Martin Kaymer hat sich mit seinem ersten Major-Sieg bei der PGA Championship in Whistling Straits einen Traum erfüllt - nun wird mit der ersten Teilnahme am Ryder Cup der nächste Traum wahr. Wenige Tage vor Beginn des Ryder Cups im Celtic Manor Resort im walisischen Newport spricht der 25-Jährige im SPOX-Interview über die größte Drucksituation seines Lebens, seinen Aufstieg zum Superstar - und ein mögliches Duell mit Tiger Woods.
SPOX: Herr Kaymer, der erste Abschlag am Freitagmorgen rückt immer näher. Wie oft haben Sie sich in Gedanken schon den ersten Teeshot vorgestellt?Martin Kaymer: Ich habe mir ehrlich gesagt darüber noch nicht so viele Gedanken gemacht, wie genau es am Freitagmorgen sein wird. Ich denke, das werde ich auch erst in der Situation sagen können. Ich weiß nur jetzt schon, dass es wohl etwas anderes als bei einem normalen Turnier oder sogar einem Major sein wird.
SPOX: Nicht umsonst erzählen praktisch alle, die Ryder Cup gespielt haben, dass der Druck da noch mal eine ganze Ecke größer ist als bei einem Major. Spüren Sie jetzt schon was?
Kaymer: Momentan spüre ich keinen Druck, eher Vorfreude darauf, dass es endlich losgeht. Aber mit Sicherheit wird der Druck am Freitagmorgen etwas anderes sein als bei einem reinen Einzelturnier. Man hat schon im Kopf, dass es für das Team, für Europa und für Deutschland zählt.
SPOX: 2008 waren Sie als Gast beim Team dabei. Was für Erinnerungen haben Sie daran und was fällt Ihnen sonst noch ein, wenn Sie an den Ryder Cup denken?
Kaymer: Beim letzten Mal war es super, als Beobachter dabei sein zu dürfen, das hat mir unheimlich viel gebracht und wird mir dieses Jahr definitiv helfen. Was mir von früher in Erinnerung geblieben ist, sind vor allem die Matches von Jose Maria Olazabal und Severiano Ballesteros - und dann der Ryder Cup 1997 in Valderrama, als Europa ganz knapp gewonnen hat.
SPOX: US-Captain Corey Pavin hat Europa die Favoritenrolle zugeschoben. Einverstanden?
Kaymer: Ich glaube auf jeden Fall, dass wir dieses Jahr ein sehr starkes Team haben. Es sind einige Rookies dabei, die sich so gut wie möglich präsentieren wollen und den Pokal wieder nach Europa holen möchten - und die Tatsache, dass wir in Wales spielen, sollte unserem Team entgegenkommen.
SPOX: Sie haben gesagt, dass Lee Westwood, Rory McIlroy oder Luke Donald Ihre erste Wahl wären als Partner. Warum diese drei Jungs?
Kaymer: Grundsätzlich würde ich natürlich mit jedem spielen. Bei den Dreien ist es aber so, dass ich mit ihnen einfach mehr zu tun habe als mit den anderen und wir uns deshalb auch abseits des Platzes besser kennen. Außerdem glaube ich, dass unsere Spielweisen relativ ähnlich sind und ich mit ihnen einen sehr guten Vierer spielen könnte.
SPOX: Beim US-Team steht selbstverständlich vor allem Tiger Woods im Mittelpunkt. In seinen letzten drei Turnieren in den FedEx-Cup-Playoffs hat er nicht überragend, aber doch so gespielt, dass ein Aufwärtstrend unverkennbar ist. Würden Sie trotzdem gerne gegen ihn spielen?
Kaymer: Klar würde auch ich gerne gegen Tiger Woods spielen. Ich denke, dass es etwas ganz Besonderes wäre, sich beim Ryder Cup, im Duell Mann gegen Mann, gegen den besten Spieler der Welt beweisen zu können.
SPOX: Tiger hat früher vor allem ausgezeichnet, dass er mit seiner Aura auch seine Gegner eingeschüchtert hat. Ist das immer noch so oder hat er diesen Faktor durch seine ganzen Probleme etwas eingebüßt?
Kaymer: Egal, was passiert ist: Tiger Woods bleibt Tiger Woods. Er ist immer noch die Nummer eins der Welt, obwohl er dieses Jahr nicht so viel gespielt hat.
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SPOX: Tiger hat im Gegensatz zu Ihnen 2010 kein Major gewonnen. Nun ist es ja kein Zufall, dass Sie Ihr erstes Major in einem Playoff gewonnen haben. Match Play war schon immer Ihr Ding, auch in der Jugend. Können Sie erklären, woher diese Match-Play-Mentalität kommt?
