"Durch ein größeres Stahlbad gingen wenige"

Jens Keller ist seit dieser Saison Trainer bei Union Berlin
© getty

Am Mittwoch ist Jens Keller mit Union Berlin in der 2. Runde des DFB-Pokals bei Borussia Dortmund zu Gast (20.45 Uhr im LIVETICKER). Im Interview spricht der Trainer des Außenseiters über seine Eingewöhnung in der Hauptstadt, ambitionierte Ziele mit Union, den Schlüssel zum Erfolg gegen den BVB und seine Arbeit im Vergleich zur Zeit auf Schalke.

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SPOX: Herr Keller, fast vier Monate arbeiten Sie schon in Berlin. Wie lebt es sich als Schwabe in der Hauptstadt?

Jens Keller: Sehr gut, ich fühle mich wirklich wohl. Mit der Stadt Berlin hatte ich bisher aber nur bedingt etwas zu tun. Entsprechend finde ich ohne Navi noch nicht viel. (lacht) In Köpenick und beim Verein lebt es sich aber sehr gut.

SPOX: Das schnelle, anonyme Leben in der Metropole, ist das Ihres?

Keller: Es ist schon schön, in der Öffentlichkeit zu stehen und trotzdem etwas anonymer unterwegs zu sein. Das ist in Berlin durchaus der Fall. Union wird hier natürlich betrachtet, es ist aber nicht vergleichbar mit dem Hype um Schalke in Gelsenkirchen, zum Beispiel. Dort hat man auch in seiner Freizeit keine Ruhe.

SPOX: Sie haben vor Kurzem mal gesagt, Union passe zu Ihrer Mentalität. Wie würden Sie die denn beschreiben?

Keller: Ehrlich, aufrecht, respektvoll - das trifft es wohl ganz gut. Außerdem bin ich jemand, der sehr strebsam seine Ziele verfolgt und dafür viel Arbeit investiert.

SPOX: In unserem letzten Gespräch hatten Sie angekündigt, bei einem Verein anheuern zu wollen, der eine große Idee verfolgt und ein Projekt vorantreibt. Dieses Gefühl hatten Sie also beim FC Union.

Keller: Sonst hätte ich ja nicht unterschrieben. (lacht) Wäre ich nicht zu einhundert Prozent überzeugt gewesen, hätte ich es nicht gemacht. Wenn man sieht, wie der Verein in den letzten zwölf, dreizehn Jahren gewachsen ist und was hier aufgebaut wurde, erkennt man einen deutlichen Plan dahinter. Hier ziehen alle an einem Strang. Genau das habe ich mir damals vorgestellt und so habe ich es hier auch angetroffen.

SPOX: Mit Union sind Sie sehr ordentlich in die neue Saison gestartet. Fällt Ihr Fazit ausschließlich positiv aus?

Keller: Nicht ausschließlich. Wir sind zufrieden mit dem Saisonverlauf, mich haben aber die ersten drei Spiele mit nur zwei Punkten geärgert. Da hätten wir jeweils als Sieger vom Platz gehen können oder sogar müssen. Dafür haben wir anschließend auch mal ein Spiel etwas glücklicher gewonnen. Im Großen und Ganzen stehen wir, gemessen an unserer Leistung, mit zwei oder drei Punkten zu wenig da.

SPOX: Sie haben zuletzt angekündigt, Union könne bald zu den Top 20 Deutschlands gehören. Welche Ziele haben Sie sich sportlich denn mittelfristig gesetzt?

Keller: Wir bauen hier keine Luftschlösser, aber streben natürlich höhere Ziele an. Ich will ja nicht einfach vor mich hinarbeiten. Wir sind jetzt schon unter den Top 25. Entsprechend muss der Verein das Ziel verfolgen, unter die besten 20 zu kommen. Das ist für mich absolut realistisch.

SPOX: Konkret heißt das Aufstieg.

Keller: Natürlich muss der Aufstieg mittelfristig ein Thema sein. Ich bin schließlich hergekommen, um Ziele zu verfolgen und mit diesem Klub irgendwann wieder oben anzuklopfen. Wenn der Verein so weiterarbeitet, bin ich optimistisch. Da gehört auch immer ein bisschen Glück dazu. So eine Entwicklung macht man nicht einfach mit dem Fahrstuhl, sondern Stufe für Stufe. Union ist auch nicht vergleichbar mit Klubs, die ein solches Projekt mit sehr großem finanziellen Aufwand betreiben. Wir sind nicht in der Lage, nächstes Jahr fünf oder sechs Millionen Euro zu investieren und uns entsprechend Kaderqualität dazukaufen. Wir arbeiten kontinuierlich und ehrlich - so, wie das hier in den letzten Jahren schon praktiziert wurde.

SPOX: Sie haben als letzten Vergleichswert das Extrem Schalke. Merken Sie, dass das Umfeld bei Union deutlich ruhiger, weniger aufgeregt ist?

Keller: Ja, das merkt man total. Es gibt natürlich auch viele Parallelen - zum Beispiel, mit welcher Begeisterung die Fans ihren Verein unterstützen. Wir erleben einen wahnsinnigen Zuspruch. In den Vereinsstrukturen ist hier aber klar geregelt, wer was zu tun hat. Im Gegensatz zu Schalke mischen sich bei Union keine Leute in Dinge ein, die nicht zu ihrer Kernkompetenz zählen.

SPOX: Entsprechend müssten Sie dahingehend jetzt abgehärtet sein wie kaum ein anderer.

Keller: Ich habe auf Schalke sicher einiges mitgemacht, bin aber gut rausgekommen und habe es positiv überstanden. Ich weiß, dass ich dort einen guten Job gemacht und sicherlich bewiesen habe, dass ich mit Drucksituationen umgehen kann. Durch ein größeres Stahlbad sind wohl nur wenige gegangen. Das allein macht mich jetzt aber nicht besser als andere Trainer.

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