Erste Lichtblicke nach der Katastrophe

Sportlich bekam 1860 München gerade so die Kurve. Aber was wird aus dem Verein?
© getty

Nach dem Rücktritt des Präsidiums ist der TSV 1860 München handlungsunfähig. Investor Ismaik soll dadurch offenbar zum Verkauf seiner Anteile gedrängt werden. Wie geht es weiter im Löwen-Chaos? Hinsichtlich der Trainerfrage gibt es sogar eine positive Nachricht.

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Was ist passiert?

Mit der Absage der Mitgliederversammlung via Pressemitteilung trat der Verein Freitagmittag die Lawine los. Aufgrund der fortlaufenden intensiven Verhandlungen zwischen dem Präsidium sowie dem Beirat und Investor Hasan Ismaik über die Zukunft des Vereins sei eine Durchführung der Mitgliederversammlung nicht sinnvoll, lautete die Begründung.

Ismaiks Cousin und Aufsichtsratsmitglied Noor Basha versendete in Namen des Investors eine SMS an verschiedene Medienvertreter. Inhalt: Die Absage der Mitgliederversammlung sei inakzeptabel und gegenüber den Fans, der Mannschaft und der sportlichen Leitung respektlos. Basha schreibt: "Politik wird über Sport gestellt. Politik- statt Sportverein."

Am Abend folgte der nächste Paukenschlag: Innerhalb von 30 Minuten verschickte der Verein zwei Pressemitteilungen: Das komplette Präsidium (Präsident Gerhard Mayrhofer sowie seine Stellvertreter Erik Altmann und Heinz Schmidt) und Vereinsvertreter des Beirats (Mayrhofer und Karl-Christian Bay) treten mit sofortiger Wirkung zurück.

Diesmal lautet die Begründung: Einigung mit Ismaik gescheitert. Mayrhofer und Bay drückten ihr Bedauern aus, allerdings sei der Schritt "aus Respekt und Verantwortung vor dem Verein und seinen Fans" unvermeidbar. Nur so könne man "die festgefahrene Situation lösen und den Weg für einen Neuanfang frei machen".

Offenbar scheiterte der Versuch des Präsidiums, Ismaik ein Übernahmeangebot der von ihm gehaltenen 60 Prozent der Klubanteile zu unterbreiten. Zudem gab es unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft von Sportdirektor Gerhard Poschner.

Pikanterie am Rande: Die Presseabteilung zog die um 21.19 Uhr gesendete erste Version der Mitteilung eine halbe Stunde zurück und schickte eine korrigierte Fassung.

Die Reaktionen der Löwen-Legenden fallen entsprechend aus. Fredi Heiß sagte zu "dieblaue24.de": "Das ist ein Wahnsinn, das totale Chaos. Über die Entwicklung bin ich sprachlos. Das ist der Hammer."

Karsten Wettberg knöpft sich Mayrhofer vor: "Seine Amtszeit war eine einzige Katastrophe."

Wie ist der Status quo?

Ohne Präsidium ist der Verein handlungsunfähig, der Beirat, in dem Ismaik und Basha übrig bleiben, kann nichts entscheiden. Mayrhofer und Kollegen wird der Rücktritt als Verhinderungstaktik ausgelegt. Ismaik steht isoliert da, hat keinen Verhandlungspartner mehr.

In Medien und Fanforen wird darüber spekuliert, inwieweit Ismaik durch den Rücktritt des Präsidiums zum Verkauf seiner Anteile gedrängt wird.

Der seit langem auf der Kippe stehende Poschner hat keinen direkten Vorgesetzten im Verein mehr, eine Kader-Planung ist so nicht möglich, auch wenn Poschner nach eigenen Angaben weiter daran arbeitet.

Um die Handlungsfähigkeit des Vereins wiederherzustellen, muss der Verwaltungsrat laut Vereinssatzung, dem neun Mitglieder angehören, einen Notvorstand einberufen, der bis zur nächsten Mitgliederversammlung, auf der dann ein neues Präsidium gewählt wird, den Verein führt. Ein erstes Treffen der Verwaltungsmitglieder soll bereits am Samstag stattfinden.

Löwen-Geschäftsführer Markus Rejek spielt die Lage etwas herunter. In einer am Samstagnachmittag verschickten Pressemitteilung wird Rejek so zitiert: "Wir haben den Verwaltungsrat dazu aufgerufen, so schnell wie möglich die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Ämter im Präsidium, Beirat und Aufsichtsrat bis zu einer Mitgliederversammlung kommissarisch besetzt werden. Solange sind wir absolut handlungsfähig."

Was passiert mit Gerhard Poschner?

Fakt ist, dass das Präsidium und die Vereinsvertreter im Beirat, Mayrhofer und Bay, den Sportchef entlassen wollten. Ismaik und Basha, die anderen beiden Mitglieder des Beirats, halten aber ihre schützende Hand über Poschner. Im Beirat, der für Entlassungen zuständig ist, herrschte somit eine Pattsituation.

Theoretisch hätte der Verein Poschner dennoch entlassen können, wenn er sein Recht auf Anwendung der 50+1-Regeln geltend gemacht hätte. Die Regularien in Deutschland besagen nämlich, dass die Vereine gegenüber den Investoren die Entscheidungshoheit besitzen. Poschner hätte folglich mittels eines Präsidiumsbeschlusses am Beirat und damit an Ismaik und Basha vorbei des Amtes enthoben werden können.

Stand jetzt ist Poschner noch Geschäftsführer Sport und solange kein neues Präsidium gewählt ist, wird sich daran auch nichts ändern. An den von vielen Fans und ehemaligen Löwen-Spielern geforderten Rücktritt denkt Poschner nicht.

"Wir arbeiten nach wie vor intensiv an unserer Mannschaft für die neue Saison", sagte Poschner am Samstag und verkündete die Vertragsverlängerung mit Kai Bülow.

Wie geht es sportlich weiter?

Kommenden Montag starten die Löwen die Vorbereitung auf ihre inzwischen zwölfte Zweitligasaison in Folge. Cheftrainer Torsten Fröhling hing lange im luftleeren Raum, da er nur einen Vertrag am 30. Juni besaß.

Samstagnachmittag sorgte der Verein dann aber für eine überraschende und die einzig positive Nachricht in den letzten Tagen: Das Präsidium hat in seiner letzten Amtshandlung der Vertragsverlängerung mit Torsten Fröhling zugestimmt.

Damit ist immerhin die sportliche Leitung komplett handlungsfähig.

Wie steht es um ein Engagement von Felix Magath?

Magath stand bei Mayrhofer hoch im Kurs, Ismaik sprach sich zunächst gegen den Meistertrainer des FC Bayern und des VfL Wolfsburg aus, soll aber laut "Bild" in den letzten Tagen positive Signale gesendet haben.

Laut "Süddeutscher Zeitung" will eine Investorengruppe Ismaik die Anteile abkaufen unter der Alles-oder-Nichts-Bedingung, dass Magath der neue starke Mann bei den Löwen wird, also Trainer und Manager in Personalunion. Angeblich will Magath bei der Übernahme selbst zwei Millionen Euro in den TSV 1860 investieren.

Magath hüllt sich bislang in Schweigen, dafür bekommt er öffentlich Unterstützung von Ex-Löwen. "60 braucht endlich einen starken Mann, der Ordnung in das Chaos bringt. Felix Magath ist dafür genau der Richtige", sagte Peter Grosser.

Mit der Vertragsverlängerung von Fröhling dürfte ein Engagement Magaths aber vom Tisch sein - zumindest vorerst.

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