Der ehemalige Torhüter Andreas Thiel ist eine der großen Legenden des deutschen Handballs. Im Interview mit SPOX spricht der mittlerweile 62-Jährige über dubiose Schiris vom Balkan und den ausgeprägten Alkohol-Konsum im Handball der 80er Jahre. Außerdem erinnert sich der "Hexer" an kuriose VIP-Räume und Olympia-Momente der besonderen Art.
Bereits 2015 hat SPOX eine Legenden-Serie abseits von König Fußball veröffentlicht. Zu diesem Anlass wurden ausführliche Interviews mit Andreas Thiel (Handball), Michael Groß (Schwimmen), Frank Busemann (Leichtathletik), Walter Röhrl (Motorsport) und Henry Maske (Boxen) geführt. Wir blicken zurück, den Anfang macht der "Hexer" Andreas Thiel.
Herr Thiel, bringt Ihnen als Anwalt für Familienrecht der Name Hexer eigentlich Vorteile bei Gericht?
Andreas Thiel: Gelegentlich kommt das vor. Vor einiger Zeit bei einem Amtsgericht war es so, weil der Familienrichter in einem Sportverein war und mich deshalb kannte. Manchmal entstehen so atmosphärische Vorteile. Insgesamt werde ich aber nicht mehr so häufig als Hexer angesprochen, eigentlich nur in Handballhallen. Ich bin 62, habe vor über 20 Jahren aufgehört. Mich kennen noch Leute, die so alt sind wie ich - plusminus zehn Jahre. Die Kids nicht mehr. Alles hat eben seine Zeit und das ist auch okay so.
Können Sie sich an die "Geburtsstunde" des Hexers erinnern?
Thiel: Das war in der Saison 1982/83, irgendwann im Winter. Wir haben mit Gummersbach in Großwallstadt gespielt und mit einem Tor gewonnen. Ich hielt in diesem Spiel - glaube ich - fünf Siebenmeter. Da der Ursprungshexer Manfred Hofmann - das war der mit der legendären Siebenmeter-Parade in Karl-Marx-Stadt - aus Großwallstadt kam, hieß es: Der Nachfolger des Hexers sei in Hofmanns Heimat gefunden worden. Seither habe ich diesen Namen durchaus mit Stolz getragen.
Hexer ist nicht Ihr einziger Spitzname. Wie kam es denn zu Grummel Griesgram?
Thiel: Den verpasste mir Heiner Brand. Das lag und liegt daran, dass ich nicht immer als Mr. Superfreundlich durch die Welt laufe. Ich schlüpfe durchaus bewusst und kokettierend manchmal in die Rolle des Knurzkopfs. Und das mit Leidenschaft. Grummel Griesgram ist eine Figur aus den Hörspielkassetten von Regina Regenbogen. Und die hat Heiners Tochter Julia damals gehört.
Teilweise gemeinsam mit Brand als Mitspieler und später als Trainer erlebten Sie in Gummersbach die erfolgreichste Zeit Ihrer Karriere. Wie fällt rückblickend Ihr Fazit aus?
Thiel: Absolut positiv. Ich habe von 1979 bis 2000 Leistungssport betrieben. Von 21 Jahren verbrachte ich zwölf in Gummersbach. Das war für mich die prägendste Zeit. Die ersten beiden Jahre waren die, die mich im Handball am meisten, ich sage mal, sozialisiert haben. Es war eine wunderschöne Zeit.
Ihre Anfangszeit beim VfL war aber nicht vergnügungssteuerpflichtig. Schließlich war Ihr Trainer Petre Ivanescu. Und der galt selbst für die damalige Zeit als besonders harter Hund.
