"Ismaik zum Überleben gebraucht"

Nino Duit
18. August 201611:53
Seit dem 5. November 2015 ist Oliver Kreuzer Sportchef des TSV 1860 Münchengetty
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Abstiegskampf in der 2. Bundesliga, ein twitternder Investor und eine offene Stadionfrage: Der TSV 1860 München hat im Moment mehrere Baustellen. Diese zu moderieren ist seit fast vier Monaten Aufgabe von Sportchef Oliver Kreuzer. Im Interview spricht er über all das und versichert: "Hier herrscht nicht das große Chaos."

SPOX: Herr Kreuzer, seit November 2015 sind Sie Sportdirektor beim TSV 1860 München. Provokante Frage zu Beginn: Warum haben Sie sich das angetan?

Oliver Kreuzer: Mein letzter Verein war der HSV, auch dort ging es oft sehr turbulent zu. Wenn man ein Jahr lang nicht mehr in diesem Job gearbeitet hat, dann will man irgendwann wieder etwas tun. Dafür war 1860 nicht die schlechteste Adresse. Natürlich habe ich mitbekommen, was in und um den Verein in der Vergangenheit passiert ist. Mein erster Eindruck war, das gebe ich zu: 1860 ist etwas verrückt.

SPOX: Heißt konkret?

Kreuzer: Man muss das richtig einordnen, ich kenne ja auch die Medienlandschaft in München. Da wird vieles aufgebauscht und hochstilisiert, was gar nicht so dramatisch ist. Das war für mich alles aber kein Grund zu sagen: 'Um Gottes Willen, das tue ich mir auf keinen Fall an.' Es ist eine sehr spannende Aufgabe, diesen Verein sukzessive wieder nach oben zu führen.

SPOX: Das Wort verrückt muss ja auch nicht unbedingt nur negativ konnotiert sein.

Kreuzer: Eben. Der Verein hat Ismaik damals gebraucht, um überhaupt zu überleben. Daher ist der Einfluss von außen bei uns vielleicht etwas größer als sonst wo, sodass die Dinge manchmal verrückter wirken als bei anderen Vereinen. Wenn man einen Investor mit im Boot hat, ist das etwas anderes als komplett eigenständig zu sein. Der Verein ist positiv verrückt, aber hier herrscht nicht das große Chaos. Wir wissen alle: ein solcher Verein steht und fällt mit dem sportlichen Erfolg.

SPOX: Dieser blieb seit dem Abstieg aber weitestgehend aus. Woran liegt das?

Kreuzer: Da gibt es keine pauschale Antwort. Es ist ein Prozess, wenn ein Verein über Jahre nicht auf die Beine kommt. Ein Abstieg ist immer schwer. Man will im ersten Jahr wieder aufsteigen, unternimmt große finanzielle Anstrengungen und dann schafft man es dennoch nicht. Daraufhin probiert man es ein zweites und drittes Mal, hält nebenbei im Prinzip das Erstliga-Level und stellt irgendwann fest: 'Wir sind ja gar kein Erstligaverein mehr.' Das muss man als Verein und im Umfeld auch erstmal akzeptieren können. Es wurde offensichtlich die eine oder andere falsche Entscheidung getroffen und deshalb sind wir heute nach zwölf Jahren ein Zweitligaverein.

SPOX: Blickt man auf die Tabelle, so fragt man sich, wie lange noch. Die Löwen stehen im Moment auf dem drittletzten Platz. Glauben Sie noch an Rang 15?

Kreuzer: Ich glaube sogar an Platz 14. Das ist machbar. Speziell am Ende einer Saison gibt es oft Kuriositäten. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass wir den Relegationsplatz erreichen. Wir sind noch lange nicht abgestiegen.

SPOX: Was hätte ein möglicher Abstieg für Konsequenzen für den Verein?

Kreuzer: Die zweite Mannschaft müsste auf jeden Fall in die Bayern-Liga absteigen, denn das ist so reglementiert. Es gäbe natürlich auch finanzielle Einschnitte, da das TV-Geld von der DFL wegbrechen würde. Im Moment bekommen wir sechs Millionen Euro, in der 3. Liga wären es 900.000 Euro. Wir würden dann umso mehr auf den Nachwuchs setzen. Unser Nachwuchsleistungszentrum hat die beste Auszeichnung in Deutschland bekommen. Das würden wir auch bei einem Abstieg gerne aufrechterhalten.

SPOX: Wie sähe in einem solchen Szenario Ihre persönliche Zukunft aus?

Kreuzer: Ich habe einen gültigen Vertrag für die 3. Liga.

