SPOX-Par-10 zum Masters-Triumph von Tiger Woods: Ganzkörper-Gänsehaut, Kaugummi und Michael Phelps!

Florian Regelmann
15. April 201920:15
Für immer unvergessen: Der Moment, als Tiger Woods Sohn Charlie im Arm hält. getty
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Ein Kaugummi kauender Fashion-Guru namens Tiger Woods gewinnt elf Jahre nach seinem letzten Major-Sieg das Masters in Augusta und lässt die Erde beben. Das SPOX-Par-10 gönnt sich eine besondere Tiger-Edition. Mit dabei: der Sicherheitsbeamte, Charlie, Sam und Michael Phelps.

Tiger Woods: Der Typ ist aus besonderem Holz geschnitzt

Das Masters 2019 lieferte wieder so einige Geschichten. Wir denken an den epic fail des Zach Johnson beim Probeschwung. Wir denken an Phil Mickelsons legendäres Video, als er am Samstag die Magnolia Lane hinauf fuhr, versprach, "Bombs" rauszuhauen und dabei in absolut bester Phil-Manier noch Mr. Großzügigkeit Matt Kuchar disste. Wir denken an sage und schreibe drei 64er-Runden am Moving Day, an dem das Feld das vom Regen aufgeweichte Augusta auseinandernahm wie noch nie zuvor (insgesamt -80!). Wir denken an Rory McIlroy, der so viel meditieren und Bälle jonglieren kann, wie er will, aber den Karriere-Slam weiter nicht perfekt machen kann.

Oder wir denken an Jason Day, der angeschlagen ein bärenstarkes Turnier spielte, von seiner Frau gekonnt motiviert wurde ("Reiß dich zusammen, es ist das Masters!") und offenbarte, dass er jeden Morgen Luftballons aufbläst, um seinen Brustkorb wieder in die richtige Position zu bringen. Ernsthaft.

Aber heute soll es nur um Eldrick Tiger Woods gehen. Um den Typen, der doch eigentlich tot war. Körperlich, dazu kommen wir später, aber doch vor allem auch emotional. Das Unfassbarste am größten Sport-Comeback aller Zeiten ist der mentale Aspekt. Dass Woods nach allem, was er durchmachen musste, am Finaltag in Augusta wie der Woods von früher wirkte, ist mehr als beeindruckend.

Sein absolut überragender Zwei-Putt zum Par an der 9, vielleicht der kritischste Moment der Finalrunde, leitete eine grandiose Back Nine ein. Okay, bei den Abschlägen an der 11 und 13 hatte er das nötige Quäntchen Glück, aber insgesamt hat Woods den Driver seit Ewigkeiten nicht mehr so getroffen. Und die Eisenschläge waren göttlich, einer nach dem anderen.

"Er ist ein sehr selbstbewusster Typ, er dachte immer, dass dieser Tag wieder kommen würde", sagte Woods' Caddie Joe Lacava. Fun Fact: Lacava trug ein Saquon-Barkley-Jersey unter seinem Caddie-Overall. Mehr werden die New York Football Giants in den nächsten 20 Jahren nicht erreichen.

Tiger Woods gewann 2019 in Augusta sein fünftes Green Jacket.getty

Ihr Kinder habt alle keine Ahnung!

Da standen sie am Clubhaus und empfingen Tiger Woods zur Gratulation, Justin Thomas, Brooks Koepka, Rickie Fowler, die neuen Superstars der Szene. Was sie sich wohl in diesem Moment gedacht haben? Was war ein Satz, den man während Woods' Abwesenheit von den Leaderboards dieser Welt von den ganzen neuen Stars der Szene so oft hörte? "Ich hätte es so gerne mit dem Tiger Woods aus seiner Blütezeit aufgenommen!" Woraufhin alle, die diese fragwürdige Freude tatsächlich hatten (fragt mal David Duval), sich immer dachten: "Ähm, nein, das hättet Ihr sicher nicht, Ihr Unwissenden!"

Jetzt haben sie zum ersten Mal bei einem Major einen Eindruck bekommen, wie es ist, gegen einen der größten Sportler in der Geschichte antreten zu müssen. Der Druck auf den zweiten Neun an einem Major-Sonntag ist grundsätzlich enorm, aber er erreicht eine neue Dimension, wenn ein gesunder Tiger Woods in Ausnahmeform neben dir steht.

