"Ready to amaze", lautet der Slogan für die anstehende Weltmeisterschaft in Katar. Der Handball-Weltverband IHF hat sich dieses Motto in den vergangenen Wochen und Monaten sehr zu Herzen genommen. Für Erstaunen sorgten die Herren um Präsident Hassan Moustafa gleich mehrfach.
Als besonders folgenreich erwies sich die Entscheidung, die erste Wildcard in der WM-Geschichte an Deutschland zu vergeben. Nach den Aussagen von Polens Nationaltrainer Michael Biegler und dem australischen Nationalspieler Bevan Calvert, Deutschland habe bereits vor den Playoff-Duellen gegen die Polen als WM-Teilnehmer festgestanden, war der DHB plötzlich gezwungen, Erklärungen abzugeben.
Dabei hat sich der DHB in diesem Punkt rein gar nichts vorzuwerfen. Selbst dann nicht, wenn die Deutschen von der Wildcard schon im Vorfeld gewusst hätten, was Boss Bernhard Bauer und Vize Bob Hanning allerdings vehement bestreiten. Deutschland hat sich seine Teilnahme schließlich nicht erkauft.
Ein Verzicht wäre Wahnsinn gewesen
Was hätte der DHB also tun sollen? Den Trip in die Wüste dankend ablehnen? Bei aller Liebe: Der deutsche Handball hat bekanntlich schon bessere Tage erlebt, auf ein Großereignis freiwillig zu verzichten, wäre in dieser Situation purer Wahnsinn gewesen.
Freilich ändert dies nichts am grundsätzlichen Problem, das aber nicht der DHB, sondern alleine die IHF zu verantworten hat. Eine Wildcard für eine WM zu vergeben kann nicht im Sinne des Sports sein, eine Nation - in diesem Fall die Australier - unter fadenscheinigen Vorwänden wieder auszuladen erst recht nicht.
Die ganze Sache hat ein Geschmäckle, dessen ist sich die DHB-Führungsriege bewusst. "Jetzt heißt es natürlich, dass die Deutschen ihren Startplatz bei der WM auf Grund ihrer Wirtschaftskraft bekommen haben. Das ist genau das, was wir verhindern wollten. Wir wollen unsere Teilnahme mit sportlichen Leistungen rechtfertigen", sagte Hanning.
Kurioses Nachrückverfahren
Es darf aber keineswegs der Eindruck entstehen, Deutschland habe sich seine Teilnahme in irgendeiner Form erschlichen. Das wäre schlichtweg falsch. Hinterfragen muss sich die IHF, die ihrem zweifelhaften Ruf alle Ehre macht. Denkt man an Moustafa & Co., kann man sich einen Vergleich mit den Praktiken Sepp Blatters und der FIFA kaum verkneifen.
Die Wildcard für Deutschland ist nämlich längst nicht der einzige Punkt, der vor der WM für Verwirrung sorgt. Aus ganz offensichtlich politischen Gründen - das Verhältnis von Katar zu seinen Nachbarn ist angespannt - sagten Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Teilnahme zunächst ab. Später zogen beide Länder ihre Absage zurück, doch nun wollte die IHF nicht mehr - das Turnier findet ohne Bahrain und die VAE statt.
Es stellte sich die Frage, welche Länder nachrücken dürfen. Und die IHF wäre nicht die IHF, wenn dabei für den normalen Menschen verständliche Begründungen angeführt worden wären. So erhielt Saudi-Arabien anstatt Südkorea ein Ticket, obwohl die Südkoreaner bei den für die WM-Quali maßgeblichen Asienmeisterschaften direkt vor den Saudis Platz fünf belegt hatten. Warum? Diese Frage wurde bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet.
Ticket mit Nebengeräuschen
Auch die Teilnahmeberechtigung Islands, das als EM-Fünfter erster europäischer Nachrücker war, ging nicht gänzlich ohne Nebengeräusche über die Bühne. Nach den Vorkommnissen um Deutschland und Australien waren die Isländer einer jener Nationalverbände, der mit einer Klage vor dem Sportgerichtshof gedroht hatte.
Island verzichtete nach der verspäteten Einladung auf eine Klage. Manch einer äußert deshalb den Verdacht, der Weltverband habe die Isländer nachnominiert, um einen Rechtsstreit zu vermeiden, der zweifellos hohe Wellen geschlagen hätte.
Zahlreiche Großereignisse in Katar
Bleibt die Frage, warum die WM überhaupt im nicht gerade als handballverrückt bekannten Katar ausgetragen wird? Wie übrigens so ziemlich jedes sportliche Großereignis in den kommenden Jahren. Neben der Handball-WM sind das 2016 die Rad-WM, 2018 die Turn-WM, 2019 die Leichtathletik-WM und 2022 die Fußball-WM.
Die IHF hat diese Frage wie die anderen Verbände beantwortet. Katar habe nun einmal die beste Bewerbung abgegeben. Dabei verfügt das kleine Emirat über wenig sportliche Tradition, die entsprechenden Wettkampfstätten müssen meist erst errichtet werden. Ganz zu schweigen von der seit Monaten andauernden Debatte um Menschen- und Arbeitsrechte.
"Da schauen nur Kamele zu"
Die Vorwürfe, es gehe den Verbänden in erster Linie um das Geld des katarischen Emirs Scheich al Thani, dem nachgesagt wird, er wolle sich über den Sport profilieren, sind schwer zu entkräften. Es drohen relativ leere Ränge und eine entsprechende Stimmung.
Und was halten die Sportler von den Shows in Katar? "99 Prozent der Fahrer würden lieber woanders fahren", sagte der Schweizer Radprofi Gregory Rast über die Rad-WM. Sein Landsmann Michael Schär lästerte: "Da hat man da keine Zuschauer, höchstens mal ein paar Kamele."
Es sind Aussagen, die genauso von Handballern hätten stammen können.
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