Borgmeier ist Long-Drive-Profi. Heißt: Er spielt nicht auf der "normalen" Golf-Tour, er hat sich darauf spezialisiert, den Ball möglichst weit zu schlagen. In seiner Disziplin wurde der 29-Jährige 2019 Europameister, 2020 stellte er einen Weltrekord im Ball-Speed auf. Im Interview mit SPOX erzählt Borgmeier von seinem ungewöhnlichen Weg vom aufstrebenden Vertriebler zu einer Social-Media-Sensation, die wie kaum ein Zweiter auf die Pille haut und inzwischen von vielen Golfstars nach Tipps gefragt wird.
Herr Borgmeier, wie wird man denn "Long Drive Athlete"?
Martin Borgmeier: Meine Geschichte zum Long Drive hatte einige Umwege. Ich spiele zwar mein ganzes Leben lang schon Golf, aber zwischen 16 und 23 Jahren habe ich eine Unterbrechung eingelegt und mich mehr dem Basketball verschrieben. Den entscheidenden Moment habe ich eigentlich meinen Kumpels zu verdanken, die mich einfach mal für die Deutsche Meisterschaft im Long Drive angemeldet haben. Sie meinten, dass ich so eine lange Möhre schlage, dass ich da doch mal mitmachen sollte. Das habe ich gemacht und bin in Köln damals sofort Zweiter geworden. Ich hatte natürlich noch überhaupt keine Erfahrung und habe im Finale alle Bälle ins Aus geschlagen, aber es war relativ offensichtlich, dass ich der beste Athlet im Feld war. Deshalb haben mich danach auch alle ermutigt, weiterzumachen und mir den Arsch aufzureißen, um nach vorne zu kommen. Das habe ich dann auch gemacht.
Aber nochmal kurz zurück zu Ihrem Weg dahin: Warum haben Sie denn zwischendurch quasi kein Golf mehr gespielt?
Borgmeier: Ich habe damals die Lust verloren, ganz einfach. Ich hatte meine erste Freundin, mein erstes Moped - andere Dinge waren mir einfach wichtiger. Ich habe schon noch so einmal im Jahr gespielt, aber das war es dann auch. Was den Sport betrifft, hat es mich zum Basketball gezogen. Das lief auch gar nicht so schlecht für mich. Ich habe in der Bayernliga gespielt und war dort regelmäßig Topscorer. Ich fand als Kind natürlich Michael Jordan und die Bulls richtig geil. Zu der Zeit, als ich aktiv gespielt habe, war Blake Griffin der Spieler, der mir am besten gefallen hat. So ein Büffel unter dem Korb, der gut springen, aber auch ein bisschen werfen kann - mit seinem Spielstil konnte ich mich ganz gut identifizieren. Mein Problem im Basketball war, dass ich keine richtige Ausbildung genossen habe.
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Wie hat sich das ausgewirkt?
Borgmeier: Ich hatte so meine Go-to-Moves, aber sobald das ein guter Verteidiger gemerkt hat, habe ich im dritten oder vierten Viertel Probleme bekommen. Ich musste das mit meiner Physis wettmachen und versuchen, einfach über die Leute drüber zu springen. Das hat mich so motiviert, stärker zu werden und die verbesserte Physis aus dem Basketball ist mir dann im Long Drive zugutegekommen. Aber ich hätte damals nie gedacht, dass ich eines Tages nochmal mit professionellem Sport Geld verdienen kann. Als ich meinem Basketball-Trainer erzählte, dass ich jetzt Long Drive mache und dort eine Karriere anstrebe, hat er mich auch sehr rätselnd angeschaut. (lacht)
Vom aufstrebenden Vertriebler zur Long-Drive-Maschine
Sie haben erzählt, dass die Deutschen Meisterschaften sehr wichtig waren. Wie ging es danach weiter?
Borgmeier: Kurz danach war ich mit meiner Frau auf Hochzeitsreise in Japan und hatte extrem viel Zeit. Statt ein Buch mitzunehmen, habe ich die Zeit genutzt, das komplette Internet zum Thema Long Drive zu durchforsten und im ersten Schritt erstmal zu verstehen, wie Long Drive genau funktioniert. Welche physischen Parameter dahinterstehen und was ich machen muss, um mich dort zu entwickeln und eine Basis für mein Training zu haben. Als wir zurückkamen, standen gleich die Bayerischen Meisterschaften an. Die habe ich gewonnen und spätestens dieser Sieg war der Auslöser, dass ich mich im Anschluss den ganzen Winter extrem auf Long Drive fokussiert und Gas gegeben habe. Ich stand bei minus fünf Grad und Schnee auf der Driving Range, ich habe kein Fernsehen mehr geschaut, ich habe quasi nur an Long Drive gedacht.
