Mit der deutschen Nationalmannschaft gewann Paul Drux die Bronzemedaille. Die WM in Frankreich will er ähnlich erfolgreich bestreiten. Der 21-jährige Rückraumspieler verrät im Interview, wie er nach den Spielen abschaltet und welche Rolle der scheidende Bundestrainer Dagur Sigurdsson für das Team spielt. Außerdem zieht der AOK-Sportbotschafter Vergleiche zum Fußball und erklärt, wie man Frankreich diesmal schlagen kann.
Frage: Die WM im Januar steht vor der Tür. Was sind deine persönlichen Erwartungen und was hat sich das Team vorgenommen?
Paul Drux: Wir nehmen uns immer vor, die K.o.-Phase zu erreichen. Ich denke, da haben wir gute Chancen. Wir haben gute Gegner in der Gruppe, aber auch Gegner, die wir auf jeden Fall schlagen müssen. Persönlich hoffe ich, dabei zu sein und ein gutes Turnier zu spielen, um der Mannschaft zu helfen.
Frage: Ist ein Minimalziel formuliert? Der DHB hat wohl mindestens Platz 5 oder 6 angedacht.
Drux: Davon habe ich noch nichts gehört, aber ich denke, bisher haben wir immer gut daran getan, erst einmal die Gruppenphase zu überstehen und dann von Spiel zu Spiel weiterzuschauen.
Frage: Ihr seid fast ausschließlich im Hotel, freust du dich trotzdem auch auf Frankreich?
Drux: Ja, schon. Ich weiß nicht, wie groß der Ort ist, in dem wir dann sind. An spielfreien Tagen werden wir wohl schon etwas rauskommen.
Frage: Es ist also auch mal Zeit für einen Kaffee?
Drux: Eine kleine Tour für zwei Stunden und etwas besichtigen. Nur im Hotel sitzen ist ja auch irgendwann langweilig.
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Frage: Ist Paris für dich etwas besonderes, wenn die Gruppenphase und das ein oder andere KO Spiel überstanden sind?
Drux: Ich war bisher einmal in Paris, das war eine coole Erfahrung. Ich habe nicht viel gesehen, aber es ist eine riesige Stadt mit vielen coolen Leuten. Es würde mich freuen, wenn wir dort auch ein Spiel hätten.
Frage: Warst du dort privat oder aus sportlichen Gründen?
Drux: Das war für ein Shooting und dann war ich noch ein paar Stunden am Eifelturm. Danach ging es aber direkt zum Flughafen.
Frage: Hast du schon Pläne für den 29.1.?
Drux: Hoffentlich das Finale spielen. Das wäre schön,aber mal schauen, ob das klappt.
Frage: Und am 30.1.?
Drux: Hoffentlich ausschlafen nach einer langen Feier.
Frage: Weg vom rein sportlichen und dem Turnier, Wiede und Weinhold sind leider nicht dabei. Du hast ähnliches erlebt, als du auch ein großes Turnier verpasst hast. Wie geht man damit um?
Drux: Erst einmal tut es mir leid für die Beiden. Es sind beides begnadete Handballer, die auch sehr wertvoll für das Team sind. Für Fabi tut es mir besonders leid, da er auch mein Teamkollege ist und wir auch schon viele Jahre zusammen spielen. Ihm geht es zum Glück ganz gut mit der Schulter, es ist alles gut verlaufen. Ich wünsche den beiden eine gute Genesung. Ich weiß, wie das ist, so ein Turnier zu verpassen. Es macht keinen Spaß, nur vorm Fernseher zu sitzen. Das nächste Turnier kommt aber schon wieder im nächsten Jahr.
Frage: Es ist natürlich eine bittere Situation. Es sind 3/4 Spieler, die ausfallen. Wie geht die Mannschaft damit um? Wie kann man so etwas kompensieren?
Drux: Wir haben einen breit gefächerten Kader mit Spielern, die oft nicht berücksichtigt werden. Diese können jetzt aufrücken. Wir haben so viel Qualität, dass wir das abfangen können.
Frage: Wie bereitet ihr euch auf ein solches Turnier vor und gibt es Präventivmaßnahmen, um Verletzungen kurz vor, oder während des Turniers, zu verhindern?
Drux: Ich denke es ist ganz wichtig, dass wir unsere zwei Physios immer dabei haben. Wenn etwas ist,kann man nach dem Training direkt zu ihnen gehen, um kleine Blessuren direkt behandeln zu lassen. Man muss versuchen, seinen Körper zu schützen und darauf achten, dass man genug schläft und Vitamine zu sich nimmt, um nicht noch durch eine Erkältung auszufallen.
Frage: Ist Regeneration während des Turniers überhaupt möglich?
