Mikael Forssell hat in seiner Karriere viel erlebt. Vom FC Chelsea ging es über die englischen Unterhäuser nach Deutschland. SPOX spricht mit dem Stürmer über die Entscheidung für den VfL Bochum, Peter Neururer und Lehrmeister Didier Drogba.
SPOX: Herr Forssell, Sie sind wieder zurück in Deutschland. Wie gefällt es Ihnen bisher in Bochum?
Forssell: "Super. Der Verein arbeitet hier absolut auf Bundesliga-Niveau. Ich spüre hier keinen Unterschied zu meinen beiden vorherigen Stationen in Deutschland.
SPOX: Wie haben Sie die Verantwortlichen doch noch davon überzeugt, kurz vor der Transferfrist zum VfL zu wechseln?
Forssell: "Ich hatte schon länger Kontakt mit Christian Hochstätter und ich wollte sowieso nochmal im Ausland spielen. In Helsinki habe ich oft getroffen, das gab mir Selbstbewusstsein. Als das Angebot kam, wusste ich: Ich bin bereit dafür."
SPOX: Hat Peter Neururers außergewöhnlicher Coaching-Stil sie überzeugt?
Forssell: "Natürlich. Schon in Hannover haben meine Mitspieler von ihm geschwärmt. Nach unserem Gespräch wär mir dann klar, dass ich hier spielen will."
SPOX: In der englischen Championship spielten Sie bei Leeds ebenfalls schon mal zweitklassig. Sind die Engländer den Deutschen in diesem Bereich noch ein ganzes Stück voraus?
Forssell: "In England geben die Spieler über 90 Minuten Vollgas, da ist das Tempo höher. Dafür sind die Mannschaften in Deutschland taktisch besser eingestellt."
SPOX: Sie selbst galten in der Jugend ja als eines der größten Talente aller Zeiten und landeten mit 17 beim FC Chelsea. Wie schwierig war es für Sie, sich damals in London einzugewöhnen, ohne dass die eigene Leistung darunter leidet?
Forssell: "Das war gar nicht so schwer. Meine Mutter ist mit mir damals nach London gezogen, der Verein hat uns auch eine Wohnung besorgt.
SPOX: Hatten Sie nicht Angst, dass sie auf der Bank versauern würden?
Forssell: "Nein, überhaupt nicht. Der Verein hat mir von Anfang an versichert, dass sie mich in der ersten Mannschaft haben wollen und ich dort meine Chance bekommen sollte."
SPOX: Wie verlief dann das erste Aufeinandertreffen mit Stars wie Gianfranco Zola und Tore Andre Flo?
Forssell: "Das war natürlich erstmal großartig, mit solchen Spielern trainieren zu können. Trotzdem hatte ich immer im Kopf: Du musst beweisen, dass du besser als diese Jungs bist. Ich hatte zwar Respekt, habe mich aber nicht einschüchtern lassen."
SPOX: Wie groß war der Druck dann in den nächsten Monaten?
Forssell: "Der war weg, sobald ich mein erstes Spiel gemacht hatte. Tore Andre Flo war verletzt, also habe ich meine Chance bekommen und gemerkt: Ich kann mithalten."
SPOX: Wieso hat es dann am Ende doch nicht für den Stammplatz gereicht?
Forssell: "Ich hatte mir fast einen Platz im Sturm erkämpft, aber dann hat mich ein Knorpelschaden zurückgeworfen und ich musste draußen sitzen. Das war bitter, aber ohne die Verletzung wäre ich vielleicht nie in Deutschland gelandet."
SPOX: Stichwort Deutschland: 2003 sind sie dann erstmals in die Bundesliga zu Borussia Mönchengladbach gewechselt. War es besonders, in dem Land zu spielen, in dem sie geboren wurden?
Forssell: "Das war ein ganz besonderer Moment für mich. Als ich noch klein war, hat mein Vater noch in Deutschland gearbeitet. Wenn er dann alle zwei Wochen nach Finnland gekommen ist, hat er mir immer die Bundesliga-Highlights auf Video-Kassetten mitgebracht. Ich bin damit quasi aufgewachsen. Für mich war es immer ein Traum, in der Bundesliga zu spielen."
