Nach über einem Jahr ohne Job heuerte Tayfun Korkut im Sommer beim 1. FC Kaiserslautern in der 2. Liga an. Der ehemalige Trainer von Hannover 96 spricht im Interview über die jüngere Vergangenheit, die Herausforderung FCK und seine Spielidee.
SPOX: Herr Korkut, am Silvestertag 2013 wurden Sie Trainer von Hannover 96 und mussten im April 2015 gehen. Seit Juni arbeiten Sie nun beim 1. FC Kaiserslautern. Wie haben Sie die Auszeit vom Trainerjob verbracht?
Tayfun Korkut: Es war definitiv keine Urlaubszeit. Ich habe reflektiert, was in den 16 Monaten bei Hannover alles passiert ist. Natürlich habe ich auch die Ligen weiter beobachtet, um vorbereitet zu sein, falls sich ein neuer Job ergibt. Nebenbei konnte ich mal wieder viel Zeit mit meiner Familie verbringen.
SPOX: Haben Sie auch über den Tellerrand hinaus in andere Länder und Ligen geschaut?
Korkut: Ja. Durch meine Spielerkarriere habe ich noch viele Kontakte ins Ausland, so dass ich mit ein paar Trainerkollegen in Spanien, der Türkei und England hospitieren konnte. Wir haben uns dort einige Spiele angesehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie in anderen Ligen Fußball gespielt wird.
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SPOX: Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Korkut: Konkrete Erkenntnisse stehen gar nicht so sehr im Vordergrund. Es geht eher darum, ein Gefühl für Geschwindigkeit, Dynamik und den Fußballstil der jeweiligen Liga zu bekommen. Ich wollte live im Stadion sehen, worauf Wert gelegt wird.
SPOX: Wie fiel das Fazit Ihrer Zeit in Hannover aus?
Korkut: Positiv. Bei meinem Antritt steckten wir in einer schwierigen Lage. Ich habe dann einen Neuaufbau eingeleitet, der auch fruchtete. Am Ende kam eine Phase, in der die Konstanz fehlte. Da kamen in 16 Monaten viele wertvolle Erfahrungen zusammen. spox
SPOX: Nach Ihrem Aus bei 96 wurden Sie immer wieder im Dunstkreis möglicher Trainerkandidaten genannt. Mit Eintracht Frankfurt sollen Sie schon sehr weit gewesen sein. Wieso kam es nicht schon vor der Anstellung beim FCK zu einer Einigung?
Korkut: Dazu möchte ich mich nicht konkret äußern. Dass es in dieser Zeit immer mal wieder Gespräche mit Vereinen gab, ist ja ganz normal.
SPOX: Wie sind Sie persönlich mit der Zeit ohne Job umgegangen?
Korkut: Mir kam sie gar nicht so lang vor. (lacht) Es gibt ja auch Trainer, die sich bewusst ein Jahr Auszeit nehmen. Ich hatte ein Jahr Auszeit bekommen und war währenddessen nicht unruhig. Ich habe versucht, die Phase so gut wie möglich zu nutzen - beruflich wie privat. Ich konnte auch einmal Dinge tun, für die während des Trainerjobs niemals Zeit wäre.
SPOX: Was hat nun den Ausschlag für Kaiserslautern gegeben?
Korkut: Die guten Gespräche mit den Verantwortlichen. Ich bin auf Personen getroffen, die neu im Verein sind und ihn in eine neue Richtung lenken wollen. Sie haben mich überzeugt, hier anzutreten. Ich wusste, dass die Situation beim FCK nicht einfach ist - und trotzdem eine wirklich lohnende Herausforderung.
SPOX: Der Schritt in die 2. Liga war für Sie nie ein Grund zur Absage?
Korkut: Nein. Auch wenn wir nicht mehr erstklassig spielen, ist Kaiserslautern in Deutschland noch immer ein Klub mit enormer Strahlkraft. Deshalb ist es für mich eine tolle Aufgabe. Es ist natürlich legitim, als Trainer zu sagen, man wolle nur in der ersten Bundesliga arbeiten. Das muss jeder für sich entscheiden. Aber es gibt auch Projekte, da ist die Liga egal.
SPOX: Bei aller Strahlkraft ist die wirtschaftliche Dimension jedoch eine andere. In Hannover gab es in Martin Kind eine Art finanzieller Sicherheit, der FCK dagegen ist alles andere als ein Krösus.
Korkut: Die Möglichkeiten sind natürlich nicht mit denen in Hannover zu vergleichen. Das ist eben bei jedem Verein unterschiedlich. Wir wissen hier natürlich, wie schwer es ist, wenn man aus der Bundesliga abgestiegen ist und dann einige Jahre in der 2. Liga verharrt.