Thiel: Sein Spruch war immer: "Ich habe Gesetze von Leistungssport nicht gemacht." Petre war ein sehr autoritärer Trainer, der es nicht mochte, wenn man ihn hinterfragte. Das durfte man einfach nicht, Kritik hat er nicht zugelassen. Und ich sage Ihnen mal was: Seltsamerweise ist Heiner später als Trainer genauso geworden. Und das, obwohl er Petre damals immer Kontra gegeben hat. Da war häufiger Alarm zwischen Kapitän und Trainer. Im Grunde war Petre aber ein sehr charmanter, verständnis- und liebevoller Mann. Er war zur Härte in der Lage, ohne selbst vom Naturell her Mr. Gnadenlos zu sein.
imago imagesUnd der VfL war erfolgreich. Welche Titel sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Thiel: Die deutschen Meisterschaften 1985 und 1991. Beide Male wurden wir am letzten Spieltag Meister, beide Male war es eine Millimeterentscheidung, beide Male waren wir nicht als Favorit in die Saison gestartet und die Titel deshalb überraschend. Und auch - ich weiß, das klingt unbescheiden und das ist es auch - weil ich an diesen Titeln sicherlich einen großen Anteil hatte.
Sie haben das alles noch genau im Kopf?
Thiel: 1985 war das letzte Spiel in Düsseldorf. Wir mussten gewinnen und taten das auch, mit 17:16. Ich hielt den letzten Ball, bei 17:17 wären wir nicht Meister gewesen. Und dann war 91 das Duell mit Magdeburg. Das Hinspiel gewannen wir 18:15, das Rückspiel verloren wir 14:16. Ein 17:14 hätte Magdeburg gereicht. Der letzte Ball ging um Millimeter unten am rechten Pfosten vorbei. Besonders waren die Meisterschaften übrigens auch deshalb, weil die Feiern danach wunderbar waren.
Es heißt, es sei damals insgesamt noch deutlich lockerer zugegangen. Wurde zu Ihrer Zeit tatsächlich so viel gebechert?
Thiel: Es war sicherlich von Mannschaft zu Mannschaft unterschiedlich. Es gab da immer diesen zutreffenden Spruch: "Beim TuS Hofweier reicht der Kasten Bier für die ganze Saison. In Gummersbach, Großwallstadt und Essen bei der Rückfahrt bis zur Autobahnauffahrt." Dann musste wieder nachgeschossen werden. Heiner hört das heute nicht mehr gerne. Aber wir sind zu unserer Zeit in Gummersbach nach jedem Auswärtsspiel blitzeblau aus dem Bus geklettert. Egal ob wir gewonnen oder verloren hatten - gesoffen wurde immer. (lacht)
Und nicht nur das. Es gibt Menschen, die behaupten, dass der Hexer sich schon mal eine Zigarette in der Halbzeitpause angesteckt hätte.
Thiel (lacht): Das ist gelogen. Es stimmt zwar, dass ich geraucht habe. Vor dem Spiel, ja. Nach dem Spiel, ja. Aber in der Halbzeit? Das ist doch Legendenbildung.
Zigaretten, Alkohol. Wie war es möglich, trotzdem Topleistungen abzuliefern?
Thiel: Das hatte natürlich mit der im Vergleich zu heute deutlich niedrigeren Spielbelastung zu tun. Wir spielten in einer 14er Liga, das waren 26 Meisterschaftsspiele. Im Europapokal stiegen deutsche Mannschaften erst im Achtelfinale ein. Wenn man es also ins Endspiel geschafft hat, kamen noch acht Spiele dazu. Das war es dann. Englische Wochen gab es eigentlich erst ab Februar.
Dann war Europapokalzeit. Auch in dieser Hinsicht ging es früher noch etwas wilder zu. Sie haben beispielsweise kuriose Geschichten mit Schiedsrichtern erlebt. Schießen Sie los.
Thiel: Ich muss als Justiziar der HBL vorsichtig sein, mit dem was ich sage. Aber was damals passiert ist, ist passiert. Deshalb kann ich das erzählen. Eines vorneweg: Wie es heute ist, weiß ich nicht, ich bin nicht dabei. Tatsache ist: Es gab irgendwann einmal Schiedsrichter, die in Gummersbach mit einem leeren Lada aus dem Balkan angekommen sind und als die wieder weg fuhren, war der Lada voll.
Womit?
Thiel: Mit Reifen vom örtlichen Reifenhändler, mit Medikamenten vom Mannschaftsarzt, mit Büromaterial. Und schlecht gepfiffen haben die nicht. Seltsam, oder? (lacht)
Wie war es bei Auswärtsspielen?
