Kiss me, Peter Oosterhausen!

Florian Regelmann
20. Juli 201009:23
Louis Oosthuizen wurde nach seinem British-Open-Sieg von seiner Frau Nel-Mare empfangenGetty
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Was war das denn bitte für ein Major? Dass es überhaupt keine Spannung und kein Drama gibt, weil ein Spieler außerirdisch daher kommt, kennt man eigentlich nur von Tiger. Aber diesmal war Peter Oosterhausen dafür veranwortlich. Sorry, Shrek natürlich. Der Südafrikaner eben. Der Rückblick auf die British Open. Mit Tigers neuer Geliebten, einer alten Lady und viel Magie.

10. Tiger Woods hat(te) eine neue Geliebte: Seit 1999 waren sie zusammen. Unzertrennlich. 63 Turniere haben sie gemeinsam gewonnen. Bei 13 von Tigers 14 Major-Siegen steckte sie in Tigers Tasche. Sie? Das ist in dem Fall ein "Er" - sein Putter. Während andere Spieler ihre Putter wie ihre Unterwäsche wechseln, hatte Woods eine ganz besondere Beziehung zu seinem "Scotty Cameron"-Modell. Doch nun war plötzlich alles aus.

Weil die Grüns in St. Andrews so langsam seien, wurde der alte Putter kurzerhand aussortiert und ein neuer, junger, heißer Flatstick aus dem Hause "Nike" durfte mit auf die Runde. Doch am Finaltag wechselte Woods wieder zurück zu seiner alten Liebe. Die neue hatte sich überhaupt nicht gut benommen. Besser wurde es aber nicht mehr. Nach seinem enttäuschenden 23. Rang sprach Woods von einer seiner "schlechtesten Putting-Wochen aller Zeiten."

Es gab aber auch wieder Tiger-Momente. In Runde zwei hätte er an der 18 aus etwa 320 Metern beinahe ein Ass geschlagen - aber der Ball ging nicht rein. Schließlich waren das die British Open und nicht Tigers Video-Spiel. Apropos Video-Spiel. Die neue Version "Tiger Woods PGA Tour 2011" ist bei weitem nicht mehr so ein Verkaufsschlager wie noch im letzten Jahr. Um fast 70 Prozent sind die Verkäufe zurückgegangen. Es läuft einfach nicht. Der ultimative Beweis: Die drei ersten Majors des Jahres wurden auf seinen drei Lieblingsplätzen (Augusta, Pebble Beach, St. Andrews) ausgetragen - er hat keines gewonnen.

9. Es ist Magie: Das Masters ist Legende, Pebble Beach ein Traum - aber St. Andrews ist mehr als all das. Es ist die Geburtsstätte des Golfsports. Es ist Magie. Nur in St. Andrews gibt es Geschichten wie die folgenden.

Der 66-jährige Fergus Muir lochte hier einmal einen Putt aus ca. 125 Metern - und steht damit im Guiness Buch der Rekorde. Oder die Swilcan Bridge, eine kleine Brücke, höchstens acht bis zehn Schritte lang, auf dem 1. und 18. Fairway gelegen, vor 700 oder 800 Jahren gebaut, damit die Schäfer ihre Herden über den Bach führen konnten. Heute ist es eine einzigartige Gedenkbrücke. Jeder, der hier hinüber läuft, hält kurz inne.

Oder er winkt und sagt Goodbye, wie es Tom Watson jetzt machte. Für ihn war es seine letzte British Open in St. Andrews. Hollywood-Stars haben hier schon Fotos schießen lassen, auch Donald Trump war da. Ob er die Brücke einfach schnell gekauft hat, ist nicht überliefert. Eine Frau hat einmal die Asche ihres verstorbenen Ehemannes unter der Brücke verstreut (hier geht's zum YouTube-Video). Es ist eben nicht eine Brücke. Es ist DIE Brücke.

