"Keiner soll meinen, wir wären schlagbar"

Felix Götz
17. Januar 201713:00
Andreas Wolff wechselte 2016 von Wetzlar nach Kielgetty
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Seit seinen Auftritten bei der EM in Polen ist Andreas Wolff in aller Munde. Vor dem dritten Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Frankreich gegen Saudi-Arabien (17.45 Uhr im LIVETICKER) traf SPOX den 25-jährigen Torhüter vom THW Kiel. Herausgekommen ist ein Gespräch über seine Verbissenheit, Signale an die Konkurrenz und den Geist im DHB-Team.

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SPOX: Herr Wolff, Sie erwecken noch mehr als andere Spieler den Eindruck, sich bei großen Turnieren in einer Art Tunnel zu befinden. Täuscht diese Wahrnehmung?

Andreas Wolff: Erst einmal muss man schon einen Unterschied zwischen Spielern wie beispielswiese Uwe Gensheimer und mir machen. Uwe ist schon um die zehn Jahre in der Nationalmannschaft dabei, hat schon etliche Weltmeisterschaften und andere große Turniere auf dem Buckel. Für mich war das Spiel gegen Chile der erste WM-Einsatz überhaupt. Dementsprechend war es für mich eine besondere Situation, ich war schon sehr heiß.

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SPOX: Sind Sie bei einer WM grundsätzlich heißer als beispielsweise in einem Ligaspiel mit dem THW Kiel?

Wolff: Für einen Handballer ist es das Wichtigste, solche Turniere zu spielen. Dabei ist es egal, ob es sich um eine WM, EM oder Olympische Spiele handelt. Man vertritt sein Land, man bekommt die größte Aufmerksamkeit - klar ist das etwas anderes als der Bundesliga-Alltag.

SPOX: Sie wirken in solchen Momenten extrem verbissen, man könnte geradezu ein wenig Angst vor Ihnen bekommen.

Wolff: Ach was, ich will einfach nur jedes Spiel gewinnen. (lacht) Es geht für mich auch darum, jedes Spiel mit der Mannschaft zu nutzen, um Ausrufezeichen an die Konkurrenz in den anderen Gruppen zu senden. Die sollen sich ruhig schon mal ihre Gedanken machen, wozu wir fähig sind. Nämlich dass wir einen Gegner - auch wenn es "nur" Chile war - bei 14 Toren halten und das Spiel mit 21 Treffern Differenz gewinnen. Keiner soll meinen, wir wären schlagbar.

SPOX: Dann lassen Sie es mich anders ausdrücken: Gegen Chile wirkten Sie teilweise genervt.

Wolff: Es war in diesem Spiel einfach schwierig, die Konzentration permanent hoch zu halten. Die Chilenen haben immer wieder angetäuscht, ich musste damit rechnen, dass jede Sekunde ein Schlagwurf kommt. Im Endeffekt war es dann aber so, dass manchmal gefühlt für fünf oder zehn Minuten überhaupt kein Ball auf das Tor kam. Da war ich tatsächlich ab und zu genervt.

SPOX: Dagur Sigurdsson und die meisten Spieler denken eher Step by Step. Sie sind der einzige Akteur, der öffentlich den Titel als Ziel ausruft. Wie kommt das im Team an?

Wolff: Das muss sich ja nicht widersprechen. Man kann sagen, man möchte Weltmeister werden und trotzdem Schritt für Schritt gehen. Aber es hat doch jeder das große Ganze im Hinterkopf. Auch Dagur Sigurdsson wird kaum ernsthaft bestreiten, dass er ebenfalls mit dem Ziel, den Titel zu holen, hier angereist ist. Dieses Ziel haben die anderen auch, sogar Saudi-Arabien. Dass unsere Chancen wesentlich besser stehen, muss man nicht erwähnen.

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SPOX: Ist das Schritt-für-Schritt-Denken dazu da, immer den Fokus auf die richtigen Dinge zu legen?