SPOX: Der Start in der Pfalz verlief sehr holprig, zuletzt hat sich das Team aber gefangen und drei Siege am Stück eingefahren. Inwiefern ist dies dennoch ein kritischer Punkt in Ihrer Karriere?
Korkut: Kritische Momente hat man immer wieder als Trainer. Es gibt nur ganz wenige Trainer, die das nicht erleben. Man kann die Tage runterzählen, wenn man seine Unterschrift unter einen Vertrag setzt. (lacht) Selten läuft für einen Trainer alles glatt. Daher ist das für mich auch kein Problem. Ich denke nur an das, was ich auch täglich beeinflussen kann. Die Freude ist dafür umso größer, wenn man solche Momente als Team übersteht und gestärkt herauskommt.
SPOX: Beeinflussen kann man zum Beispiel die Art und Weise, wie Ihre Mannschaften spielen sollen. Wie würden Sie den idealen Fußball skizzieren, den Sie sich wünschen?
Korkut: Um den Fußball spielen lassen zu können, den man sich vorstellt, müssen bestimmte Faktoren zusammenkommen. Für mich sind das drei Säulen. Säule 1: Die zur Verfügung stehenden Spielertypen und ihre Eigenschaften. Säule 2: Die Identität und Fußballkultur des Vereins. Die dritte Säule ist dann die Idee des Trainers. Im Idealfall sollten diese drei Säulen zusammenkommen und sich respektieren. Bloße Ideen sind nicht überall umsetzbar.
SPOX: Was ist, wenn die Säulen eben nicht zusammenkommen?
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Korkut: Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man holt die zur Idee passenden Spieler oder geht zu einem Verein, dessen Spielidee zur eigenen passt. Die größte Schwierigkeit ist jedoch, dass man sich Vereine und Spieler nicht immer aussuchen kann. Die Vereine suchen die Trainer aus. Es ist daher wichtig, dass ein Verein ganz genau weiß, wen er als Trainer holt und welche Spieler er verpflichtet.
SPOX: Wie also sähe die von Ihnen bevorzugte dritte Säule genau aus?
Korkut: Vom Grundgedanken bevorzuge ich einen Fußball, der sich nicht aufs Abwarten beschränkt: Agieren statt zu reagieren, lieber einen Schritt nach vorne als nach hinten machen. Meine Mannschaften sollen die Sache offensiv wie defensiv selbst in die Hand nehmen - und zwar mit allen Risiken, die dazu gehören.
SPOX: Es gibt auch Trainer, die sich nur sehr wenig an die Begebenheiten anpassen und "ihren" Fußball ohne Wenn und Aber durchdrücken.
Korkut: Das muss jeder Trainer für sich selbst entscheiden. Das sind dann eher die Trainer, die sich Verein und Mannschaft aussuchen können, aber davon gibt nur sehr wenige auf der Welt - und selbst die brauchen dann Zeit. Es gibt nicht besonders viele Klubs, die die Möglichkeiten haben, für ihren Trainer alles zu ändern. Deswegen ist es für mich wichtig, als Trainer die nötige Anpassungsfähigkeit zu haben.
SPOX: Sie haben als Spieler und Trainer in Spanien und der Türkei gearbeitet. Welchen Einfluss hatte das dortige Spiel auf Ihre Sicht des Fußballs?
Korkut: Ich habe überall einiges mitgenommen. In der Türkei war es die mutige und emotionale Komponente, der spielerische Aspekt und die Struktur kommen aus Spanien, Entschlossenheit und Disziplin sind aus Deutschland eingeflossen. Diese Erfahrungen schon als Spieler gemacht zu haben war für mich sehr wertvoll und hat mich auch als Trainer geprägt. Natürlich kommt es dann auch darauf an, wo man gerade arbeitet, um das Landestypische nicht zu vernachlässigen. Und so kann sich dann die eigene Idee eben mit den Jahren und Erfahrungen entwickeln und ändern.
SPOX: Joachim Löw, Vicente del Bosque und Carlos Alberto Parreira waren Weggefährten von Ihnen, die Sie am meisten geprägt haben sollen. Weshalb?
Korkut: Sie alle zeichnet die Souveränität und Ruhe aus, die sie jeweils ausstrahlen. Das hat mir unglaublich imponiert. Sie konnten in jeder Situation mit dem Druck umgehen. Das hat man als Spieler spüren können. Ich versuche, dies nun auch als Trainer umzusetzen.
Tayfun Korkut im Steckbrief