Vor etwas mehr als einem Jahr war Timo Gebhart zu einer Gefängnisstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Im Interview spricht der 26-Jährige über "keine echte Chance" beim 1. FC Nürnberg, Image-Probleme in Deutschland und die Pläne für einen Neustart.
SPOX: Timo Gebhart, normalerweise steigt man so nicht in ein Interview ein, aber dennoch die Frage: Wie geht es Ihnen?
Timo Gebhart: Mir geht es sehr gut. Ich bin glücklich, dass ich nach der langen Verletzung keine Beschwerden mehr habe. Ich gebe Gas, ich trainiere intensiv mit der Mannschaft. Ich bin fit!
SPOX: Und wie man liest, waren Sie am Wochenende in Bukarest und haben mit Vertretern von Steaua Bukarest gesprochen ...
Gebhart: Stimmt, der Kontakt kam über meinen Ex-Kollegen Ciprian Marica zustande. Es waren gute Gespräche, mal schauen, was passiert.
SPOX: Die Profi-Mannschaft des 1. FC Nürnberg ist am Montag aus dem Trainingslager im türkischen Belek zurückgekehrt. Sie halten sich bei der 2. Mannschaft in Nürnberg auf. Wie sieht Ihr Programm aus?
Gebhart: Wir waren bis zuletzt eine Art "Trainingsgruppe 2" mit Spielern wie Stefan Kutschke, Jakub Sylvestr, Willi Evseev, Robert Koch und mir. Wir waren eine richtig gute Truppe. Kutschke, Sylvestr und Evseev sind gewechselt, daher bin ich mit Koch jetzt bei der 2. Mannschaft. Wir trainieren drei Mal am Tag, in der Früh geht es zum Laufen, danach gibt es noch zwei intensive Einheiten.
SPOX: Sie haben eine längere Leidensgeschichte hinter sich, haben lange pausiert. Wie fühlt es sich an, wieder über einen längeren Zeitraum auf dem Platz zu stehen?
Gebhart: Ich gehe das volle Pensum, das tut gut, aber natürlich will ich spielen. Ich brauche den Wettkampf, ich brauche die Spielpraxis und hoffe, dass die Spiele bald kommen.
SPOX: Wer ist ihr Ansprechpartner im Verein?
Gebhart: Unser Amateurtrainer Roger Prinzen. Er gibt mir meine Trainingspläne.
SPOX: Im Sommer hieß es, dass Sie eine Chance bekommen, sich bei den Profis zu beweisen. Zwei Tage später wurden Sie aus sportlichen Gründen aus dem Profikader gestrichen...
Gebhart: So wurde es kommuniziert, ja.
SPOX: Was war da los?
Gebhart: Sagen wir es so: Es war für mich schon etwas komisch, dass diese Chance nach zwei Tagen schon wieder vorbei war. So ist der Fußball wohl, man muss mit allem rechnen. Ich habe das hingenommen und fortan bei der 2. Mannschaft weitertrainiert. Wenn man ehrlich ist, war das keine ehrliche Chance, die man mir gegeben hat. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob man an zwei Tagen erkennen kann, ob man einer Mannschaft helfen kann oder nicht, zumal es damals meiner Meinung nach auch gut gelaufen ist.
SPOX: Haben Sie das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht?
Gebhart: Ich habe nicht mehr groß nachgefragt. Die Entscheidung konnte ich nicht rückgängig machen. Ich habe hier in Nürnberg einen Vertrag, ich habe Gas gegeben und werde das auch bis zum letzten Tag so handhaben.
SPOX: Sie haben direkt nach der Suspendierung in einem Interview gesagt, dass Sie nicht aufgeben wollen und weiter um eine neue Chance kämpfen werden. Haben Sie je daran geglaubt?
Gebhart: Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich weiß, dass es keine Chance mehr gibt. Ich mache mir beim Club eigentlich keine Hoffnung mehr. Ich fühle mich hier aber dennoch wohl, ich gebe im Training mein Bestes und werde schauen, was auf mich zukommt.
SPOX: Nürnbergs Sportvorstand Andreas Bornemann bezeichnete Sie in einem Interview als "Spieler ohne Nutzen", Sie seien lediglich ein "großer Posten im Etat". Zuletzt sagte er, Sie hätten nur noch "aus der Vergangenheit" einen großen Namen. So platziert man kaum einen Spieler auf dem Markt, den man verkaufen will, oder?
Gebhart: Das wundert mich. Wir sind kürzlich zusammengesessen und es war wirklich nett. Das passt gar nicht zu so einer Aussage. Aber es bringt mir nichts, mir darüber einen Kopf zu machen. Ich bin Mitte 20, habe noch ein paar Jahre vor mir. Ich bin richtig heiß darauf, was kommt. Und ich werde zurückkommen, da bin ich mir sicher.
