Die Bilder gehen um die Welt, als Kapitän Horst Spengler, Kurt Klühspieß und Co. ihren "Magier" auf den Schultern durch die Kopenhagener Brøndby-Halle tragen.
Mit einer goldenen Pappkrone auf dem schütteren Haar feiert Vlado Stenzel, damaliger Bundestrainer und Architekt des "Wunders von Kopenhagen", den sensationellen WM-Titel der deutschen Handball-Nationalmannschaft.
"Der Magier hat damit das erste Wintermärchen des deutschen Handballs komponiert", sagt der aktuelle DHB-Präsident Bernhard Bauer voller Hochachtung mehr als 36 Jahre später: "Wir haben dem Wirken dieses Trainers unendlich viel zu verdanken. Sein Werk hat Strahlkraft bis ins Jahr 2007, denn sein Schüler Heiner Brand war die prägende Kraft des zweiten, des großen deutschen Handball-Wintermärchens."
Revolution durch innovative Trainingsmethoden
Nicht nur wegen des WM-Triumphs gegen die vermeintlich übermächtige UdSSR vom 5. Februar 1978 gilt Stenzel als Vor- und Querdenker des deutschen Handballs.
Mit neuen, deutlich intensiveren Trainingsmethoden und anderer Denkweise machte der gebürtige Jugoslawe, der am Mittwoch seinen 80. Geburtstag feiert, den Sport in Deutschland salonfähig und bereite damit den Nährboden für dessen Professionalisierung und für spätere Erfolge.
"Als ich nach Deutschland kam, da haben viele Nationalspieler gerade einmal zwei Mal die Woche trainiert", erinnert sich Stenzel im Gespräch mit dem "SID" an seine Anfänge beim DHB im Sommer 1974, "aus der Pampe musste ich dann eine große Mannschaft formen". Es gelang.
Neben dem WM-Titel bleibt vor allem das Qualifikationsspiel zu den Olympischen Spielen 1976 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) gegen den damaligen Vizeweltmeister DDR im kollektiven deutschen Handball-Gedächtnis.
Stenzels Lieblingssieg
Trotz einer 8:11-Niederlage im entscheidenden Gruppenspiel qualifizierte sich die Bundesrepublik dank des 17:14-Erfolgs im Hinspiel und schrieb ein beträchtliches Kapitel deutsch-deutscher Sportgeschichte.
"Stenzel wusste, was er tat, alles hatte Hand und Fuß, hinter jeder Entscheidung steckte eine geniale Idee", sagte Kreisläufer Spengler. Stenzel spricht noch jetzt, fast 40 Jahre später, von seinem "Lieblingssieg. Das war schließlich der Anfang einer großen Mannschaft".Bis heute ist Stenzel, der zudem als Wegbereiter der eingleisigen Bundesliga und des Supercups für Nationalmannschaften gilt, ein (kritischer) Begleiter des deutschen Handballs geblieben.
Der frühere Weltklasse-Keeper, der die jugoslawische Nationalmannschaft 1972 in München zum Olympiasieg geführt hatte, gibt sich stets als Mahner, stellt unbequeme Fragen und legt immer wieder auch den Finger in die Wunde. Die ehemalige Verbandsspitze um Ex-Präsident Ulrich Strombach forderte er gar öffentlich zum Rücktritt auf.
Klare Vorstellungen bei Bundestrainersuche
"Ein Mann des Ausgleichs, der Diplomatie, des merkelschen Aussitzens oder Schönredens war Vlado Stenzel noch nie", schrieb die "Münchner Abendzeitung" vor dem DHB-Bundestag vor gut einem Jahr, als der Alt-Bundestrainer schonungslos die damalige Situation im deutschen Handball beschrieb und radikales Umdenken und Handeln forderte.
Klar, dass Stenzel auch mit seiner Meinung zur aktuellen Bundestrainer-Suche nicht hinterm Berg hält. "Es muss ein erfahrener Nationaltrainer sein, der große Turniere und die Vorbereitung darauf schon einmal durchgemacht hat", sagte Stenzel: "Auf den Himalaya geht schließlich auch keiner, der den Weg nicht kennt."
Von einer Lösung mit einem Vereinstrainer wie den gehandelten Ljubomir Vranjes (Flensburg), Alfred Gislason (Kiel), Martin Schwalb (Ex-HSV) oder Dagur Sigurdsson (Berlin) hält Stenzel nichts.
"Das ist keine Lösung. So haben wir keine Chance. Zwischen einem erfolgreichen Vereinstrainer und einem guten Bundestrainer liegen Welten", sagte 79-Jährige. Man dürfe bei der Suche "diesmal keinen Fehler machen. Es gibt keine Probezeit mehr".
Ehrentag "ganz ohne Show"
Seinen 80. Geburtstag wird Stenzel nicht in seiner Heimat Wiesbaden, sondern mit seiner Frau und ein paar Freunden in Kroatien feiern.
"Ganz ohne Show", wie der Jubilar betont. Auf der Insel Hvar in der Adria vor der dalmatinischen Küste wird am Mittwoch sein Lieblingsessen aufgetischt: Fisch mit Knoblauch und Olivenöl.
"Das ist das beste Rezept für ein langes Leben", sagt Stenzel und lacht. Die Party mit der WM-Truppe von 1978 wird Anfang August in Wiesbaden nachgeholt.