Seite 1: Neururers Trainingsmethodik und erste Momente in London
Seite 2: Lehrer, Verletzungen und die Tore seines Lebens
SPOX: Sie spielten eine starke Rückrunde in Gladbach. Wären sie gerne dort geblieben?
Forssell: "Natürlich war das eine schöne Zeit, aber ich wollte mich unbedingt wieder in England beweisen. Gladbach hatte auch nicht das Geld, um mich weiter zu halten."
SPOX: Was hat sich durch die Übernahme von Roman Abramowitsch bei Chelsea für Sie geändert?
Forssell: "Ich habe erstmal einen neuen Vertrag bekommen. Ich hätte eigentlich noch zwei Jahre Vertrag gehabt, er hat ihn dann aber bis 2007 verlängert und aufgebessert. Ich habe ihm gesagt, dass ich spielen will, er wollte aber neue Spieler wie Adrian Mutu oder Hernan Crespo holen. Das sind natürlich ganz andere Kaliber. Als Kompromiss wurde ich ausgeliehen. Er hat aber auch gesagt, dass er mich sehr schätzt und mich deshalb verliehen, damit ich mich beweisen kann."
SPOX: Mutu, Crespo... Sie haben mit vielen Stars zusammengespielt. Wer hat Sie am meisten beeinflusst?
Forssell: "Didier Drogba. Definitiv. Bei ihm habe ich mir viel abgeschaut. Aber auch von Zola und Flo habe ich am Anfang viel gelernt."
SPOX: Sie wechselten später nach Birmingham. War das die erfolgreichste Zeit?
Forssell: "In Birmingham habe ich mich sehr wohl gefühlt - auch weil ich 19 Tore in meinem ersten Jahr geschossen habe (lacht). Das war sicher besser, als bei Chelsea hinter den ganzen Welt-Stars auf der Bank zu sitzen."
SPOX: 2008 ging's dann nochmal nach Deutschland. War es Ihr Wunsch, es noch einmal in Deutschland zu probieren?
Forssell: "Ja, ich wollte es hier nochmal versuchen. Das erste Jahr bei Hannover war in Ordnung, dann habe ich mich aber am Fuß verletzt. Der Arzt hat mir dann gesagt, dass wir keine OP brauchen, obwohl die eigentlich notwendig war. Deswegen war ich ziemlich lange raus."
SPOX: Diese Bänderverletzung war nicht die einzige schwerere in Ihrer Karriere. Hatten Sie auch zeitweise keine Lust mehr auf Fußball?
Forssell: "Niemals. Ich liebe Fußball und bin ein Kämpfer. Ich habe immer alles gegeben. Meine Verletzungen haben mich sogar noch mental stärker gemacht. Ich bereue nichts, was ich getan habe."
SPOX: Was war der vielleicht schönste Moment Ihrer Karriere?
Forssell: Ganz klar: Zwei Tore gegen Deutschland in Finnland. Wir haben damals in der WM-Quali zwar nur 2:2 gespielt, aber diese Tore werde ich nie vergessen."
SPOX: Apropos Finnland: Ihr Heimklub aus Helsinki ist seit Jahren in der Liga nicht zu stoppen. Ist HJK so etwas wie das "Bayern Finnlands"?
Forssell: "Das kann man schon so sagen. Sie haben dieses Jahr die Europa League erreicht. Das war schon sensationell. Da entsteht etwas Großes, in ein paar Jahren ist vielleicht sogar die Champions League drin."
SPOX: Sie selbst spielen seit 2012 nicht mehr für die Nationalmannschaft. Warum sind Sie seitdem nicht mehr dabei gewesen?
Forssell: "Das müssen Sie den Trainer fragen (lacht). Ich warte weiter auf eine Einladung. Ein Grund war vielleicht, dass ich nicht im Ausland gespielt habe. Mal schauen, was jetzt noch möglich ist."
SPOX: Seit vergangener Woche läuft wieder die EM-Qualifikation. Was trauen Sie Ihrer Nationalmannschaft zu?
Forssell: Die Chancen sind so gut wie nie. Wir haben eine machbare Gruppe erwischt, jetzt müssen wir nur noch unsere Leistung abrufen. Ich drücke ihnen auf jeden Fall die Daumen."
Seite 1: Neururers Trainingsmethodik und erste Momente in London