SPOX: Neben den sportlichen Problemen sorgt auch Investor Ismaik immer wieder für Kontroversen. Wie haben Sie ihn bislang erlebt?

Kreuzer: Ich habe ihn zwei Mal getroffen. Er ist engagiert, aber nicht so häufig in München. Wenn er hier ist, dann schaut er sich die Spiele an und interessiert sich auch dafür. Wer so viel Geld in ein Projekt steckt, will auch wissen, was die Leute damit machen. Auf der anderen Seite: Fußball ist keine Mathematik. Man kann nicht berechnen, was man investieren muss, um einen bestimmten Tabellenplatz zu erreichen. Sonst wäre Chelsea englischer Rekordmeister. Fußball ist manchmal unberechenbar. Das ist etwas, was Herr Ismaik lernen muss - das weiß er aber auch selbst.

SPOX: Aber er identifiziert sich genügend mit dem Verein?

Kreuzer: Der Verein liegt ihm auf jeden Fall am Herzen und er will, dass er in die Spur kommt.

SPOX: Wie nehmen Sie die teilweise kryptischen Aussagen wahr, die Ismaik über die sozialen Medien verbreitet?

Kreuzer: Ich lese und registriere das. Ich kümmere mich um das Tagesgeschäft und habe wirklich keine Zeit, mir ausschweifend darüber Gedanken zu machen, was er damit konkret bezwecken möchte.

SPOX: Ismaik thematisiert gerne die Stadionfrage. Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Allianz Arena, Grünwalder Stadion oder Neubau?

Kreuzer: Am besten kommt der große Zauberer und wir spielen ab morgen in unserem eigenen schönen Stadion. Ich gehe aber davon aus, dass wir in den nächsten Jahren in der Allianz Arena spielen werden. Ich kann die Fans verstehen, die Allianz Arena ist nicht unsere eigentliche Heimat. Im Grünwalder Stadion zu spielen ist aber einfach nicht machbar. Für ein ganz neues Stadion bräuchte man eine Baugenehmigung und einen Ort. Das ist ein Prozess, der sich über Jahre ziehen kann. Dazu besteht der Vertrag mit dem FC Bayern bis ins Jahr 2025.

SPOX: Ismaik hat in Noor Basha einen ständigen Vertreter in München installiert. Wie sehen dessen Aufgaben im Tagesgeschäft genau aus?

Kreuzer: Er ist Geschäftsführer Sport, ihm untersteht der gesamte Sportbereich. Das operative Geschäft, also Transferverhandlungen und Kaderplanung, fallen dagegen in meinen Verantwortungsbereich.

SPOX: Wie beurteilen Sie denn Ihre Zeit in Hamburg mit etwas Abstand?

Kreuzer: Sie war sehr intensiv. Der Verein ist große Klasse, richtig geil. Das Problem war nur, dass ich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Es gab finanziell keinen Spielraum. Was die einzelnen Spieler angeht, waren wir hervorragend aufgestellt. Die Mannschaft war aber keine Mannschaft.

SPOX: Beim HSV haben Sie in der Bundesliga gearbeitet, zuvor beim Karlsruher SC in der 3. Liga und jetzt mit 1860 in der 2. Bundesliga. Gibt es Unterschiede in der täglichen Arbeit?

Kreuzer: Das operative Tagesgeschäft ist im Prinzip immer gleich. Der einzige Unterschied ist, dass man andere Märkte im Auge hat. Das Aufgabengebiet bleibt aber dasselbe: Man plant den Kader. Entscheidend sind dann vor allem die verschiedenen Zielsetzungen.

SPOX: Wie sehen denn die täglichen Aufgaben eines Sportdirektors außerhalb der Transferphasen aus?

Kreuzer: Wer meint, ein Sportdirektor arbeitet vom 1. Dezember bis zum 31. Januar und macht dann erst einmal drei Monate Urlaub, hat keine Ahnung. (lacht) Eine Kaderplanung ist ein ständiger Prozess. Es frisst nicht der Reiche den Armen, sondern der Schnelle den Langsamen. Man braucht bei allen Entscheidungen eine gewisse Vorlaufzeit, am besten ein halbes Jahr. Denn man muss heute schon wissen, was für den Sommer geplant wird: Gibt es auslaufende Verträge? Mit wem will man verlängern? Auf welchen Positionen besteht Bedarf und müssen wir dazu unsere Scouts informieren? Berater rufen an und klopfen die Sachlage ab. In unserer aktuellen Situation muss man natürlich zweigleisig planen, was das Ganze auch nicht einfacher macht.

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