Martin Kaymer kommt als Weltranglisten-Erster zum ersten Major des Jahres. Im SPOX-Interview spricht der 26-Jährige über das Masters in Augusta (3. Runde, Samstag ab 20 Uhr im LIVE-TICKER) und verrät, wie der Nummer-eins-Status sein Leben verändert hat, ob er Tiger Woods zu den Favoriten zählt und wer ihm überhaupt keine Chance gibt.
SPOX: Herr Kaymer, Sie sind jetzt schon seit einigen Wochen die Nummer eins der Welt. Was ist das Schönste daran, der beste Golfer der Welt zu sein?
Martin Kaymer: Generell in irgendeiner Sportart die Nummer eins zu sein, ist herausragend. Es hat mich natürlich sehr gefreut und stolz gemacht, dass ich das erreicht habe. Auch dass ich es so früh schon erreicht habe. Das war eines meiner Karriereziele. Wenn ich jetzt auf die Weltrangliste schaue, ist das ein sehr schönes und besonderes Gefühl. Für mich ist auch wichtig, dass ich beim Masters als Nummer eins antreten kann. Überhaupt die Nummer eins geworden zu sein, ist eine tolle Sache, aber ich will auch solange wie möglich ganz oben bleiben. Das ist auch klar.
SPOX: Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie wirklich begriffen haben, dass Sie jetzt in Ihrer Sportart der Beste sind, den es überhaupt gibt?
Kaymer: Ich habe bei der Match Play Championship das Finale gegen Luke Donald verloren und ich weiß noch genau, wie ich dann am Sonntagabend auf die Weltrangliste geschaut habe. Sich dann an der Spitze auf Position eins zu sehen, das war irgendwie unglaublich. Das war so ein Moment, bei dem man denkt: "Wow, ich bin die Nummer eins."
SPOX: Wie hat sich der Nummer-eins-Status bisher auf Ihr Leben ausgewirkt?
Kaymer: Ich werde gerade hier in Amerika häufiger erkannt als vorher, das hat mich selbst überrascht. Ob das jetzt im Supermarkt ist oder bei einem Basketball-Spiel. Ich war letztens mal bei den Phoenix Suns, da war dann auch die Kamera von "ESPN" auf mich gerichtet und es wurde eingeblendet "Number one player of the world". Solche Geschichten passieren jetzt häufiger als vorher. Ich habe auch weniger Zeit für mich, weil ich in Sachen Medienarbeit noch mehr zu tun habe, aber das bekommen wir ganz gut organisiert. Ansonsten hat sich nichts geändert. Weder was mich angeht noch das Golferische. Ich trainiere genauso weiter wie vorher. Daran wird sich auch nie etwas ändern.
SPOX: Sie waren einige Monate nicht mehr in Deutschland, es wäre spannend zu schauen, ob Sie hier jetzt auch häufiger erkannt werden. Glauben Sie, dass wirklich ein Golf-Boom in Deutschland möglich ist?
Kaymer: Ich hoffe es. Ich fand es zum Beispiel toll zu sehen, dass Sandra Gal jetzt ihr erstes Turnier in den USA gewonnen hat. Florian Fritsch hat auf der European Tour gute Resultate eingefahren - das sind alles gute Zeichen und es zeigt, dass sich etwas tut. Aber das große Ding wäre für Deutschland, wenn wir den Ryder Cup 2018 bekommen würden. Das wäre ganz wichtig für die Entwicklung des Golfsports in Deutschland. Wenn die Ryder-Cup-Bewerbung erfolgreich ist, haben wir eine Chance auf einen Boom. Aber nur dann. Ich hoffe, dass uns die Regierung auch unterstützt, ich habe gehört, dass es da ein paar Schwierigkeiten gibt.
SPOX: Warum wäre der Ryder Cup so wichtig?
Kaymer: Der Ryder Cup ist einfach mit nichts zu vergleichen. Da könnte ich noch vier Majors gewinnen, es wäre kein Vergleich zu dem, was der Ryder Cup bewirken könnte. Deutschland hat ja bei der Fußball-WM 2006 bewiesen, was für eine unglaubliche Atmosphäre entstehen kann. Gut, so wie bei der Fußball-WM wird es beim Ryder Cup nicht sein, aber vielleicht kann man ja mal irgendwann in die Nähe kommen.
SPOX: Ihr erster Major-Sieg bei der PGA Championship war beeindruckend, aber genauso beeindruckend war eigentlich, dass Sie danach sofort weitere Turniere gewonnen haben. Wie wichtig war es Ihnen, den großen Erfolg so schnell zu bestätigen?