8. Rory, die alte Lady mag das nicht! Nach seiner atemberaubenden 63 an Tag eins wurde Rory McIlroy gefragt, ob er sich an alle Runden erinnern kann, die er jemals professionell auf dem Old Course gespielt hat. Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Klar. 69, 69, 67, 68, 67, 68, 65, 69, 63." Der Junge hatte in St. Andrews echt noch nie eine Runde in den 70ern geschossen. Irre. Auch an Tag zwei sollte er nicht in die 70er kommen - sondern in die 80er. 17 Schläge schlechter als in Runde eins.

McIlroy, der von seinem Sponsor aufgrund der variierenden Buschigkeit seiner Haare die Cappies übrigens in zwei verschiedenen Größen bestellt bekommt, bekam zu spüren, dass man eine alte Dame nicht reizen sollte. "The old lady", wie der Old Course liebevoll genannt wird, hatte am windstillen Tag 1 keine Kleider an. An Tag 2 schmiss sie sich in ihr schönstes Kostüm. Böen mit bis zu 65 km/h, mehr davon! Die British Open müssen so sein.

Fast vergessen: McIlroy hat in St. Andrews immer noch keine Runde in den 70ern notiert. Nach seiner 80 spielte er am Wochenende nämlich eine entspannte 69 und 68 und wurde noch geteilter Dritter. Klingt unfassbar, ist unfassbar.

7. US-Boys, wollt Ihr überhaupt antreten? Dass Louis Oosthuizen ein Mitglied der European Tour ist, damit halten wir uns an dieser Stelle gar nicht auf. Ist ein schöner Nebenaspekt und sagt einiges aus, aber viel wichtiger ist im Hinblick auf den Ryder Cup der Vergleich zwischen Europa und den USA. Hinter Oosthuizen platzierte sich mit Westwood, Stenson, McIlroy, Casey und Kaymer fast die Hälfte des europäischen Teams. Mit Sean O'Hair und Nick Watney kamen zwar zwei talentierte US-Boys in die Top 10, aber im Prinzip spielten die Amis überhaupt keine Rolle.

Dazu kommt, dass Graeme McDowell die US Open gewonnen hat. Selbst auf der US PGA Tour dominierte mit Justin Rose zuletzt ein Engländer. Das europäische Golf ist aktuell so bärenstark, dass Captain Colin Montgomerie locker zwei gleichstarke Teams aufstellen könnte. Man soll sich ja nie zu sicher fühlen, aber wie bitteschön will Team USA in Wales den Ryder Cup verteidigen? Nach den Top-Stars wird es ganz schnell ganz dünn. Bei allem Respekt, vor den Matt Kuchars und Jeff Overtons dieser Welt zittert Europa nicht wirklich.

6. K.J. Chois Putting-Style: Runden von 76 und 74 Schlägen, geteilter 105. Rang, meilenweit am Cut vorbei. Eigentlich gibt es in dieser Woche keinen Grund über Choi zu sprechen. Wenn da nicht seine abscheuliche neue Putting-Methode wäre. Jeder, der mal selbst Golf gespielt hat, kennt die Frustrationen auf dem Grün.

Hier geht's zum YouTube-Video

Langer Putter, kurzer Putter, Belly-Putter, verschiedene Griffvarianten - es wird alles ausprobiert, was Besserung verspricht. Aber wie frustriert muss man um alles in der Welt sein, dass man sich so hinstellt wie Choi. Es überschreitet auf jeden Fall die Grenzen des ästhetischen Puttens deutlich. Und es bringt nicht mal was, wie wir in dieser Woche wieder gemerkt haben.

Hier geht's weiter mit Siems Pinkelei, Dalys Outfit und Louis wie?

5. Martin und Marcel: Klar war das Bogey-Bogey-Bogey-Finish am Finaltag extrem bitter, aber es darf nicht grundsätzlich etwas an der Einschätzung der Woche von Martin Kaymer ändern. Die wie folgt wäre: Eine insgesamt typische M-Kay-Vorstellung. Unglaublich solide. Das lange Spiel Weltklasse. Zweite Top-10-Platzierung in Folge bei einem Major. Den Platz im Ryder-Cup-Team, falls da jemand überhaupt Zweifel hatte, weiter zementiert. Und - ja, es muss jetzt kommen - es bleibt eine Frage der Zeit, bis er sein erstes Major gewinnt.