Bernhard Langer hat es hautnah miterlebt, als Woods 1997 sein erstes Green Jacket gewann. Auch Langer wartete in seinem Grünen Jackett am Clubhaus, um Woods die Hand zu schütteln. Beinahe hätte ihn Tiger übersehen, ehe er nochmal kurz stoppte, um Langers Glückwünsche entgegenzunehmen. Jeder, der weiß, wie sehr Woods den Deutschen respektiert, weiß, wie viel Tiger auch die Worte von Langer bedeutet haben.

Der 61-Jährige spielte übrigens wieder mal ein sehr starkes Turnier, schaffte den Cut und lag lange unter Par, ehe er irgendwann an der Länge des Platzes scheiterte. Wenn du so viele Hölzer in die Grüns schlagen musst, macht es dich über vier Tage gesehen irgendwann mürbe. Nichtsdestotrotz ist es bemerkenswert, wie Langer mit 61 noch Augusta spielt und am Ende gleichauf mit Jungs wie Alex Noren liegt. Hut ab, Bernhard!

Tiger Woods und der Sicherheitsbeamte

Die wildeste Szene der Woche ereignete sich schon am Freitag in Runde zwei. Woods hatte seinen Abschlag an der 14 so weit nach links gezimmert, dass es sehr nach Bogey roch. Aber Woods hatte Glück. Er sah die Gasse zum Grün und spielte einen fantastischen Punch Shot. Das Problem: Die Zuschauer, sorry, die Patrons, wollten alle sehen, wo der Ball landen würde, und setzten sich in Bewegung.

Das wiederum versetzte einen Sicherheitsbeamten, der Woods vor den nahenden Patrons schützen wollte, in Aufregung. Er beging eine der Kardinalsünden in Augusta ("Rennen ist auf der Anlage verboten, sonst mindestens Todesstrafe!"), sprintete los, rutschte aber im Matsch aus und grätsche Tiger beinahe um.

Kurzzeitig sah es so aus, als ob sich Woods am Knöchel oder am Knie verletzt haben könnte. Man stelle sich das einmal vor... der arme Sicherheitsbeamte hätte kein Auge mehr zugemacht... Aber es war nichts passiert. Woods lief aufs Grün und lochte seinen Birdie-Putt. Absoluter Wahnsinn.

Tiger Woods und der Stehkragen

Wir müssen jetzt mal kurz die wirklich wichtigen Faktoren bei Tigers Triumph beleuchten. Punkt Nummer eins: das Shirt. Bei seinem bis dato letzten Masters-Sieg 2005 hatte Woods mit seinem Outfit für Aufsehen gesorgt. Ein Shirt mit Stehkragen? Darf man das im Golf?

"Ich fand immer, dass es schick aussah damals", meinte Woods vor Turnierstart. Brooks Koepka und Justin Thomas erinnerten sich, dass sie als Kinder einige der Shirts im Schrank hatten. Jetzt brachte Woods die Shirts zurück (what a comeback!) und das Internet drehte durch. Eigentlich war da schon klar, dass Tiger das Ding gewinnen würde.

Es ist davon auszugehen, dass die Shirts nach seinem Sieg wieder ein Renner werden. Das Par-10 wird auf jeden Fall eines kaufen. "Der Stehkragen verleiht dir modernen Style", heißt es auf der Website. Okay, wir nehmen fünf.

Tiger Woods und der Kaugummi

Das Internet drehte nicht nur wegen Tigers Shirt durch. Da war ja auch noch der Kaugummi. Tiger kaut Kaugummi? Hä? Was soll das? Wann hat er das denn mal gemacht? Eine Recherche bei der Bild-Agentur bringt nur einen Treffer (Dubai Desert Classic 2006).

Was ist also des Rätsels Lösung? Finden wir sie in der Psychologie? Kaugummi kauen soll angeblich Stress reduzieren, fand Golf Digest investigativ heraus. Das Gehirn soll dadurch Wellen produzieren, die denen ähneln, die ein Gehirn einer glücklichen Person generiert. Das Blut soll besser fließen. Echt jetzt?