Kaymer: Es gibt wenige Spieler, die ein Major oder ein großes Turnier gewonnen haben und dann direkt danach gleich wieder gewonnen haben. Deshalb war es für mich sehr wichtig, gleich nachzulegen und nicht nur ein Turnier zu gewinnen. Außerdem war der Sieg beim Race to Dubai im vergangenen Jahr mein primäres Ziel, ich habe mich aus diesem Grund immer weiter gepusht und war am Ende der Saison dann auch sehr zufrieden, dass ich es nicht habe schleifen lassen. Ich habe in Deutschland auch mehr Respekt dafür bekommen, dass ich weiter Turniersiege geholt habe als für den Triumph bei der PGA Championship an sich.
SPOX: Sie sprechen den Respekt an, den man sich verdient. Woran merkt man das auf der Tour?
Kaymer: Es ist definitiv so, dass man als Nummer eins mehr Respekt und Aufmerksamkeit von den anderen Spielern bekommt. Das habe ich schon gemerkt. Man wird auch immer so ein bisschen als Favorit angesehen, wenn ein Turnier losgeht. Das sind alles so Dinge, die mir helfen und in der Summe dafür sorgen, dass man ein immer größeres Selbstvertrauen bekommt und sich wohl fühlt. Auch in den letzten Wochen, in denen ich nicht so herausragend gut gespielt habe, hat mir das geholfen. Ich habe immer weiter gekämpft, auch weil ich ja wusste, dass ich die Nummer eins der Welt bin und gutes Golf spielen kann. Ich weiß inzwischen auch, dass ich Turniere gewinnen kann, wenn ich nicht in Topform bin. Wobei man schon sagen muss, dass ich bei meinen letzten Siegen sehr gut gespielt habe.
SPOX: Bei Ihren letzten Starts haben Sie keine Top-Ergebnisse landen können. Wenn man so viel Erfolg hatte wie Sie, verwöhnt man sich dann auch sozusagen selbst und wird schnell unzufrieden, wenn man mal nicht vorne dabei ist?
Kaymer: Unzufrieden würde ich nicht sagen. Ich habe in letzter Zeit nur ein bisschen an meinem Schwung gearbeitet - und bei der Transitions Championship habe ich mich ja mit einer guten letzten Runde immerhin noch auf Rang 20 nach vorne gearbeitet. Wenn einige Leute dann sofort von einer Krise sprechen, oder davon, dass ich meinen Schwung umstellen würde, dann kann ich nur sagen, dass ich darauf nicht viel gebe. Man kann nicht jede Woche absolute Top-Leistungen bringen. Und das Turnier, das zählt, ist jetzt das Masters.
Seite 2: Kaymer über seine Masters-Chancen, Tiger Woods und Playstation
SPOX: Sie waren drei Mal in Augusta dabei und Ihr Erfolg ist bis jetzt doch eher bescheiden.
Kaymer: Das kann man so sehen. (lacht) Ich habe drei Mal den Cut verpasst und deshalb habe ich mich in diesem Jahr entschieden, meine Herangehensweise an Augusta zu verändern. In den letzten Jahren habe ich die Woche vorher in Houston gespielt, jetzt habe ich vor dem Masters zwei Wochen Pause gemacht.Ich habe mich vergangene Woche mit meinem Bruder und meinem Vater in Atlanta getroffen und wir haben ein paar Runden gespielt. Nicht in Augusta, aber in der Nachbarschaft. Außerdem habe ich in den vergangenen Wochen viel Zeit mit dem kurzen Spiel verbracht und darauf den Fokus gelegt. Das größte Problem hatte ich in Augusta immer auf den Grüns. Sonst hat es spielerisch eigentlich gepasst.
SPOX: Als Nummer eins werden Sie wohl in allen Favoritenrankings vorkommen.
Kaymer: Nicht in allen. Ich habe vor kurzem morgens den Golf Channel geschaut und gehört, dass ich keine Chance habe. 'Kaymer? Absolutely no chance', hieß es da. Der hat die falsche Flugkurve, der spielt den Ball zu flach, in Augusta muss man ihn aber hoch spielen... Also wenn es nach dem Golf Channel geht, geht da für mich nichts. (lacht)
SPOX: Dass man in Augusta den Draw, also die Rechts-Links-Kurve benötigt, Sie aber von Natur aus den Fade, also eine Links-Rechts-Kurve, spielen, ist ja bekannt. Wie schwer macht dieses "Handicap" Augusta für Sie?
Kaymer: Es ist ohne Zweifel so, dass es die Sache einfacher macht, wenn du bei Bedarf den Draw spielen kannst. Es macht den Platz vor allem kürzer. Deshalb habe ich mit meinem Coach Günter Kessler auch daran gearbeitet, dass ich den Draw spielen kann, wenn ich ihn brauche. Aber ich habe kein Spezialtraining gemacht. Es ist viel mehr ein langer Prozess. Ich spiele nun mal, seit ich Golf spiele, eine andere Flugbahn und das ja sehr erfolgreich. Ich würde es falsch finden, wenn ich jetzt versuchen würde, für ein einziges Turnier meinen Schwung komplett umzustellen. Zumal man Augusta auch sehr gut bewältigen kann, wenn man den Ball einfach gerade schlägt. Mal schauen, wie es für mich laufen wird. Ich habe das letzte Major-Turnier gewonnen, ich komme als Nummer eins dorthin - das Selbstvertrauen ist da. Vielleicht kann ich am Wochenende ein Wörtchen um den Sieg mitreden.
