"Ich wurde regelmäßig ausgezogen"

Thore Beckmann
26. Dezember 201616:22
Dominik Ebner ist drauf und dran sich in der Bundesliga zu etablierenSPOX
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Dominik Ebner spielt derzeit seine erste Profi-Saison beim TBV Lemgo. Der Youngster spricht über lange Auswärtsfahrten, die Doppelbelastung von Jugendspielern und den Umgang mit Verletzungen im Jugendalter. Ein großer Traum ist aktuell allerdings noch kein wirkliches Thema.

SPOX: Herr Ebner, im Alter von 22 Jahren spielen Sie ihre erste Bundesliga-Saison für den TBV Lemgo. Wie verrückt kommt es Ihnen vor, wenn Sie plötzlich Tore gegen Niklas Landin, Silvio Heinevetter und Co. erzielen?

Ebner: Verrückt nicht unbedingt, aber ein Traum ist damit definitiv in Erfüllung gegangen. Man will die Möglichkeit bekommen, sich mit den besten Spielern der Welt messen zu können und wenn einem das dann einigermaßen gelingt, dann ist das ein wahnsinniges Gefühl.

SPOX: Empfinden Sie nach einem langen Weg durch die Jugendmannschaften Stolz aufgrund des Erreichten oder fühlen Sie sich noch nicht in der Liga angekommen?

Ebner: Natürlich empfinde ich auf eine gewisse Art und Weise Stolz, da es nicht selbstverständlich war, dass das so schnell geklappt hat. Vor allem, wenn man beachtet, dass es jetzt von Jahr zu Jahr Schritte nach vorne gab, kann man doch schon zufrieden sein. Trotzdem ist es erst ein früher Schritt. Sich in der Liga zu etablieren, muss das nächste Ziel sein.

SPOX: Sie sagen, dass Sie es relativ schnell in die Bundesliga geschafft haben. Sie sind 22, beim Fußball ist man damit heutzutage kaum noch als Talent zu sehen. Als was würden Sie sich bezeichnen?

Ebner: Im Vergleich zum Fußball gibt es im Handball schon erhebliche Unterschiede. Natürlich gibt es auch jüngere Ausnahmen in der HBL, aber gerade der körperliche Aspekt ist beim Handball nochmal ein anderer Faktor. Ich fühle mich mit 22 auf jeden Fall noch sehr jung und sehe noch einiges an Entwicklungspotenzial, weil es erst meine erste Bundesliga-Saison ist.

SPOX: Im letzten Jahr haben Sie noch in der 3. Bundesliga für die Reserve des TBV Lemgo gespielt. Sie kommen aus der Gegend und haben viele Jugendmannschaften bei den Lippern durchlaufen. Wie fing das alles an?

Ebner: Ich habe im Alter von drei Jahren angefangen, konnte quasi gerade erst laufen und spielte sofort mit älteren Kindern bei der TG Lage Handball. Zunächst hieß es natürlich: "Der Knirps geht erstmal ins Tor". Aber ich hatte das Glück, von Anfang an sehr forderndes und professionelles Training zu genießen. Im Kindesalter wird einfach durch gute Trainer der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere gelegt.

SPOX: Mit 13 Jahren ging es dann für Sie nach Lemgo.

Ebner: Genau. Ich wurde vom TBV angesprochen, dann war es der logische nächste Schritt, weil es mit Abstand der größte Verein in der näheren Umgebung ist.

SPOX: Wie oft trainiert man in so einem Alter, in dem viele Kinder eigentlich ganz andere Probleme haben?

Ebner: Ab der C-Jugend trainiert man viermal in der Woche und hat noch ein Spiel am Wochenende. Deine Freunde treffen sich da das erste Mal mit irgendwelchen Mädels. Natürlich frustriert einen das manchmal, aber im Endeffekt hat es sich gelohnt.

SPOX: Haben Sie manchmal das Gefühl, in Ihrer Jugend etwas verpasst zu haben?

Ebner: Ich bereue überhaupt nichts. Natürlich hat man an einem Freitagabend Wehmut, wenn deine Freunde gerade die ersten Male ausgehen, du selbst sechs Stunden zu einem Auswärtsspiel an die Ostsee fährst und dort nachher mit einem Tor verlierst. Dann denkst du dir auch: "Scheiße gelaufen!". Unterm Strich muss man halt auch mal kleine Opfer bringen, aber das Endergebnis ist entscheidend. Wenn du deine Chance bekommst, dann musst du auch auf den Punkt da sein.

SPOX: Wie vertreibt man sich eigentlich die Zeit auf solch langen Auswärtsfahrten?

Ebner: Es wird viel gepokert. Doch wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich am Tisch lange nicht mehr blicken lassen. Ich wurde regelmäßig ausgezogen und kann die herben Niederlagen mit meinem Gehalt nicht so leicht auffangen. (lacht)

SPOX: Letztes Jahr durften Sie schon bei den Profis reinschnuppern, haben aber gleichzeitig noch in der 3. Bundesliga gespielt. Zudem haben Sie die ganzen Jugendmannschaften durchlaufen. Wann ist das Bewusstsein gekommen, dass es auch wirklich klappen könnte?

Ebner: Den Traum, Handball-Profi zu werden, hatte ich natürlich schon unglaublich früh. Dass es dann auch wirklich was werden könnte, ist vielleicht so drei oder vier Jahre her. Wenn du als A-Jugendlicher zum ersten Mal bei den Profis mittrainieren darfst, dann wirkt das Ganze nicht mehr so weit entfernt.