Thiel: Im Gegenzug kam es vor, dass uns genau das gleiche passiert ist, in Barcelona beispielsweise. Da wurde man dann eben verpfiffen. Ohne gleich an Manipulation zu denken, würde ich sagen, dass es damals eben Zeiten des Frühkapitalismus waren. Heute ist das sicherlich schwieriger geworden.
Wobei es im Handball generell nicht so kompliziert ist, ein Spiel zu verpfeifen, wenn man es denn vorhat.
Thiel: Das ist sogar relativ einfach. Es geht dabei ja nicht um einen Siebenmeter hier oder da, der keiner war. Das Grundlegende bei zwei Mannschaften auf Augenhöhe ist: Wer hat vier oder fünf Mal häufiger Ballbesitz. Das kann man dadurch herstellen, dass man bei einer Mannschaft vier oder fünf Mal einen behinderten Ball aus dem Rückraum, also der mit Körperkontakt geworfen werden muss, laufen lässt und bei der anderen eben nicht. Das taucht am Ende in keiner Statistik auf.
imagoLassen Sie uns über den Traum eines jeden Sportlers sprechen: Olympische Spiele. Sie durften gleich mehrere erleben. Gehören auch die Teilnahmen an Spielen zu den Highlights Ihrer Laufbahn?
Thiel: Natürlich. Da denke ich zunächst an Olympia 1984 in Los Angeles, als wir unerwartet Silber holten. Gut, es waren Boykottspiele. Aber wir waren wirklich stark. Es waren die ursprünglichsten Spiele, die ich erleben durfte. Wir waren im Studentenwohnheim untergebracht, mit riesigen Waschräumen und den damals typischen amerikanischen Toiletten. Man konnte unten die Füße sehen und oben den Kopf. Das war alles schön bis wunderschön.
Acht Jahre später waren Sie mit dem DHB-Team in Barcelona dabei.
Thiel: Das war auch gut, hatte aber viel mit dem Flair der Stadt zu tun.
Nur sportlich lief es nicht.
Thiel: Das ist bei Olympia auch gar nicht so einfach, als Trainer sind sie da gefordert. Bei einer WM ist es leicht, die Disziplin in der Truppe zu halten. Spiel, Hotel, Spiel, Hotel. Bei Spielen sieht es anders aus, die Ablenkung ist groß. Da müssen sie Struktur reinbringen. Das ist uns 84 gelungen, 92 nicht. Die Hockeyspieler haben das geschafft und holten Gold. Die waren total auf den Wettkampf fokussiert, durften abends nicht wie wir flanieren und Späßchen machen. Das Olympische Dorf war wie ein riesiger Appartementblock-Bereich. Wir waren mit den Basketballern in einem Haus, saßen in der Badehose auf dem Dach, haben Bier getrunken und geredet. Das war wunderbar. Das hatte was von: Es trifft sich die Jugend der Welt. War aber mit ein Grund für das schlechte Abschneiden.
Wie war es 1996?
Thiel: Atlanta ist aus meiner persönlichen Sicht im Vergleich zu Los Angeles und Barcelona schon deutlich abgefallen. Das waren Coca-Cola-Spiele. Viel Kommerz, das hatte relativ wenig mit Olympischen Spielen zu tun, wie sie mir gefallen.
Demnach dürfte es heute ganz anders sein, obwohl noch immer vom besonderen Flair im Olympischen Dorf gesprochen wird. Glauben Sie, dieses Gerede ist nur ein Relikt aus Erzählungen der Vergangenheit?
Thiel: Es fing schon 1992 an, dass Leute nicht im Olympischen Dorf wohnten, weil sie sich auf den Wettkampf konzentrieren wollten. Für den Rest der Normalos war das einfach nur: Mensch, geil, super. Das gilt wahrscheinlich noch heute. Ich glaube schon, dass es noch besondere Momente gibt. Ich kenne Geschichten aus Zeiten, in denen ich längst nicht mehr dabei war, die darauf schließen lassen. 2004 aus Athen hörte ich beispielsweise von Handballern und hübschen jungen Damen aus anderen Sportarten. Das soll auch nett gewesen sein. Aber das sind natürlich alles nur unbestätigte Gerüchte. (lacht)
Sie nennen sich selbst einen konservativen Traditionalisten, wenn es um Handball geht. Wie ist das gemeint?
