Während die erfolgsverwöhnten Zebra-Fans schimpfend aus der Halle marschierten und die THW-Stars vollkommen bedröppelt in die Kabine schlichen, versuchte der sonst so impulsive Coach des THW Kiel, die erhitzten Gemüter zu beruhigen.
"Wir wussten, dass irgendwann ein Rückschlag kommt. Ich mache den Jungs keinen Vorwurf. Sie haben großartig gekämpft", sagte Gislason nach dem ernüchternden 30:32 (14:16) des Titelverteidigers im Achtelfinale des DHB-Pokals gegen die Rhein-Neckar Löwen - der ersten Heimpleite im Pokal seit über 23 Jahren.
Die bis dato letzte Cup-Niederlage in eigener Halle hatten die Zebras genau 8421 Tage zuvor am 21. November 1990 gegen TuSEM Essen (15:25) erlitten.
Die historische Dimension des Abends brachte Gislason aber ebenso wenig aus der Fassung wie die ungewohnte Verwundbarkeit des Rekordmeisters - im Gegenteil: Für den deutlichen Leistungsabfall im Vergleich zur Handball-Gala im Spitzenspiel nur drei Tage zuvor bei den Füchsen Berlin (33:29) hatte der Isländer eine einfache Erklärung.
Gislason sieht fehlende Spritzigkeit
"Uns hat die Spritzigkeit gefehlt. Wir müssen in dieser Saison fast durchgehend mit den gleichen Leuten spielen, das ist der Unterschied zu den letzten Jahren", sagte Gislason und verwies einmal mehr auf den im Sommer erfolgten Umbruch.
Tatsächlich musste Kiel nach dem Abschied von seinem langjährigen Kapitän Marcus Ahlm, von Welthandballer Daniel Narcisse, Torwart-Gigant Thierry Omeyer und Vize-Europameister Momir Ilic vor der Saison gleich vier Abgänge kompensieren.
Abgänge, die durch die Verpflichtungen von Keeper Johan Sjöstrand, Rückraumspieler Wael Jallouz und Spielmacher Rasmus Lauge Schmidt weit weniger prominent aufgefangen wurden. "Leute wie Jallouz helfen uns zurzeit eben noch nicht", warb Gislason um Geduld. Und so findet das Viertelfinale erstmals seit 2000 ohne den neunmaligen Champion statt.
Während Kiel sich nach zuletzt drei Pokalsiegen in Serie nun ganz auf Meisterschaft und Champions League konzentrieren muss, tanzen die Rhein-Neckar Löwen weiter auf drei Hochzeiten.
Löwen wollen den Pokal
"Das ist eine Sensation. Unglaublich, in Kiel zu gewinnen. Das gibt uns viel Rückenwind für die nächsten Wochen", sagte Löwen-Nationalspieler Patrick Groetzki.
Anders als vor fünf Wochen, als der Bundesliga-Vierte das Ligaspiel bei den Kielern kurz vor dem Ende noch aus der Hand gab (28:31), behielten sie diesmal kühlen Kopf und ließen sich nicht einmal von der zwischenzeitlichen Aufholjagd des THW bis auf 29:30 aus der Ruhe bringen.
Nach dem EHF-Pokalsieg im Mai träumen die Mannheimer nun auch vom ersten nationalen Titel ihrer Vereinsgeschichte. "Das ist jetzt unser Riesenziel - keine Frage", sagte Ex-Weltmeister Oliver Roggisch: "Der Erfolg im Europapokal hat uns reichlich Selbstvertrauen gegeben."
Bei der Auslosung für das Viertelfinale am 26. Februar wünscht er sich ein Heimspiel, damit es mit der sechsten Final-Four-Teilnahme klappt.
Das DHB-Pokal-Achtelfinale im Überblick