SPOX: Außer den Grüns, was ist das Schwierigste beim Masters?
Kaymer: Was meiner Meinung nach gerne unterschätzt wird, sind die ganzen Hanglagen. Du stehst nie gerade am Ball. Das ist wirklich heftig. An der 9. Bahn zum Beispiel solltest du als zweiten Schlag einen Draw spielen, so wie das Grün angelegt ist. Aber du stehst über dem Ball an der 9, was eigentlich für den entgegen gesetzten Schlag spricht. Es passt nicht - und das macht es dann so extrem schwierig. Wenn du dann das Grün nämlich verpasst, hast du kaum noch eine Chance, das Par zu retten.
SPOX: Wie würden Sie Augusta jemandem beschreiben, der noch nie persönlich da war?
Kaymer: Also wenn man den Golfplatz mal wegnimmt, ist es wirklich kein schöner Ort. Aber der Golfplatz ist dann wieder das Paradies schlechthin. Die Bäume, die Art und Weise, wie das Gras geschnitten ist, kombiniert mit der unglaublichen Geschichte, die dieses Turnier ausmacht - das macht es alles zum größten Major, das wir haben. Jeder Golfer träumt davon, einmal das Grüne Jackett mit nach Hause zu nehmen.
SPOX: Einer, der sich mehrfach das Grüne Jackett anziehen durfte, ist Tiger Woods. Aber er hat seit einer - für seine Verhältnisse - gefühlten Ewigkeit kein Turnier mehr gewonnen. Haben Sie ihn auf dem Zettel?
Kaymer: Tiger Woods wird immer zu den Favoriten gehören. Ich bin auch überzeugt davon, dass er früher zu seiner alten Topform zurückfindet, als viele denken. Aber ich glaube nicht, dass er in diesem Jahr in Augusta gewinnen wird.
SPOX: Warum wäre es für die Golf-Szene denn wichtig, dass Tiger wieder so spielt, wie zu seinen besten Zeiten?
Kaymer: Jeder möchte sich mit den Besten messen, das ist doch die Herausforderung, die wir alle wollen. Tiger ist der beste Golfer, den es je gegeben hat. Es wäre toll, wenn er wieder in die Form von 2000 kommen würde, als er fast jedes Turnier gewonnen hat. Ich will mich mit dem besten Tiger messen, den es gibt. Das bringt einen dann auch selbst wieder nach vorne.
SPOX: Sie können sich auf jeden Fall auch auf der Playstation mit Tiger Woods messen. Sein neues Spiel ist rechtzeitig für Augusta mit einer Masters-Edition herausgekommen. Haben Sie es schon ausprobiert?
Kaymer: Nein, noch nicht. Ich habe mir aber schon überlegt, ob ich mir das holen soll. Interessanterweise habe ich nämlich kein Tiger Woods Game in meinem Schrank stehen. Wenn mein Bruder da ist, machen wir zwar gerne abends mal eine Session, aber wir spielen meist Black Ops, das ist in den USA der Bestseller, oder wir spielen FIFA.
SPOX: Aber doch nicht mit dem 1. FC Köln, oder?
Kaymer: Nein, der FC ist leider nicht so stark. Meistens spielen wir auf internationaler Bühne. Ich bin dann meistens Deutschland und mein Bruder Argentinien oder Brasilien. Das macht am meisten Spaß.
SPOX: Noch mal zurück zu Tiger: Er hat auch angefangen zu twittern. In Golfer-Kreisen, wir denken an Ian Poulter und Co., ist das sehr beliebt. Warum sind Sie noch nicht dabei?
Kaymer: Ich bin nicht so der große Fan von den ganzen Social-Media-Geschichten, um ehrlich zu sein. Wir machen jetzt erst einmal alles Step by Step. Der erste Schritt ist meine Homepage, danach schauen wir weiter. Wenn ich irgendwann twittern werde, dann wird es auf jeden Fall nicht so sein wie bei Poulter, der alle zehn Minuten irgendwas postet.
SPOX: Sebastian Vettel und Sie sind, was Einzelsportarten angeht, aktuell Deutschlands absolute Sport-Superstars. Und interessanterweise ähneln sie beiden sich doch ziemlich. Verfolgen Sie die Formel 1?
Kaymer: Auf jeden Fall. Es imponiert mir, was er in seinem Alter schon geleistet hat. Er ist für jeden anderen Sportler ein Vorbild, weil er auch einen sehr ehrgeizigen und bodenständigen Eindruck macht. Ich würde ihn gerne mal persönlich kennen lernen.