SPOX: Herr Wosz, Sie siedelten als Kind von Polen in die DDR über. Wie groß war der Kulturschock?
Dariusz Wosz: Da ich Deutsch weder sprechen noch schreiben konnte, war es extrem schwierig. Ich habe in der Schule niemanden verstanden, musste aber trotzdem den Sprung in die nächste Klasse schaffen. Ich habe damals mit Fußball vieles kompensiert, besonders schulische Probleme. Auf dem Platz konnte ich mich ausleben. Fußball war meine Rettung.
SPOX: Wie kam es, dass Sie neben dem Fußball auch Eisschnellläufer wurden?
Wosz: Das war der Zusatzsportunterricht in der DDR. Entweder man ging schwimmen oder hat Eisschnelllauf gemacht - und ich war ein mieser Schwimmer. Beim Eisschnelllauf war ich hingegen begabt und man hat mich gefragt, ob ich nicht für die Jugendauswahl der DDR laufen möchte. Ich musste denen dann eine Absage erteilen, weil ich als Jugendlicher beim Halleschen FC gespielt habe.
SPOX: Dort hat Sie Karl Trautmann trainiert. Welche Bedeutung hat er in Ihrer Karriere eingenommen?
Wosz: Er war mein Entdecker, dem ich meine ganze Karriere verdanke. Er ist für mich so etwas wie mein zweiter Vater gewesen. Über mich hat er mal gesagt: Vom Körperwuchs her ist er ein Kleiner, aber er kann ein ganz Großer werden.
SPOX: Stimmt es, dass Sie mit 16 Jahren nach einem Auslands-Turnier eine Flucht-Möglichkeit aus der DDR abgelehnt haben?
Wosz: Mich hat damals im Flieger jemand aus dem Westen gefragt, ob ich mir vorstellen kann, in der Bundesliga zu spielen. Da lag ein konkretes Angebot vor und es wäre gleichzeitig meine Flucht aus der DDR gewesen. Es hätte aber auch jemand von der Stasi sein können, der mich testen wollte. Da konnte man sich damals nicht sicher sein.
SPOX: Hätten Sie damals schon gerne in der Bundesliga gespielt?
Wosz: Mein großes Ziel war immer der Westen und die Bundesliga, aber ich war nie so Fußball-bekloppt, dass ich Vorbilder hatte. Wenn ich Fußball gespielt habe, sah ich vielleicht bekloppt aus, aber ich habe auch nie Trikots gesammelt oder so. Das war mir nie wichtig.
SPOX: Ihre erste Station im Westen war der VfL Bochum. War Ihre Herkunft in Bochum ein Thema?
Wosz: Nein, mit mir kamen weitere fünf Spieler aus dem Osten zum VfL Bochum und ich habe versucht, mich mit jedem anzufreunden. Mir war es egal, ob die Leute aus dem Westen, Osten oder aus Kamerun kamen. Das größere Problem war für mich war vielmehr meine Ablösesumme. Der Verein hatte viel Geld für mich bezahlt und ich hatte den Druck, diese Summe mit guter Leistung zurückzuzahlen.
SPOX: Das hat aber gut geklappt: Nach dem Aufstieg in die Bundesliga 1996 sind Sie mit Bochum in den UEFA Cup gekommen...
Wosz: Das war schon eine unglaubliche Leistung, die wir natürlich gefeiert haben - und das nicht zu knapp. Das Feierbiest der Mannschaft war ich allerdings nie. Ich kam ja aus dem Osten und da muss man sich auch ein bisschen zügeln. Für die Eskapaden waren die Kollegen zuständig.
SPOX: Jemand, der beim Feiern auch nicht zu kurz tritt ist Peter Neururer, unter dem Sie jahrelang gespielt haben.
Wosz: Ja zum Glück! Für mich ist Peter Neururer der beste Trainer, den ich hatte. Er hat sich immer vor die Mannschaft gestellt. Wenn wir Mist gespielt haben, hat er sich vor die Presse gestellt und gesagt: "Ich bin daran Schuld und nicht die Mannschaft. Ich habe die Sprüche gemacht, also kritisiert mich.'' Im Training hat er uns dann aber spüren lassen, was wir da für Mist gespielt haben. Ähnlich wie auch Klaus Toppmöller hat er immer positiv gedacht und so das Maximum aus uns herausgeholt.
SPOX: Obwohl der von Ihnen gelobte Klaus Toppmöller noch Trainer war, wechselten Sie 1998 zur Hertha. Warum?
Wosz: Ich habe damals beim VfL Bochum ein paar Probleme gehabt und nicht viel gespielt. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen und ich hatte Angebote vom FC Valencia, von Paris Saint Germain und der Hertha. Die Entscheidung fiel dann auf Berlin.
SPOX: Im Endeffekt die richtige Entscheidung?
Wosz: Dritter Platz in der Bundesliga, Champions League und zwei Jahre UEFA Cup - alles richtig gemacht. Als Hertha dann neue Spieler gekauft hat, haben sie mich wieder weggejagt. Und trotzdem: Bei der Hertha hatte ich die geilste Zeit, die ich als Fußballer je erleben durfte, weil wir auch neben dem Platz eine geniale Truppe waren. Michael Preetz, Pal Dardai und Gabor Kiraly, das waren noch Typen! Dass der Gabor immer noch spielt, ist unfassbar. Er ist ein einmaliger Junge!