SPOX: Ein Vereinswechsel scheint der einzige Ausweg für Sie. Ob Bukarest oder ein anderer Verein - wann ist es soweit?
Gebhart: Wenn etwas Passendes kommt, werden wir sehen. Das ist ein Thema, mit dem sich in erster Linie mein Berater beschäftigt. Ich konzentriere mich aufs Training und entwickle Freude, weil ich wieder auf dem Platz stehe.
SPOX: Es ist zu hören, dass Sie auch aus der 2. Bundesliga Interessenten haben. Aber wäre das Ausland als Neustart nicht die bessere Option? Stichwort: Image.
Gebhart: Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber diese Fehler sind jetzt auch sehr lange her. Man muss auch irgendwann verzeihen können. Es ist schwer, aus einer Schublade zu kommen, wenn man erst einmal drin ist. Gerade in Deutschland. Ich weiß mittlerweile, wie eine Überschrift aussieht, wenn ich ein Interview gebe. Da steht jedes Mal "Bad Boy" oder "Skandal-Profi" davor. Und so lange ich nicht spiele, kann ich dieses Image leider nicht verbessern.
SPOX: Sie sind erst 26 Jahre jung. Das viel zitierte "beste Fußballalter" kommt erst noch. Wo soll es mit Timo Gebhart hingehen?
Gebhart: Die Ziele sind recht simpel: Ich will verletzungsfrei bleiben, wieder auf hohem Niveau spielen. Es wäre verfehlt als Ziel auszugeben, dass ich nächste Saison 20 Tore schießen will. Nein, ich will spielen. Ich will in einer Mannschaft sein, in der ich mich gut fühle und gebraucht werde. Ich will einen Trainer, der mir zu 100 Prozent vertraut. Dann interessiert mich auch nur das Mannschaftsziel und nicht das, was ich will.
SPOX: Haben Sie aus der schwierigen Zeit irgendwelche Lehren gezogen?
Gebhart: Logisch, aber ich bin nie ein Spieler gewesen, der im Team Terror macht. Trotzdem weiß ich, dass aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit ein gewisses Image in den Köpfen der Menschen hängengeblieben ist. Sie schlagen in der Früh die Zeitung auf, lesen etwas über mich und glauben es natürlich. Der Stempel bleibt haften und ich kann es nicht ändern. Ich kann nicht an jeden Frühstückstisch gehen und erklären, wie es wirklich ist.
SPOX: Fühlen Sie sich ohnmächtig?
Gebhart: Ich habe mich damit abgefunden, wobei ich mir manchmal schon denke: "Hey Leute, das ist so lange her, lasst es doch gut sein und gebt mir eine Chance."
SPOX: In der Nürnberger Fanszene hat man ein gespaltenes Verhältnis zu Ihnen. Es gibt die Fans, die Sie am besten sofort loswerden wollen. Andere haben eine emotionale Bindung zu Ihnen - nicht zuletzt, seitdem Sie in einem Franken-Derby im Fanblock saßen.
Gebhart: Es tut weh, den Fans Ihr Vertrauen und dem Club das Geld in Form von Leistung nicht zurückzahlen zu können. Gerade die Sache mit den Fans hängt mir hinterher.
SPOX: Eine ähnliche Bindung hatten Sie auch bei 1860 München. Im Sommer hieß es, Sie stehen vor einer Rückkehr. War da was dran?
Gebhart: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Richtig ist aber, dass mir Sechzig am Herzen liegt, dort bin ich groß geworden und ich verfolge auch, was dort los ist.
SPOX: Viele Ihrer ehemaligen Weggefährten aus der 1860-Zeit haben eine erfolgreiche Karriere hingelegt. Sie hatten in Stuttgart einen ähnlich vielversprechenden Start, dann kam aber der Karriereknick.
Gebhart: Ich habe mir das natürlich anders vorgestellt. Daher muss ich jetzt nach vorne schauen, jetzt müssen positive Dinge in meine Karriere zurückkommen. Ich arbeite daran.
SPOX: Sie haben in einem SPOX-Interview 2011 folgende Aussage getätigt: "Wenn mir jemand Respekt entgegenbringt, begegne ich ihm auch mit Respekt. Und diejenigen, die mich kennen, wissen auch, was sie an mir haben." Gab es in den letzten Jahren zu wenige Leute, die den wahren Timo Gebhart kennengelernt haben?
Gebhart: Schwierige Frage... Für mich hat sich an der Aussage seit 2011 nichts verändert. Natürlich ist in der Zwischenzeit so viel passiert, dass der Respekt gegenüber meiner Person etwas auf der Strecke geblieben ist. Ich werde den Respekt vor den Menschen aber niemals verlieren.
Timo Gebhart im Steckbrief