Wolff: Genau. Die Vorgabe, eine Aufgabe nach der anderen zu erledigen, macht natürlich Sinn. Die nächste Aufgabe ist - Achtung Phrase - immer die Schwierigste. Es nutzt uns ja nichts, wenn wir wissen, dass wir stärker als beispielsweise Russland sind, dann im Achtel- oder Viertelfinale gegen die ran müssen, keinen Respekt haben und aufgrund von zu großer Arroganz das Spiel verlieren. Dann interessiert es niemanden mehr, dass wir eigentlich besser sind. Es gibt keine zweite Chance. Deshalb müssen wir in jedem Spiel an unser Maximum gehen und zu 100 Prozent konzentriert sein. Und nach zwei Siegen gibt es auch keinen Grund, die Bäume in den Himmel wachsen zu lassen.

SPOX: Nach dem Ungarn-Spiel standen oder stehen Gegner auf dem Plan wie Chile, Saudi-Arabien und Weißrussland. Kann man aus solchen Partien überhaupt Erkenntnisse gewinnen?

Wolff: Jeder Sieg, ob gegen Chile, Saudi-Arabien oder sonst irgendwen, gibt Selbstvertrauen. Klar ist aber auch: Im letzten Gruppenspiel gegen Kroatien werden wir zum ersten Mal wirklich sehen, wo wir stehen. Das ist andererseits auch die letzte Chance, um Sachen schlecht zu machen. Danach dürfen wir uns nämlich keinen Fehler mehr erlauben. Allerdings wollen wir diese Fehler auch gegen Kroatien vermeiden, weil wir natürlich unbedingt Gruppensieger werden wollen.

SPOX: Mit Ihnen und Silvio Heinevetter verfügt das DHB-Team über zwei Torhüter in Topform. Trotzdem sagen Sie, dass Carsten Lichtlein der Truppe als Charakter fehlt. Warum?

Wolff: Sie haben Lütti ja auch schon mehrfach interviewt, die Fans haben ihn im Fernsehen gesehen. Da fällt doch immer gleich auf, was er für eine tolle Persönlichkeit ist. Solche Typen tun einfach jeder Mannschaft gut. Nur das wollte ich damit sagen.

SPOX: Und er war sowohl in Polen als auch in Rio wichtig dafür, diesen ganz besonderen Geist in die Truppe zu bringen, von dem die Mannschaft so sehr profitiert hat. Muss man sich diesen Spirit eigentlich jedes Mal wieder neu erarbeiten?

Wolff: Das mit dem Geist ist mittlerweile eigentlich eine Sache, die sich eingespielt hat. Wir haben eine Mannschaft, die ehrgeizig ist, die Ziele hat. Und um diese zu erreichen, benötigen wir auch diesen Spirit, von dem Sie reden. Aber mir wird das ein wenig zu hoch gehängt. Dieser Geist ist eigentlich nämlich nichts anderes, was für jeden Profi selbstverständlich sein sollte: Ehrgeizig zu sein und alles dafür zu tun, um erfolgreich zu sein. Das hat auch mit dem Bundestrainer zu tun. Das ist etwas, was Dagur Sigurdsson einfach von uns verlangt.

SPOX: Am Montag hatte die Mannschaft einen freien Tag. Ihr seid in einem Hotel rund zehn Kilometer außerhalb von Rouen untergebracht, in einer Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Was stellt man denn hier mit seiner Freizeit an?

Wolff: In die Stadt gehen! Ich habe mich am freien Montag beispielsweise mit meiner Familie getroffen. Außerdem will ich die Tage noch bei den Kroaten im Hotel vorbeischauen, um meinen alten Teamkollegen Ivano Balic zu treffen.

SPOX: Und wie wird die Freizeit hier im Hotel verbracht?

Wolff: Man lässt ein wenig die Gedanken schweifen, ansonsten bereitet man sich auf das nächste Spiel vor, in dem man beispielsweise Videos vom nächsten Gegner schaut. Es bleibt ja nicht wirklich viel Zeit.

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