Kaymer: Für mich ist Match Play das wahre Golf. Mann gegen Mann, Eins gegen Eins, das macht unheimlich Spaß. Sonst spielt man immer nur gegen sich selbst und den Platz, hier hat man einen realen Gegner. Ich denke, der Spaß an einem solchen Format ist ganz wichtig, um dann auch erfolgreich darin zu sein.
SPOX: Jetzt liegt der Triumph in Whistling Straits einige Wochen zurück, Sie haben inzwischen wieder gespielt und bei der KLM Open wieder gewonnen. Wann haben Sie eigentlich begriffen, was Sie da eigentlich bei der PGA Championship geschafft haben? Erst im Urlaub danach?
Kaymer: Diese Woche Urlaub danach war wirklich sehr wichtig für mich zu dem Zeitpunkt, um alles sacken zu lassen, darüber nachzudenken und erst mal zu realisieren, was passiert ist. Das hat mir unheimlich Auftrieb für den Rest der Saison gegeben und natürlich auch meinem Selbstvertrauen nicht geschadet, wobei ich nicht damit gerechnet habe, in Holland direkt wieder gewinnen zu können.
SPOX: Woran denken Sie bei der Woche bei der PGA Championship am liebsten zurück? An welchen Schlag? An welche Situation?
Kaymer: Die gesamte Woche wird immer einmalig bleiben, da ist soviel passiert, was mir in Erinnerung bleiben wird. Beispielsweise auf Loch 6 der Finalrunde: Als ich zum Leaderboard geschaut habe und gesehen habe, dass ich zum ersten Mal in meiner Karriere alleine ein Major anführe, habe ich zu meinem Caddie gesagt: 'Egal was heute noch passiert, ich führe zum ersten Mal alleine ein Major an. Das fühlt sich sehr schön an.' Dann die gesamten zweiten neun Löcher der Finalrunde, in der der Druck schon immens war mit dem Finish an der 18. Ich bin sehr dankbar, dass ich eine solche Erfahrung so früh in meiner Karriere machen konnte und auch schon ein bisschen stolz darauf, wie ich diese Situation gemeistert habe.
SPOX: Wie oft haben Sie sich das Playoff und den Putt zum Sieg noch angeschaut bis jetzt? Es ist immerhin der Putt, mit dem Sie sich einen Lebenstraum erfüllt haben.
Kaymer: Ich habe es mir einmal auf DVD angeschaut, als ich wieder zu Hause in Deutschland war. Aber um das Ansehen ging es mir auch gar nicht so. Vielmehr bleibt mir der Moment, als der letzte Putt im Loch verschwand, im Gedächtnis und das war auch der Grund, warum ich nicht so gejubelt habe, wie es vielleicht viele erwartet hätten. Ich habe diesen Moment einfach genossen und versucht, soviel wie möglich davon zu behalten, weil der Gewinn eines Majors immer eines meiner Karriereziele gewesen ist. Das erreicht man nicht mal so eben.
Teil 2: Kaymer über seinen Hunger auf weitere Major-Siege und die Nummer eins
SPOX: In den USA gibt es viele Leute, bei denen die PGA Championship wahrscheinlich immer als Turnier in Erinnerung bleiben wird, das Dustin Johnson verloren hat. Und auf welche dramatische Art und Weise. Dass Sie es gewonnen haben, war in vielen Medien nur zweitrangig. Stört Sie das?
Kaymer: Ich hatte Mitgefühl für Dustin, das hätte wirklich jedem von uns in seiner Situation passieren können. Aber auf der anderen Seite wäre es auch ohne die Strafschläge ein Stechen gewesen, bei dem jeder von uns hätte gewinnen können. Von daher stört es mich nicht, denn ich finde nicht, dass man sagen sollte, er hat das Turnier verloren.
SPOX: Mickelson, McDowell, Oosthuizen, Kaymer: Wer Anfang des Jahres die Major-Sieger richtig getippt hätte, wäre sehr reich geworden. Alex Cejka hat ja übrigens das PGA-Tippspiel klar verloren, weil er Sie im Gegensatz zu SPOX nicht auf der Rechnung hatte...
Kaymer: (lacht) Darüber muss ich wohl mal mit Alex sprechen. Im Ernst: Bei Majors kann man nie sagen, wann man es gewinnen kann oder nicht. Tiger Woods kann das vielleicht, aber die Felder bei den Majors sind so ausgeglichen besetzt, dass neben einer eigenen perfekten Woche auch immer Glück eine Rolle spielt.
