Trainer Sead Hasanefendic hat in seiner Zeit beim Traditionsklub VfL Gummersbach schon viel erlebt. Doch das dramatische Final-Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger mit Happy End am Tag nach der Nachricht vom drohenden Lizenzentzug ging selbst dem erfahrenen Kroaten an die Substanz. "Das war das schwerste Spiel der letzten drei Jahre", erklärte der 62-Jährige, "ich bin leer und müde, aber stolz auf meine Mannschaft."
Trotz der existenziellen Ängste um die Zukunft des verschuldeten Vereins drehte sein Team das nach sieben Toren Rückstand bereits verloren geglaubte Final-Rückspiel gegen Tremblay en France noch in ein 26:26 (10:15), das nach dem 30:28 im Hinspiel zum dritten europäischen Titel in Folge reichte.
Deckungslücke von 2,2 Millionen Euro
Eine Serie, die ob der Schuldenlast umso höher zu bewerten sei, so Hasanefendic: "Jedes Jahr haben wir weniger Spieler, weil die Besten den Verein verlassen. Die Umstände sind nicht erfreulich - und das hat man der Mannschaft in der ersten Hälfte auch angemerkt."
Nach den Heldentaten auf dem Parkett müssen nun die Klub-Verantwortlichen wieder einmal fast schon übernatürliche Kräfte mobilisieren, um die von der Handball-Bundesliga (HBL) monierte Deckungslücke von 2,2 Millionen Euro zu schließen und damit den Verein vor dem Absturz in die Drittklassigkeit zu retten.
"Die Mannschaft lag am Boden und ist wieder aufgestanden. Das war eine Botschaft an den Aufsichtsrat, diesem Ausrufezeichen müssen wir folgen", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Götz Timmerbeil.
Verkauf von Pfahl und Wiencek als Notlösung
Der gelernte Steuerberater und Wirtschaftsprüfer versprühte Optimismus: "Wir sind zuversichtlich, dass wir das in einer Gewaltaktion stemmen können." Bis zum Ende der Woche hat der VfL Zeit, die Lizenzierungskommission von seiner Liquidität zu überzeugen. Als Notlösung steht unter anderem der Verkauf der Nationalspieler Adrian Pfahl und Patrick Wiencek im Raum.
Bislang sollen erst rund 800.000 Euro zusammengekratzt worden sein. VfL-Geschäftsführer Axel Geerken nahm an diesem denkwürdigen Europapokal-Abend deshalb die Sponsoren in die Pflicht: "Die Region muss jetzt zeigen, ob sie erstklassigen Handball haben will, oder nicht."
Rathausempfang vor 3000 Fans
Diesem Appell schloss sich auch Noch-Bundestrainer Heiner Brand an. "Ich hoffe, dass dieser Triumph für Freunde und Gönner des VfL Gummersbach Motivation genug ist, den Verein in der schwierigen Situation zu unterstützen", sagte der gebürtigen Gummersbacher, der seine gesamte aktive Laufbahn beim VfL verbrachte, am Rande der Sportpyramide in Berlin.
Gefeiert wurde trotz der Sorgen standesgemäß. Den Freudentänzen, Sektduschen und Ehrenrunden in der Halle mit anschließender Partynacht folgte am Vormittag der Rathausempfang mit anschließendem Fest vor rund 3000 Anhängern auf dem Bismarckplatz. Trotz - oder gerade wegen - der ungewissen Zukunft: Die Fans ließen ihre Helden hochleben, als gäbe es kein Morgen mehr.
Alles zum VfL Gummersbach