Thiel: Eines vorneweg: Ich bin ein alter Mann und alles hat seine Zeit. Das weiß ich. Es ist halt heute so, wie es ist. Aber das muss mir deshalb ja nicht gefallen. Ich versuche es mal mit der Geschichte von der Halle in Dutenhofen zu erklären. Da wurden nach dem Spiel die Bierbänke in die Halle geschoben und das war dann der VIP-Raum. Es gab Bratwurst und Handkäs. Und die Stimmung war nach dem Motto: Ja Mensch, du Arschloch. Komm, Prost. Wissen Sie, was ich meine?
Ich denke schon.
Thiel: Das fehlt mir heute. Diese ganze Eventkultur, die wir heute haben, ist nicht mein Ding. Aber sie muss sein. Warum? Weil die Personalkosten so hoch sind und alles refinanziert werden muss. Die Wurzeln und den Kern unseres Spiels darf man aber nicht vergessen. Wir sind immer noch stark auf dem Land. Wir sind stark in der Provinz, in der Kleinstadt. Der Playboy schrieb einmal, Kretzsche hätte den Handball vom Dorftrottel-Image befreit. Mag sein. Aber ich finde, wir sollten das offensiver vertreten. Dann sind wir eben die Dorftrottel, meine Güte. Das sind wir doch auch: In Württemberg, in Niedersachsen, in Ostwestfalen.
Haben Sie also auf eine Veranstaltung wie das CL-Final-Four in Köln keinen Bock?
Thiel: Das Spiel ist geil. Sich ein Handballspiel auf so einem Level anzuschauen, ist klasse. Das ganze Brimborium drum herum brauche ich nicht. Aber die Fans, die die Karten kaufen, wollen das größtenteils. Es ist okay. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass wir im Bereich der HBL die Wurzeln ein bisschen zu wenig beachten.
Die Zeiten im Handball haben sich grundlegend verändert. Wären Sie denn heute noch gerne Profi?
Thiel: Was die Kohle anbetrifft, uneingeschränkt ja. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass Geld ein Teil meiner Motivation war. Das ist leicht verdientes Geld für eine Tätigkeit, die einem Spaß macht. So muss man das sehen. Wenn heute einer sagt: "Ich muss den nächsten Schritt in meiner Karriere gehen, ich will eine neue Sprache lernen." Also ich bitte sie, das ist doch gelogen. Es gibt aber auch einen Grund, warum ich heute kein Profi sein wollte.
Der da wäre?
Thiel: Die Belastung.
imago imagesSie haben also Verständnis dafür, dass heute über den vollen Terminkalender gejammert wird?
Thiel: Das kann ich nachvollziehen. Andererseits sehe ich das pragmatisch. Wenn ich diese deutlich erhöhten Gehälter bei Champions-League-Klubs verdiene, ist das eben so. Wer A sagt muss auch B sagen. Dabei muss man sehen: Es wird kaum noch trainiert, die Jungs haben heute eine deutlich verbesserte medizinische Abteilung. Das Problem ist also nicht so sehr die körperliche Belastung, sondern der Kopf. Man kann sich nicht alle drei Tage in gleicher Weise fokussieren, konzentrieren und motivieren. Die Gefahr ist heute relativ groß, eindimensional zu werden. Die haben ja gar keine Zeit mehr für etwas anderes.
Was meinen Sie genau?
Thiel: Wir waren in dieser Hinsicht privilegiert. Wir haben Geld bekommen und konnten nebenher ein tolles Studentenleben führen. Ich frage mich heute: Was machen die Jungs, wenn die Laufbahn zu Ende ist? Das Leben muss ja auch danach noch Inhalte haben. Jede Generation, die abtreten muss, treffe ich bei irgendwelchen A-Trainerlehrgängen. Die wollen Trainer werden. Dabei wird übersehen, dass es in unserer Branche nicht so viele Möglichkeiten gibt. Es gibt in 1. und 2. Liga insgesamt nur 38 Fleischtöpfe. Und von diesen 38 sind maximal zehn echte Fleischtöpfe.
Bleibt die Möglichkeit, Sportdirektor oder sportlicher Geschäftsführer zu werden.