Auch bei Marcel Siem kann man sagen: typisch. 34 Löcher spielte Siem überragend, doch dann kam der kleine Mann im Kopf und flüsterte ihm mal wieder was zu, was er besser nicht gemacht hätte. Alle Spieler hauen den Abschlag an der 17 links ins Rough, das macht der Marcel natürlich nicht. Er haut ihn lieber rechts in den Garten des Hotels.

Falscher Schlag am falschen Loch, typisch eben. Und in der Finalrunde wurde es an der 17 wieder kurios. Siems Abschlag ging gerade mal 100 Meter weit. Warum? "Ich hatte am Abschlag einen kleinen Grashügel vor meinem Ball und dachte, dass der niemals ins Spiel kommt. Beim Schwung habe ich das Ding dann aber tatsächlich getroffen und der Ball flog nur ein paar Meter. Einen solchen Schlag habe ich echt noch nie gemacht", sagte Siem.

So was passiert wohl nur ihm. Gerade deshalb muss man Siem aber auch lieben. Mit Rang 27 alles in allem ein Top-Auftritt bei seinem ersten Major der Karriere. Er hat es sogar sofort in den USA in die Sport-Talkshows geschafft. Aber nicht wegen seiner Golfkünste, sondern weil er an Tag 2 mal in den Büschen verschwand, um pinkeln zu gehen. "Macht man das in Deutschland so?", echauffierten sich einige US-Journalisten über das so unanständige Benehmen. Die Antwort können wir geben: "Ja, das macht man bei uns so! Wie denn sonst?"

Hm, wer passt hier nicht so recht ins Bild? Getty4. Daly for President: Vor den British Open lag John Daly in der Weltrangliste auf Rang 455. Eingerahmt von Bradley Iles und Simon Thornton. Nie gehört. Seit Daly 1995 in St. Andrews gewann, war er bei keinem Major mehr unter den ersten Zehn. Seit über sechs Jahren hat er kein Turnier mehr gewonnen. Und dann stand JD plötzlich ganz oben auf dem Leaderboard. Dass er es - natürlich - nicht durchziehen konnte und am Ende nur geteilter 48. wurde, ist doch egal.

Daly ist so und so ein Held. "Daly For President" - "John Daly -- Living Legend" - solche Schilder wurden nur für ihn hoch gehalten. Seine Hosen waren auch in dieser Woche ein Graus, aber erstens passen sie zu ihm und zweitens waren sie nicht einmal die größte Modesünde. Die beging Sergio Garcia, der sich erdreistete, nach Spaniens WM-Titel einen Stern auf seinen Polo-Shirts anbringen zu lassen. Schon frech.

Aber um auch was Positives über Sergio zu sagen. Nach einer ewig langen Zeit, in der er so tief sank, dass man nicht mal mehr über ihn sprach, hat er mit einem 14. Rang angedeutet, dass er auf dem Weg zurück zu alter Stärke ist. Der Grund für den Wandel: Garcia hat gegenüber Familie, Freunden und Management allen angestauten Frust mal so richtig rausgelassen und sich Luft gemacht. Wirkt manchmal Wunder.

3. Phil lernt es nie mehr: Vor dem Turnier sagte Phil Mickelson noch, dass man alle vier Major-Turniere einmal gewonnen haben muss, um eine echte Legende zu werden. Tja, Phil, dann wird das mit der Legende bei dir wohl nichts. Phil the Thrill kann bei den British Open ums Verrecken nicht vorne mitspielen. Eine Top-10-Platzierung in 17 Teilnahmen steht für ihn zu Buche. Eine. Rang 48 war es diesmal. Dabei schienen seine Chancen so groß wie nie.

Kein British-Open-Platz liegt Mickelson so gut wie der Old Course. Sehr viel Platz vom Abschlag: passt! Ein exquisites kurzes Spiel ist gefragt: Hallo, das ist Phil Mickelson, der Short-Game-Zauberer! Aber dennoch spielte der Amerikaner eine völlig uninspirierte Open. Das Ziel mit dem Titel "Nummer eins der Welt" so nah, aber doch so fern.

