Karlsson setzt "Zeichen für Toleranz"

SID
Tobias Karlsson setzt sich in Polen für Toleranz ein
© getty

Rechtsruck, diplomatische Verwerfungen, politischer Druck auf kritische Medien: Die jüngsten Entwicklungen in Polen sorgen in Europa für Zündstoff. In diesem Spannungsfeld wird kurz vor der Handball-EM eine Aktion des schwedischen Kapitäns Tobias Karlsson heiß diskutiert.

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Der Abwehrchef von Deutschlands Gruppengegner Schweden will ein "starkes Zeichen für Toleranz und Gleichbehandlung aller Menschen" setzen und wird bei den Spielen in Polen mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde auflaufen. Und so steht nur ein Jahr nach der heftig umstrittenen WM in Katar plötzlich wieder beim Handball die Politik im Fokus.

"Ich trage die Binde so lange, bis mich jemand aufhält", sagte Karlsson und betonte im Gespräch mit dem SID und der dänisch-deutschen Tageszeitung Flensborg Avis: "Meine Bühne ist nicht Polen sondern die schwedische Nationalmannschaft. Ich hätte sie auch in Norwegen oder Frankreich getragen." Die Regenbogenfahne gilt als internationales Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung.

Während das Thema in den polnischen Medien hohe Wellen schlägt, kommt die Aktion des langjährigen Bundesliga-Profis und aktuellen Kapitäns der SG Flensburg-Handewitt bei vielen Handballern gut an - auch in der deutschen Mannschaft.

"Absolut das Recht auf so eine Binde"

"Ich finde es gut, dass er das macht, und unterstütze ihn in seiner Meinung", sagte DHB-Kapitän Steffen Weinhold dem SID und der Flensborg Avis. Er selbst habe sich zwar nichts überlegt, aber Karlsson habe als erfahrener Kapitän "absolut das Recht auf so eine Binde. Ich muss ja erstmal in die Rolle des Kapitäns reinwachsen. Aber wie gesagt: ich finde es gut, dass er Stellung bezieht."

Und auch Polens deutscher Nationaltrainer Michael Biegler unterstützt Karlsson. "Grundsätzlich schätze ich Menschen sehr, die ein klares und offenes Weltbild haben und sich dafür auch einsetzen", sagte Biegler dem SID und der Flensborg Avis.

Homophobie ist in Polen noch immer ein gesellschaftliches Problem. Und so wird mit Spannung die Reaktion der polnischen Zuschauer erwartet, wenn Karlsson am Samstagabend in der Jahrhunderthalle in Breslau zum schwedischen EM-Auftakt gegen Slowenien aufläuft.

"Das ist ja krank"

Karlsson macht sich um solche Dinge keinen Kopf. Er sagt, was er denkt, und nimmt auch in politischen Fragen kein Blatt vor den Mund. Schon vor Jahresfrist in Katar sorgte Karlsson für Aufsehen, als er die Praxis der gekauften Fans mit scharfen Worten ("Das ist ja krank") öffentlich anprangerte.

Sorgen macht sich der Schwede nur um sein Team. "Ich habe die Nationalmannschafts-Leitung gebeten, zu prüfen, ob es Regularien für Strafen wie Punktabzüge in dieser Sache gibt", sagte der 34-Jährige. Inzwischen signalisierte der europäische Handballverband EHF grünes Licht.

Immer wieder nutzen Sportler die öffentliche Bühne auch für politische Statements. Aufsehen erregte vor zweieinhalb Jahren beispielsweise die schwedische Hochspringerin Emma Green, die bei der Leichtathletik-WM in Moskau mit bunt gefärbten Fingernägeln gegen Russlands Homosexuellen-Diskriminierung Stellung bezog.

Idee von Johan Jepson

Dies wurde im autoritären Russland nicht gern gesehen, Green wegen ihres Vorstoßes gegen die Richtlinien gerügt. Athleten sei es untersagt, während eines Wettkampfes werbliche oder politische Aussagen zu treffen, hieß es. Die Sportlerin fügte sich zähneknirschend und lackierte ihre Nägel rot.

Die Idee zu Karlssons aktueller Initiative stammt übrigens von Johan Jepson. Der Spielführer des schwedischen Erstligisten Kristianstad spielt bereits seit Saisonbeginn mit einer bunten Kapitänsbinde. "Er hat mich im Herbst gefragt, ob ich sie auch in der Nationalmannschaft tragen würde - und das mache ich sehr gerne", sagte Karlsson. Es sei eine "findige und kluge Art und Weise, die Werte des schwedischen Handballs zu vermitteln".

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