SPOX: Sie sprechen das Aushelfen bei den Herren-Mannschaften als Jugendlicher an. Wie hoch war die Belastung in dieser Zeit?

Ebner: Das war mit Sicherheit die intensivste Zeit in Sachen Trainingsbelastung. Du bekommst in dieser Zeit die Möglichkeit, dich auch in der 2. Mannschaft zu beweisen, hast dadurch aber die Doppelbelastung. Trotzdem ist es unerlässlich, dich als Jugendspieler an den Herrensport zu gewöhnen.

SPOX: Sie selbst haben bereits einen Ermüdungsbruch erlitten, sich die Schulter ausgekugelt und das Labrum gerissen. Wie groß ist in jungen Jahren schon die Angst um die Karriere?

Ebner: Natürlich hast du erstmal Schiss, weil du weißt, dass der nächste Schlag auf die Schulter im Handball nicht weit entfernt ist. Aber als die Ärzte gesagt haben, dass alles wieder ausheilen wird, habe ich das auch geglaubt. Es hilft ja sonst auch nichts. Zum Glück war es nicht mein Wurfarm. (lacht) Du musst dir dann kleinere Ziele setzen und auf den Fortschritt schauen, den du von Tag zu Tag machst.

SPOX: Mit Reha und allem hört sich das schon im jungen Alter nach einer ziemlichen Schinderei an. Glauben Sie, dass es einen Zusammenhang zwischen der Doppelbelastung und Ihren Verletzungen gab?

Ebner: Also erstmal ist es so, dass ich - bevor ich den Mittelfußbruch hatte - schon zwei, drei Jahre diese Art der Doppelbelastung gewohnt war. Ich glaube auch, dass es in der Zeit vor der Verletzung noch mehr Training gewesen ist, aber trotzdem kann ich nicht sagen, ob es daran gelegen hat und ehrlich gesagt, ist es mir auch egal gewesen. Das Ziel war einfach: möglichst schnell wieder fit werden. Was die Gründe angeht, kann ich nicht abschließend etwas über diese sagen und befasse mich deswegen auch nicht damit.

SPOX: Nach beiden Verletzungen gab es dann jeweils eine Zeit von drei bis vier Monaten der Reha. Das alles für den Traum Handball-Profi zu werden. Kann man das in dieser Zeit schon hauptberuflich machen oder wie sieht die finanzielle Situation eines jungen Handballspielers aus?

Ebner: Ich habe das von Anfang an so gehandhabt, dass ich mir ein zweites Standbein aufbauen wollte. Gerade in dem Moment, in dem du so schwere Verletzungen hast, merkst du, dass alles ganz schnell vorbei sein kann. Ich habe mein Abitur und dann in Absprache mit dem Verein bei einem Sponsor noch eine Ausbildung gemacht, sodass ich dann auch für Trainingseinheiten und Spiele unter der Woche freigestellt werden konnte. Nach dem Ausbildungsabschluss geht es jetzt mit dem Studium weiter. Das hilft auch alles vom Kopf nicht total zu erlahmen und so eventuell den Bezug zur wirklichen Welt zu verlieren.

SPOX: Zweimal am Tag Training, erst eine Ausbildung, jetzt das Studium - bleibt noch Zeit für Freunde und private Dinge?

Ebner: Es ist schon schwer, dies alles unter einen Hut zu bekommen. Ich glaube aber, ich bekomme das ganz gut hin und meine Freunde mögen mich immer noch. (lacht)

SPOX: Der Spielplan und die Belastung im Handball stehen dem des Fußballs in keinem Fall nach. Die Bezahlung ist trotzdem eher dürftig - blickt man manchmal neidisch auf den beherrschenden Sport in Deutschland?

Ebner: Mit Sicherheit gibt es da mal die Momente, in denen man darüber nachdenkt, was es für riesige Unterschiede gibt, aber ich bin schon ziemlich zufrieden damit, dass ich mit meinem Hobby, was ich mein Leben lang ausübe, Geld verdienen kann. Auch mein Vater hat mir damals schon gesagt: "Was gibt es schöneres, als wenn du mit dem, was dir Spaß macht, später Geld verdienen kannst?".

SPOX: Für Lemgo läuft es derzeit nicht nach Plan. Woran machen Sie die derzeitige Krise fest?

Ebner: Ich denke, dass das an vielen Kleinigkeiten liegt. Oft können wir 45 Minuten mithalten, aber schaffen es nie die Konzentration über die ganze Spielzeit aufrecht zu halten. Da werden dann taktische Anweisungen missachtet und dann kriegst du einen 0:5-Lauf und das Spiel ist quasi gelaufen. Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass besonders die beiden verlorenen Heimspiele gegen Balingen und Minden wehtun. Jetzt brauchen wir auch mal einen Überraschungssieg.

SPOX: Im Januar steht die WM in Frankreich an. Ein weit entfernter Traum oder ein schon ein Teil des Plans?

Ebner: Das ist für mich überhaupt kein Thema, auch wenn das natürlich der große Traum eines jeden Sportlers ist. Ich bleibe schön auf dem Teppich und setze mir ein kleines Ziel nach dem anderen. Das nächste Ziel wäre deshalb erstmal, sich über einen längeren Zeitraum als Spieler in der Liga zu etablieren.

Dominik Ebner im Steckbrief