fiel es daraufhin schwer, vom Kopf her wieder in die Spur zu kommen. Über die Jahre bekam ich dann nicht allzu viele Einsätze, alleine in den letzten beiden Saisons bei Bayern II waren es insgesamt vier ganze Spiele. Andererseits bin ich den Bayern zutiefst dankbar: Sie waren sehr geduldig und haben immer für ein Jahr verlängert, obwohl ich nicht so häufig berücksichtigt wurde. Wenn sie das nicht gemacht hätten, weiß ich nicht, wie es weitergegangen wäre...

SPOX: Bei den Bayern soll vor allem unter den Torhütern eine große Konkurrenz herrschen.

Grün: Bei den Bayern tobt wahrscheinlich der härteste Konkurrenzkampf Deutschlands. Das bringt der größte Verein des Landes eben mit sich. Ich empfand es aber als nicht so schlimm, wie es vielleicht klingt. Mit den anderen Torhütern wie Michael Rensing oder Thomas Kraft hatte ich ein ganz normales Verhältnis, zumal ich ohnehin nicht so der Typ bin, der sich extrem unter Druck setzt und verzweifelt wäre, wenn es nicht geklappt hätte.

SPOX: Es klingt eine gewisse Distanz zum Fußball-Geschäft durch.

Grün: Ich hatte früher anders als viele Jugendliche nie den Gedanken: Ich muss Fußball-Profi werden. Für mich lag das zu weit weg. Für mich war es immer das Größte, einfach auf dem Platz zu stehen und mit den Kumpels zu bolzen. Auch als es mit 14, 15 Jahren konkreter wurde, ging ich lieber zu meinem Heimatverein als zu einer der Auswahlmannschaften, wenn sich die Trainingszeiten überschnitten haben. Ich hatte auch nie Vorbilder oder irgendwelche Träume. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich möchte nur jeden Tag Fußball spielen und mich voll verausgaben. Sonst fühle ich mich einfach nicht wohl.

SPOX: Sie wechselten im Sommer 2009 nach Fürth - und ließen sich sofort die Haare länger wachsen. Ein symbolisches Zeichen für eine Zäsur?

Grün: Der Wechsel war ein Neuanfang, das mit den Haaren jedoch Zufall. (lacht) Vielleicht glaubt das heute keiner mehr, aber früher habe ich sehr mit meiner Frisur experimentiert. Ich war zwar kein Punk, aber habe fast alle möglichen Haarfarben durch. Mir kam gelegen, dass meiner Tante ein Friseursalon gehört hat. Aber mittlerweile habe ich mich mit meiner Frau arrangiert: Ich mag es kurz, sie mag es lang, jetzt ist es genau in der Mitte.

SPOX: Sind Sie in Fürth erwachsener geworden?

Grün: Vor allem die ersten sechs Monate waren sehr lehrreich. Ich bekam bei der zweiten Mannschaft Spielpraxis, trainierte bei den Profis und bekam mit, wie die Mechanismen im Profifußball greifen. Wie sich ein Trainer unter Druck verhält, wie die Spieler reagieren, wie die kleinen Rädchen nicht mehr einrasten und auf einmal der Trainer ausgetauscht wird. Ich hätte nicht gedacht, dass der Unterschied im Erfolgs- und Misserfolgsfall so extrem ist.

SPOX: Damals musste Benno Möhlmann gehen und wurde durch Mike Büskens ersetzt, der Sie schnell zum Stammkeeper machte. Dabei waren Sie wenige Wochen zuvor noch die Nummer drei.

Grün: Es ist schön zu wissen, wie sehr der Trainer und der Verein hinter mir stehen. Es war nicht selbstverständlich, dass ich nach meiner langen Pause in dieser Saison wieder so viel Vertrauen bekomme und kein neuer Konkurrent verpflichtet wurde. In den letzten Jahren sah man ja, wie hart es vor allem auf der Torwartposition zugeht. Die Beispiele Timo Hildebrand, Markus Pröll, Timo Ochs oder bis zum Winter auch Michael Rensing zeigen, dass ich mich glücklich schätzen kann.

SPOX: Sie hingegen galten bereits vor dem Schienbeinbruch als der beste Torwart der 2. Liga und bestätigen dies mit der Leistung bei Union Berlin. Entsprechend umworben müssten Sie sein.

Grün: Das ist völlig uninteressant. Ich habe im März 2010 für vier Jahre verlängert und mich mit Haut und Haaren Fürth verschrieben.

SPOX: Weil Sie an den Aufstieg glauben?

Grün: Wir sind in dieser Saison wesentlich breiter aufgestellt und die Qualität ist gestiegen. Die Positionen sind alle doppelt besetzt, da kann sich auch im Training keiner zurücklehnen. Ich glaube, dass wir spielerisch eine der besten Mannschaften in der Liga sind. Das heißt: Unser Ziel kann nur ein Platz unter den ersten Drei sein.

Max Grün im Steckbrief

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