Thiel: Dass diese Posten bezahlt werden können, ist im Handball nicht unbedingt der Regelfall. Da gibt es oft nur einen Geschäftsführer, der für alles zuständig ist. Und dass man solche Jobs ausüben kann, nur weil man mal einen Ball ins Tor geworfen oder gehalten hat - daran habe ich so meine Zweifel. Ich bin ganz froh, dass es bei mir so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Wenn es auch manchmal mühsam war. Beim ersten Staatsexamen musste ich echt kämpfen, auch wenn ich es im ersten Anlauf bestanden habe.
Sie waren berufstätig als Anwalt und gleichzeitig Profi in Dormagen. Klingt nach ziemlichem Stress.
Thiel: Ich fing 1995 in einer großen Kanzlei an. Und über die Anfangszeit sagt man ja, dass der junge Anwalt Sklave ist. Bis ich mich 1998 selbstständig gemacht habe, war das ein relativ anstrengender Ritt. In der Kanzlei bin ich um 18 Uhr raus und ins Training, was eigentlich schon mal gar nicht geht. Normalerweise geht man in Kanzleien dieser Art erst um 20 oder 21 Uhr nach Hause. Ich hatte Glück, dass mit dem Kanzlei-Senior, dem ich zuarbeitete, die Chemie stimmte. Dem kam es nur darauf an, dass die Arbeit effektiv erledigt wurde.
Hatten Sie mit dem Verein einen Deal ausgehandelt, um alles unter einen Hut zu bekommen?
Thiel: Ich hatte mir durch ein deutlich reduziertes Gehalt gewisse Privilegien erkauft. Morgens musste ich nicht mehr trainieren, an Spieltagen unter der Woche konnte ich in Eigenregie auf Kosten des Vereins anreisen. Wenn wir beispielsweise mittwochs in Kiel spielten, bin ich mittags um 15 Uhr in Köln in den Flieger gestiegen. Und nachts mit den Jungs zurück. Ich kann mich an das Zweitligajahr mit Dormagen erinnern. 1998/99 war das. Damals war ich bereits selbstständig. Wir mussten im Dezember zwei Mal, einmal im Pokal, einmal in der Liga, unter der Woche in Aue im Erzgebirge ran. Ich war morgens um fünf oder sechs Uhr mit dem Bus zu Hause und war um neun Uhr beim Familiengericht im Sitzungssaal. Das war gelegentlich hart, ist aber Jammern auf hohem Niveau.
gettyWarum?
Thiel: Ich kassierte zwei Gehälter. Ein reduziertes Gehalt als Handballer war nämlich immer noch genug. Nach drei Jahren in der Kanzlei hatte ich fast genug Geld beisammen, um mein Reihenhaus zu bezahlen. Ich konnte jeden Monat ein Gehalt wegpacken. Generell darf man nicht vergessen, dass Leistungssport ein Privileg ist.
Wie sehr hat sich das Spiel an sich verändert?
Thiel: Erheblich. Tempo, Athletik. Handball ist sicherlich viel, viel besser geworden. Viel schneller, viel mehr Tore. Es ist aus meiner Sicht der geilste Mannschaftssport, den es gibt. Duellsituationen Torwart gegen Spieler, eine echte Vollkontaktsportart. Wenn da die Ochsen am Kreis gegeneinander knallen - geil. Das sind deutliche Unterscheide zu unserer Zeit. Aber ich denke, dass diejenigen, die damals gut waren, heute wahrscheinlich auch gut wären. Talent spielt immer noch eine Rolle, die wären anders trainiert worden. Und man hätte nicht so viel gesoffen wie wir damals. (lacht)
Sie sind seit vielen Jahren Abteilungsleiter der Handballabteilung von Bayer Leverkusen und Torwarttrainer der Frauenmannschaft. Stimmt es, dass Sie damals nur Abteilungsleiter wurden, weil Sie bei einer Weihnachtsfeier zu viele Kaltgetränke zu sich genommen hatten?
Thiel: Ja, ich war voll. Dann sagten die Mädels: Mach du das doch. Und ich sagte Ja. Dann stand ich im Wort. Und das Wort zählt. Ich war nämlich nicht unzurechnungsfähig, konnte noch sprechen. Und das macht mir übrigens auch Spaß.