Er gab sogar zu, dass er zwischendurch mit dem Schicksal haderte, weil er so viel Pech mit seinen Startzeiten hatte. Am Wochenende suchte er aber dann doch die Schuld bei sich. Er sei so enttäuscht über seine Leistung. Ach Phil, SPOX liebt dich, aber wir sind es irgendwie auch...

Ryder Cup 2010 in Wales: Diese Spieler wären derzeit dabei

2. Das Road Hole: Die 17. Spielbahn von St. Andrews gehört zu den berühmtesten Löchern auf der Welt. Während der Runde ist die 17 immer im Hinterkopf der Spieler. In diesem Jahr wurde der Abschlag noch einmal knapp 40 Meter nach hinten versetzt. Der Tee-Shot ist furchterregend. Vom Grün sieht man mal überhaupt gar nichts, vom Fairway kaum etwas.

Es gilt, sich einen Buchstaben im Old-Course-Hotel-Schild auszusuchen und zu zielen. Einige nehmen das O in Hotel, andere das O in Old, wieder andere das O in Course. Und dann geht es ab über das Hotel. Ist das geschafft, hat man einen langen zweiten Schlag vor sich. Links der Grün-Bunker, an dem manche Spieler schon fast als vermisst gemeldet wurden, rechts die Straße. Montgomerie ist sich sicher, dass man "erschossen" würde, wenn man heute so ein Loch desginen wollte.

Marcel Siem (s.o.) machte Bekanntschaft mit dem Loch, Martin Kaymer kostete die 17 einen möglichen zweiten Platz - und Miguel Angel Jimenez zeigte hier den Schlag des Turniers, als er den Ball gegen die Mauer spielte, um ihn von dort per "Bande" aufs Grün zurückspringen zu lassen. 4,67 war nach vier Tagen der Durchschnittscore. 16 Birdies standen 174 Bogeys gegenüber. 68 Mal war das Ergebnis schlechter als Bogey.

Louis Oosthuizen und sein kleiner Freund ShrekGetty1. Bitte mehr Respekt! "Meine Damen und Herren, bei uns ist Peter Oosterhausen...", begann der Moderator der Pressekonferenz. Peter Oosterhausen? Na ja, fast. Der Mann, der zur Halbzeit die Führung übernahm und im weiteren Verlauf mal eben die versammelte Weltspitze in Grund und Boden spielte, hört auf den Namen Louis Lodewicus Theodorus Oosthuizen.

Ein 27-jähriger Südafrikaner, der zwar vor den British Open die Nummer 54 der Welt war, in dieser Saison schon ein Turnier auf der European Tour (Open de Andalucia) gewonnen hat und ohne jeden Zweifel einen der wunderschönsten Golfschwünge auf dem Planeten besitzt, aber für die meisten dennoch ein Nobody. Und das auch zurecht, schließlich hatte Oosthuizen bei acht Major-Teilnahmen siebenmal den Cut verpasst.

Oosthuizen ist ein interessanter Typ. Sohn eines Farmers, der nie eine Golf-Karriere hätte machen können, wenn er nicht von Ernie Els und dessen Stiftung gefördert worden wäre. Hat letztens seinen Mercedes-Geländewagen durch ein Modell von BMW ersetzt und dann gemerkt, dass sein neues Auto nicht in die Garage passt. Also hat er flugs eine neue Garage gekauft. Spitzname: Shrek (wegen seiner Zahnlücke). Riesenfan der TV-Serie "Friends". Lässiger Junge, der nach einer der besten und dominantesten Leistungen der Geschichte völlig verdient mit dem Claret Jug dasteht.

Zum Schluss noch ein Quiz über die richtige Aussprache seines Namens.

a) OOST-high-zen
b) WOOST-high-zen
c) WEST-high-zin
d) OOST-hay-zen
e) WOOST-hay-zen
f) WEST-hay-zen
g) WUHST-hy-zen

Die richtige Antwort lautet... tata... c) Wirklich. Ist so.

Tag 4: Bitteres Finish für Martin Kaymer