Aber Sie hatten zu der Zeit ja noch einen normalen Job.
Borgmeier: Richtig. Zu dem Zeitpunkt war ich ein aufstrebender Vertriebler in einem großen IT-Konzern, dem alle Türen offenstanden. Ich hatte sogar ein paar Talentpreise abgeräumt und hätte dort Karriere machen können. Deshalb war es schon hardcore, dass ich mich trotzdem auf Long Drive konzentriert habe. Zumal ich zu Beginn natürlich in Kauf nehmen musste, dass ich finanziell schlechter dastehe, aber das war für mich nicht der Fokus. Der Fokus war, meinen Long-Drive-Traum zu leben und dort nach vorne zu kommen. Das hat auch schnell gut geklappt. In meiner ersten Saison auf der europäischen Tour habe ich gleich mein zweites Event in Belgien gewonnen, danach folgten Siege in Russland, Italien und Spanien, sodass ich die Rangliste insgesamt auch gewonnen habe. Das war auch die Basis dafür, den Sprung auf die US-Tour zu schaffen, wo ich dann auch im dritten Event in die Top 8 gekommen bin und mich dort etablieren konnte.
Borgmeier und das große Ziel Siegergürtel
Die Preisgelder sind natürlich kein Vergleich zur Profi-Golftour. Für den Sieg bei der World Long Drive Championship als dem wichtigsten Turnier der Welt bekommt man 250.000 Dollar. Der Sieger beim Masters bekommt jetzt zum Beispiel über zwei Millionen Dollar. Was sind denn Ihre Haupt-Einnahmequellen?
Borgmeier: Ein wichtiges Element für mich ist, dass ich mir in der Long-Drive-Szene inzwischen so ein großes Social-Media-Following aufbauen konnte, dass ich gute Werbepartner generieren konnte, die meinen Content schätzen und gerne für sich nutzen wollen. Ich habe mich wirklich so tief in das Thema Long Drive reingefuchst, dass meine Partner wissen, dass es Hand und Fuß hat, was ich erzähle. Dazu kommt, dass ich pro Jahr so zehn bis 15 Clinics und Shows mache, für die man mich buchen kann. Oft werde ich eingeladen, nach Turnieren auf der Range eine kleine Show zu machen, die für jedes Turnier zum Abschluss ein Hingucker ist. Dafür sind die Leute auch bereit, entsprechend Geld zu bezahlen. Und dann kommen natürlich noch Preisgelder dazu. Ich hatte mir dadurch zum Glück ein Puffer geschaffen für die Corona-Zeit, aber zu meiner Überraschung ist mein Jahr 2021 trotz Corona besser losgegangen als erwartet. Ich bin irgendwie gefragter denn je. (lacht) Insofern kann ich mich aktuell nicht beklagen.
Was ist denn das größte Ziel für Sie?
Borgmeier: Das größte Ziel ist es, die World Long Drive Championship zu gewinnen und mir den Siegergürtel umzuschnallen, den es ähnlich wie im Boxen dafür gibt. Den will ich haben. Auch wenn ich wie beschrieben einiges drumherum mache, steht meine Athletenkarriere an erster Stelle - so wie bei jedem anderen Profisportler auch. Ich spiele ja keine Turniere, um irgendwo herumzudümpeln. Ich habe mich in der Weltrangliste schon von einem Rang in den 40ern in die Top 10 nach vorne geschoben. Ich war schon auf Rang acht, bin aber jetzt auf Rang neun zurückgefallen, obwohl gar keine Turniere stattgefunden haben. Die Mechanismen von solchen Ranglisten sind unergründlich, das kennt man ja auch vom Tennis. (lacht) Aber ich stehe auf jeden Fall in den Top 10 und ich weiß, dass ich das Zeug für mehr habe. Der nächste Schritt wäre schon fürs Jahr 2020 geplant gewesen, aber jetzt hoffe ich eben, dass spätestens 2022 wieder eine normale Tour stattfinden kann. In der Zwischenzeit sollen ein paar unabhängige Events ausgetragen werden, aber dafür müsste ich auch erstmal wieder vernünftig reisen können. Mir geht es natürlich auch nicht anders als uns allen, ich warte sehnsüchtig auf den Impfstoff und darauf, dass sich die Lage bei uns wieder verbessert.