Blamable Leistung, peinliche Pleite, Tabellenletzter - Trainer Alfred Gislason wähnte sich nach der sensationellen Auftaktniederlage des deutschen Handball-Meisters THW Kiel wie im falschen Film. "Ich war sehr enttäuscht über unsere Leistung, Lemgo hat hochverdient gewonnen", sagte der erfolgsverwöhnte Isländer nach dem 21:27 beim TBV.
Der von vielen befürchtete Kieler Durchmarsch fing gar nicht erst an, schon nach den ersten 60 Minuten der neuen Saison kann die Liga aufatmen.
Kritik an der Mannschaft
So sparte Gislason auch nicht mit deutlicher Kritik. "Das war keine gute Abwehr, die wir die ganze Zeit gezeigt haben, und kaum Torhüterleistung dahinter", sagte der THW-Coach: "Wir haben vorne sehr, sehr viele Fehler gemacht und sehr passiv gespielt."
Obwohl der THW seine neuen Stars Domagoj Duvnjak (2 Tore), Joan Cañellas (3) und Steffen Weinhold (4) auf dem Parkett hatte, fand Kiel kein Mittel gegen die aufmerksame Deckung des TBV. Und wenn sich den Gästen dann doch eine Lücke bot, war Lemgos Torhüter Nils Dresrüsse zur Stelle, der mit 32 Paraden überragte.
HSV wendet Niederlage ab
Noch im vergangenen Mai hatten die Kieler den TBV auswärts deklassiert (46:24). Nun standen sie nach dem Auftaktwochenende sogar am Tabellenende.
Auch Vizemeister Rhein-Neckar Löwen hatte gegen den SC Magdeburg Mühe, kam letztlich aber zu einem 24:23 (8:11). Der Vierte der vergangenen Saison, der HSV Hamburg, wendete am Sonntag eine Auftaktniederlage gerade noch ab. Trotzdem war mehr als ein 27:27 (15:12) für die Mannschaft des neuen HSV-Trainers Christian Gaudin beim VfL Gummersbach nicht drin. Flensburg wiederum bezwang Aufsteiger TSG Ludwigshafen-Friesenheim souverän mit 29:23.
"Es ist natürlich ein außerordentliches Gefühl, gegen Kiel zu gewinnen. Das gelingt nicht vielen Mannschaften", sagte Lemgos Matchwinner Dresrüsse, während Trainer Niels Pfannenschmidt sein Erfolgskonzept verriet: "Vor dem Spiel habe ich einen Artikel von 2008 aufgehängt, als es ja auch eine Sensation gab." Auch damals hatte Kiel sein Auftaktspiel nicht gewonnen - und das bei Gislasons Debüt auf der Kieler Trainerbank gegen den krassen Außenseiter Bayer Dormagen (28:28).
Füchse patzen ebenfalls
Die letzte Niederlage zum Saisonauftakt hatten die Kieler 2005 kassiert, Gegner damals war der Erzrivale SG Flensburg-Handewitt (33:39). Und ausgerechnet der Champions-League-Sieger ist nun am Dienstag erster Gast auf dem Kieler Parkett. Mit Blick auf das brisante Duell wollte Gislason die Pleite auch so schnell wie möglich abhaken: "Wir müssen uns auf das nächste Spiel konzentrieren."
Doch nicht nur den Kielern unterlief ein Fehlstart. Auch Pokalsieger Füchse Berlin patzte gleich beim ersten Auftritt und verlor 27:29 (14:15) bei FrischAuf Göppingen. "Wir waren einfach nicht gut genug und haben zu wenig getan", sagte Füchse-Coach und Bundestrainer Dagur Sigurdsson.
"Ersten Spiele sehr schwierig"
In Erklärungsnot geriet der Isländer aber nicht, ganz im Gegenteil zu seinem Landsmann Gislason. Obwohl der THW-Trainer im Vorfeld der Saison die hohen Kieler Ansprüche unterstrichen hatte ("Wir sind der THW Kiel und wollen jedes Spiel gewinnen"), wollte er nach der herben Pleite nichts mehr davon wissen.
Die Prognose, der THW würde in der Saison kein einziges Spiel verlieren, habe "immer nur die Presse gebracht, wir nicht".
Er habe schon gewusst, sagte der Coach, dass "es die ersten Spiele sehr schwierig sein wird". Die Integration der neuen Leistungsträger in das Kombinationsspiel des THW erfordere noch Zeit. "Man hat ohne Frage gesehen, dass sie noch etwas brauchen, um reinzukommen."
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