Am Ende war die Lösung doch einfacher. Woods: "Ich kaue darauf herum, weil ich immer hungrig werde. Es zügelt meinen Appetit ein wenig, deshalb mache ich es." Aha. Es ergibt aber insofern Sinn, da Tiger letztens offen erzählte, immer hungrig zu sein und pro Tag sieben Mahlzeiten zu sich zu nehmen, auch nachts, um sein Gewicht zu halten. Der Mann hat also echt ziemlich viel Hunger.

Tiger Woods und die schlimmste Phase seiner Karriere

"In meiner schlimmsten Zeit musste mir sechs Monate lang jeden Morgen aus dem Bett geholfen werden. Und an manchen Tagen konnte ich selbst mit Hilfe nicht aufstehen. Entweder musste ich mich einfach auf den Boden fallen lassen, oder im Bett liegen bleiben."

Wir können alle nicht mal im Ansatz erahnen, was Tiger Woods körperlich in den letzten Jahren ertragen musste. Alleine von seinen Erzählungen schaudert es einen. Der Mann war fertig. Der Mann konnte nicht laufen. Kein normales Leben führen. Nicht mit seinen Kindern spielen. Beim Champions Dinner in Augusta vor zwei Jahren nur dank einer Spritze überhaupt irgendwie auf dem Stuhl sitzen.

Vier Knie-Operationen. Vier Rücken-Operationen. Erst eine Wirbelfusion sorgte letztlich für die erhoffte Linderung. Aber selbst danach war der Weg zurück so unendlich weit. Sein erster Schlag mit dem Driver flog 90 Yards. Und jetzt schwingt Woods wieder mit einer Geschwindigkeit und Power, dass er selbst nur staunen kann. Und gewinnt das Masters. Nachdem er Ende 2017 die Nummer 1199 der Welt war, ist er jetzt die Sechs. Und ein völlig anderer Tiger. Kein Roboter mehr, sondern jemand, der die Nähe der Fans sucht und High-Fives verteilt. Es ist mit Worten nicht wirklich zu beschreiben.

Tiger Woods und Michael Phelps

Jetzt kurz zum lässigsten Moment im ganzen Tiger-Wahnsinn. Tiger Woods hat gerade mit einem Birdie an der 15 die Führung übernommen und steht am 16. Tee. Sein Ziel: Einen ähnlichen Schlag fabrizieren wie Jack Nicklaus 1986 bei seinem letzten Masters-Titel und 18. Major-Sieg.

Woods zieht wie so häufig an diesem Tag das Eisen-8 aus der Tasche. Woods' Schlag landet an der perfekten Stelle auf dem Grün und rollt in Richtung Loch... Wir sehen, wie Tiger und die Fans hinter ihm den Ball gebannt verfolgen... come on... wird es das Hole-in-One? Nein, der Ball rollt knapp rechts vorbei und bleibt 50 Zentimeter vom Loch entfernt liegen. Woods flachst noch mit Caddie Joe Lacava ("Schau' Dir mal die Linie an") und locht zum entscheidenden Birdie.

Aber das Beste an der Geschichte: Die Kameras fangen Michael Phelps ein, wie er direkt hinter dem Abschlag in den Rängen steht und komplett in the zone ist. Steht da der 23-malige Olympiasieger und feuert Tiger an - sensationeller geht es nicht!

Tiger Woods und der Moment mit Charlie

Vor 22 Jahren gewann Tiger Woods zum ersten Mal das Masters und wurde am 18. Grün von seinem Vater empfangen. Von seinem Vater, der wegen Herzproblemen eigentlich gar nicht hätte da sein dürfen. Der aber dennoch in den Flieger stieg und seinem Sohn am Vorabend des Masters noch einen entscheidenden Putting-Unterricht gab.

Jetzt ist Vater Earl leider nicht mehr unter uns. Aber 22 Jahre später warteten nun Woods' Kinder Charlie (10) und Sam (11) auf ihren Vater. Auf ihren Dad, der für sie eine Art "YouTube-Golfer" und der Typ auf dem Cover des Computer-Spiels war. Seine großen Erfolge haben sie nicht miterlebt. Sie haben nur miterlebt, wie viele Schmerzen Golf ihm bereitet hat.

Und jetzt stehen sie da. Der Moment, wie Tiger Charlie vor Freude schreiend in die Arme rennt und ihn hochhebt... meine Güte... kann es jemals einen schöneren und rührenderen Sport-Moment geben? Nein, kann es nicht. Völlig unmöglich.