Drux: Es ist schon extrem, wenn man jeden zweiten Tag spielt oder sogar am Tag nach dem Spiel schon wieder. Da bleibt nicht viel Zeit sich zu regenerieren. Deshalb ist die Vorbereitung so wichtig. Man braucht eine gute Ausdauer, um alles kompensieren zu können.
Frage: Wie schaltet man in diesem Turnier-Dauerstress ab?
Drux: Das ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Manche Spieler brauchen ein paar Stunden nach dem Spiel, um einschlafen zu können. Bei mir geht das meistens -ich bin da relativ entspannt. Nach dem Spiel direkt abhaken und sich auf das nächste Spiel vorbereiten. Man ist in so einem Fluss, dass man die Belastung eigentlich gar nicht mitbekommt.
Frage: Gehen die Spieler dann raus oder hören sie Musik?
Drux: Viele hören Musik oder schauen Filme und Serien. Das mache ich auch gern, da das französische Fernsehen ohne Französischkenntnisse eher schwierig ist.
Frage: Bei den Fußballern weiß man, die spielen viel Fifa etc ... Macht ihr das auch?
Drux: Ich glaube nicht, dass jemand etwas mitnimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das machen. Bisher war das jedenfalls nicht so.
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Frage: Ist der Trainer während des Turniers auch wirklich Trainier oder nimmt er eher die Rolle des Motivators ein?
Drux: Motivieren braucht man einen Spieler bei so einem Turnier eigentlich nicht -das kann ich mir nicht vorstellen. Er ist schon fürs Training da, wir haben ja auch jeden zweiten Tag ein Training nach dem Spiel, um uns auf unseren nächsten Gegner einzustellen. Unsere Co-Trainer schneiden die Videos und bereiten uns vor.
Frage: Gibt Sigurdsson einen besonderen Kick, den er Euch mitgibt vor einem Spiel?
Drux: Ja, er ist sehr impulsiv und emotional im Spiel. Wenn man bei so einem Turnier einlaufen kann ist man so motiviert, da braucht man nicht noch eine zusätzliche Motivation.
Frage: Im Handball gehen ja immer alle mit nach vorne und jeder kann ein Tor erzielen. Gibt es trotzdem taktische no-gos, die vom Trainer verboten wurden?
Drux: Eigentlich nicht. Es kann von überall ein Tor fallen und man muss immer aufpassen.
Frage: Im Gegensatz zum Fußball ist das charakteristisch, wo man sich in bestimmten Bereichen nicht aufhalten sollte?
Drux: Im Fußball sollte der Abwehrspieler nicht auf einmal im Sturm stehen. Bei uns ist es aber sehr schnell und es geht ständig hin und her.
Frage: Das sind wieder die Stichpunkte Teamgeist und Teamgedanke wahrscheinlich noch stärker ausgeprägt als im Fußball. Kannst du charakterisieren, was für dich den Handball ausmacht?
Drux: Für mich ist es ein Mannschaftssport, der vor allem von Teamgeist und Zusammenhalt lebt. Das Spiel ist so schnell und körperlich geworden. Man ist darauf angewiesen, dass alle zusammenhalten. Es ist ein geiler Sport, da müssen wir ja nicht drüber reden. Es macht im Team so viel Spaß, da es durch das Körperliche noch emotionaler wird. Wenn man dann noch etwas gewinnt, ist es natürlich umso geiler. Man ist so gepusht und bekommt nichts mehr mit. Meistens merkt man erst am nächsten Tag was alles weh tut.
Frage: Was würdest du einem achtjährigen Kind erzählen, damit es Handball spielt und nicht Fußball?
Drux: Das ist schwierig zu sagen. Natürlich macht mir Handball mehr Spaß - ein Fußballer würde sagen, ihm macht Fußball mehr Spaß. Handball ist eine Sportart, die auf dem Boden geblieben ist. Die Handballwelt ist kleiner und das macht alles etwas familiärer. Auch wenn es auf dem Spielfeld oftmals nicht so aussieht, ist alles meist sehr fair. Es ist einfach ein geiler Sport, kann man nicht anders sagen.
Frage: Für dich also die Sportart Nummer eins?
Drux: Von der Attraktivität her auf jeden Fall. Besser als ein 0:0 im Stadion zu sehen.
Frage: Bist du denn auch Fußballfan?
Drux: Wenn gute Spiele sind,schau ich es manchmal ganz gerne. Im Training spiele ich es auch gerne zum aufwärmen. Ansonsten schau ich mir das nicht so gerne an.
Frage: Zu wenig Tore und zu wenig Action?
Drux: Ja.
Frage: Dann eher Basketball?
Drux: Lieber die US-Sportarten. Football und Basketball schau ich gern, auch deutschen Basketball.
Frage: Hast du ein Vorbild im Handball oder einem anderen Sport?
Drux: Mein Vorbild im Handball war immer Ivano Balic, der jetzt durch sein Alter leider nicht mehr spielt. Für mich der beste Handballer aller Zeiten. Für mich auch ein riesen Sportler ist Dirk Nowitzki, da kann man nur den Hut vor ziehen. Es hat mich auch riesig gefreut, als er den Titel geholt hat.