SPOX: Was hat sich in Ihrem Leben nach dem Major-Sieg geändert? Soll sich überhaupt etwas ändern, wenn es nach Ihnen geht?
Kaymer: Ich hoffe nicht, dass ich mich als Person verändere. Natürlich ist die Aufmerksamkeit etwas gestiegen, was ich ganz schön finde, denn ich sehe das auch als Belohnung für die Arbeit, die ich Tag für Tag in meinen Beruf stecke. Momentan bin ich sehr zufrieden, wie alles läuft.
SPOX: Ihr Aufstieg in den letzten Jahren ging einerseits in einem rapiden Tempo vonstatten, war andererseits aber auch immer eine schrittweise Entwicklung. Wenn Sie an die 59 auf der EPD Tour zurückdenken, hätten Sie sich zu dem Zeitpunkt vorstellen können, dass Sie in einigen Jahren ein Major gewinnen werden?
Kaymer: Wie schon gesagt, mit einem Major-Sieg kann man nicht rechnen oder sich das vorstellen. Das war auch damals noch nicht mal ein Ziel von mir, denn das wäre wohl etwas vermessen gewesen.
SPOX: Aber wann kam dann der Zeitpunkt, als Sie wussten: Jetzt kann ich auch eines der Major jederzeit gewinnen. Jetzt bin ich bereit dafür.
Kaymer: Ich glaube nach meinem sechsten Platz bei der PGA Championship 2009 habe ich zum ersten Mal wirklich die Chance gesehen, den Traum eines Major-Siegs irgendwann mal wahr machen zu können. Da habe ich gemerkt, dass ich auch bei den ganz großen Turnieren oben mitspielen kann.
SPOX: Aktuell sind Sie vielleicht in der Form Ihres Lebens. Welcher Teil Ihres Spiels hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren am meisten verbessert?
Kaymer: Auf jeden Fall das kurze Spiel, sowohl Annäherungen als auch das Putten. Von der Form meines Lebens würde ich nicht unbedingt sprechen wollen, aber ich bin momentan wirklich sehr gut drauf. Dazu kommt natürlich auch das ungemeine Selbstvertrauen, das man durch einen Major-Sieg bekommt.
SPOX: Alle großen Champions zeichnet es ja irgendwie aus, dass sie nach einem großen Sieg immer mehr wollen. Eine Art Sucht nach großen Titeln entwickeln.
Kaymer: Das kann man schon so sagen, wobei ich es nicht Sucht nennen würde. Man sollte solche Momente auch genießen können, aber nie den Hunger auf mehr verlieren. Mit einem Major-Sieg im Rücken steigen natürlich auch die Erwartungen an die eigene Person, aber nicht in dem Maße, dass ich mich damit unter Druck setze. Ich weiß jetzt, dass ich gegen die Besten der Welt gewinnen kann und versuche, so auch jedes Turnier anzugehen.
SPOX: Sie haben vorhin gesagt, dass man sich Major-Titel nicht so richtig als Ziel setzen kann. Aber es soll doch schon noch mehr als ein Major-Sieg werden, oder?
Kaymer: (lacht) Aber klar, mit 25 und dem Wissen, dass ich schon eins gewonnen habe, habe ich schon das Ziel, im Laufe meiner weiteren Karriere es nicht bei einem Major zu belassen. Aber Major-Titel sind nicht im Jahresrhythmus planbar. Dafür muss wirklich alles zusammen kommen.
SPOX: Die Nummer eins der Welt zu werden, ist jetzt natürlich auch möglich. Aktuell sind Sie die Nummer sechs. Ist das schon für 2011 ein Ziel, vielleicht in die Nähe der Nummer eins zu kommen?
Kaymer: Darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Ich möchte dieses Jahr gerne die Nummer eins in Europa werden, was danach kommt sehen wir dann. Solange Tiger Woods und Phil Mickelson noch da oben sind, wird es sehr schwer werden, aber ich würde mich freuen, wenn ich den beiden eines Tages wirklich gefährlich werden könnte.
SPOX: Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Jahre tourtechnisch aus? Beide Touren spielen und viel hin- und herfliegen?
Kaymer: Für die nächsten Jahre habe ich noch keine genauen Pläne. Ich werde sicherlich im nächsten Jahr mehr Turniere in den USA spielen, um mein Spiel auf den dortigen Plätzen noch zu verbessern und um zum Beispiel zu lernen, wie genau man auf Bermudagras spielt. Von einer Konzentration auf die US PGA Tour würde ich nicht sprechen, aber auch darüber mache ich mir erst Gedanken, wenn meine Saison vorbei ist.
So haben sich die 24 Spieler qualifiziert: Die Ryder-Cup-Wertung