Tiger Woods: Golf is back!

Wir müssen Francesco Molinari danken. Denn lange sah es so aus, als würde Frankie seinem Status als seit einem Jahr heißester Spieler auf dem Planeten gerecht werden. "Wie soll man Molinari einholen, wenn der nie einen Fehler macht", fragte sich auch Tom Brady auf Twitter. Und Molinari machte keinen Fehler. Der Italiener lochte einen schwierigen Putt nach dem anderen. Zwischenzeitlich fragte man sich, wie viele Bogeys Molinari denn bitte in seiner ganzen Saison spielen will? Fünf?

Doch dann kamen die 12 und die 15 und der Mann, bei dem man es am wenigsten vermuten konnte, schlug zwei Bälle ins Wasser. Aus. Ende. Vorbei. "Ich habe mit den beiden Doppel-Bogeys wohl viele neue Freunde gewonnen", scherzte Molinari nach seiner Runde und zeigte einmal mehr, was für ein Weltklasse-Typ er doch ist.

Aber bei aller Liebe für Frankie müssen wir eingestehen: Für den Golfsport ist der Triumph von Tiger natürlich das Beste, was ihm passieren konnte. Tiger hat den Golfsport schon einmal für immer verändert und ist dafür verantwortlich, wie athletisch er geworden ist. "Früher waren Vijay (Singh) und ich die einzigen im Gym. Heute ist selbst Phil da", so Woods. Jetzt rückt der Sport dank ihm erneut in die vorderste Reihe der Öffentlichkeit.

Denn: Tiger ist Golf. Golf ist Tiger.

US Masters 2019: Das Endergebnis

Pl.SpielerNationParR1R2R3R4TOTAL
1Tiger WoodsUSA-1370686770275
2Dustin JohnsonUSA-1268707068276
2Brooks KoepkaUSA-1266716970276
2Xander SchauffeleUSA-1273657068276
5Francesco MolinariItalien-1170676674277
5Jason DayAustralien-1170677367277
5Webb SimpsonUSA-1172716470277
5Tony FinauUSA-1171706472277
9Rickie FowlerUSA-1070716869278
9Patrick CantlayUSA-1073736468278
9Jon RahmSpanien-1069707168278

Tiger Woods und die Ganzkörper-Gänsehaut

Jetzt mal ganz im Ernst: Wenn innerhalb von wenigen Tagen Dirk Nowitzki seine letzten Spiele in der NBA absolviert und Tiger Woods das Masters gewinnt, dann müssen ja wohl wirklich alle Ganzkörper-Gäsenhaut-Rekorde gebrochen werden, die es so gibt. Leckomio.

Gänsehaut. Hühnerpelle. Piloerektion. Wie wir es auch nennen: In Kiel gibt es wohl ein Gäsenhautlabor, das genau untersucht, was sich im Körper eigentlich dabei tut. Diese Woche wäre eine gute Woche zum Testen gewesen.

Ja, wir wussten, dass Tiger ein Kandidat auf den Titel ist. Er hat nicht umsonst 2018 die Tour Championship gewonnen und war schon bei den letzten zwei Majors ganz vorne dabei. Aber ein Major ist etwas anderes. Dass er das tatsächlich noch einmal schafft, auf diese Art und Weise, wird für immer unvergessen bleiben.

Tiger hat zum ersten Mal ein Major gewonnen, bei dem er vor der Finalrunde nicht an der Spitze des Leaderboards gelegen ist. Nach Major Nummer 15 fehlen jetzt noch drei auf den Rekord von Jack Nicklaus. Was die Turniersiege insgesamt angeht, fehlt nur noch einer zum Rekord von Sam Snead (82).

Und nur mal so: Die nächsten beiden Majors finden in Bethpage Black und Pebble Beach statt. Richtig, auf beiden Plätzen hat Tiger schon Majors gewonnen... 85.000 Dollar hat einer in Las Vegas auf Tigers Sieg gesetzt und damit mehr als eine Million gewonnen. Mal abgesehen davon, wie geil es sein muss, mal eben 85.000 Dollar zu setzen, wird ein Tipp auf Tiger bei den nächsten Majors nicht mehr so viel bringen, das ist klar.

Puh, was für eine Woche. Das Par-10 muss sich jetzt erstmal erholen und geht mit Jason Day Luftballons aufblasen.