Frage: Handball und Basketball ist auf deutscher Ebene ziemlich vergleichbar von der Bodenständigkeit. Im Basketball besteht jedoch die Chance, in den USA unglaubliche Summen zu verdienen.
Drux: Das ist der US-Sport. Da ist es ja noch viel absurder als im Fußball hier. Was dort bezahlt wird ist der Wahnsinn. In den USA will jeder Basketball, Baseball oder Football schauen.
Frage: Ist es nicht schade, dass im Handball vergleichsweise wenig bezahlt wird. Besonders mit der Bundesliga, der stärksten Liga der Welt.
Drux: Es wird ja nicht wenig gezahlt, da müssen wir die Kirche mal im Dorf lassen. Wir können alle sehr zufrieden sein mit dem, was wir jeden Monat bekommen. Wir haben alle damit angefangen, weil es uns Spaß macht und nicht, um maximalen Profit zu erzielen. Es ist natürlich schwierig, wenn man mit 35 Jahren die Karriere beendet und bis dahin nicht genug verdient hat, um damit das restliche Leben lang auszukommen. Bis zum Karriereende muss man einen Job lernen und das ist das Schwierige in Sportarten, in denen nicht so viel gezahlt wird, wie beispielsweise im Fußball.
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Frage: Ist es für die Fans momentan eine sehr traurige Situation, dass man eure Spiele sehr wahrscheinlich nicht im Free TV sehen kann?
Drux: Wenn das so sein sollte, dann ist das auf jeden Fall traurig. Bisher ist es glaube ich noch nicht ganz endgültig. Ich weiß auch nicht genau, wo das Problem liegt. Es ist natürlich ein Unding. Handball ist ein Sport, den viele Menschen in Deutschland sehen wollen. Besonders nach den letzten Jahren und Erfolgen löst so ein Turnier eine Begeisterung aus. Es wäre extrem schade, wenn man die Spiele nicht sehen könnte.
Frage: Wenn man sich die Fußballbranche anschaut mit den riesigen Gehältern und den sportpolitischen Dingen, die dort im Vordergrund stehen. Glaubst du, dass die Leute sich irgendwann einen anderen Sport suchen, weil sie dem Fußball nicht mehr folgen wollen?
Drux: Das denke ich nicht. Ich glaube, Fußball wird in Deutschland immer die Nummer eins bleiben. Das ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Die Gehälter sind natürlich irgendwann absurd, aber der Druck und die riesige Kulisse zählen natürlich auch. Im Fußball fließt durch TV-Gelder sehr viel mehr Geld und das wird natürlich dann aufgeteilt. Ich schau nicht so gerne Fußball, da ich meiner Meinung nach kein Spieler 100 Millionen Euro wert sein kann. Dafür gibt es einfach andere Probleme auf der Welt. Daher ist es auch nicht meine Lieblingssportart
Frage: Zurück zur WM in Frankreich. Bei den olympischen Spielen habt ihr gegen Frankreich verloren. Nehmt ihr als Europameister trotzdem eine Favoritenrolle ein?
Drux: Ich denke, wir werden nicht als Favorit gehandelt, gehören aber schon zum engeren Kreis der Mannschaften, die um den Titel spielen werden. Wir haben uns sicherlich international viel Respekt verdient, aber wir reisen nicht mit der Erwartung an, unbedingt Weltmeister werden zu müssen.Im Handball ist oben alles so eng, da können auch Schiedsrichterentscheidungen und etwas Pech ein Spiel entscheiden.
Frage: Ist der Gastgeber Topfavorit?
Drux: Frankreich wird als Favorit gehandelt. Sie haben immer noch super Spieler, was sie auch bei den olympischen Spielen gezeigt haben.
Frage: Und im eigenen Land traditionell im Sport immer sehr stark ...
Drux: Wenn sie dem Druck standhalten können und nicht daran eingehen. Das kann ich mir aber nicht vorstellen. Die Mannschaft hat so viele erfahrene Spieler und Top-Stars, die alle schon viele Turniere gespielt haben. Wie viele Titel dort auf der Bank sitzen, die werden ein gutes Turnier spielen.
Frage: Welche Rolle spielt die Kulisse dabei? Es sind sicherlich auch deutsche Fans vor Ort, aber falls ihr auf Frankreich treffen solltet, wird es wohl ziemlich zur Sache gehen.
Drux: Ich glaube schon, dass viele deutsche Fans den Weg nach Frankreich finden werden, da es nicht so weit entfernt ist. Das hat man auch in Polen gesehen. Als wir im eigenen Land Weltmeister wurden, hat man gesehen, was für Emotionen so eine Kulisse auslösen kann. Das pusht eine Mannschaft natürlich extrem.
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