Mit drei Siegen aus drei Spielen hat das DHB-Team seine bisherigen Aufgaben bei der WM in Frankreich souverän gelöst. Vor der vierten Partie gegen Weißrussland (17.45 Uhr im LIVETICKER) macht SPOX den Zwischencheck und wirft einen Blick auf jede Position und jeden einzelnen Spieler.
Torhüter
Andreas Wolff: Kam im zweiten Spiel gegen Chile erstmals zum Einsatz und zeigte mit 53 Prozent abgewehrter Bälle eine bärenstarke Vorstellung. Gegen Saudi-Arabien wurde der Kieler nach 23 Minuten auf die Platte geschickt und wehrte 33 Prozent ab. Belegt im Gesamtranking mit 23 Paraden (45 Prozent) hinter Mikael Appelgren (Schweden) und Thierry Omeyer (Frankreich) Platz drei. Tat sich in der Schlussphase gegen die Saudis an der Hüfte weh, was aber kein größeres Problem darstellt.
Silvio Heinevetter: Schon in den Wochen vor der WM in Topform, bestätigte der Berliner diese im Auftaktspiel gegen Ungarn mit 14 abgewehrten Bällen und einer Quote von 39 Prozent. Nach seiner Pause gegen Chile kam Heine gegen die Saudis einfach nicht rein ins Spiel (2 von 12, 17 Prozent) und wurde von Sigurdsson noch vor der Pause ausgewechselt.
Fazit: Das DHB-Team hat zwei überragende Torhüter und damit das wohl beste Gespann aller WM-Teams. Kleinere Schwächephasen sind kein Problem, solange Wolff und Heinevetter nicht beide in der gleichen Partie außer Form geraten.
Linksaußen
Uwe Gensheimer: Zeigte zum Auftakt gegen Ungarn mit 13 Toren in herausragender Manier, dass er trotz der Trauer um seinen verstorbenen Vater bereit für die WM ist. Wurde gegen Chile geschont und nur für die Siebenmeter eingewechselt und erhielt auch im dritten Spiel insgesamt eine Halbzeit lang eine Pause. Der Kapitän ist mit 21 Buden bislang bester deutscher Werfer. Er leistete sich erst zwei Fehlwürfe und verwandelte alle 15 Siebenmeter.
Rune Dahmke: Lässt schon mal eine gute Gelegenheit aus (8 von 12), hat aber nicht zuletzt bei der EM 2016 bewiesen, dass er für das Team wertvoll sein kann. Durfte gegen Chile fast durchspielen und war mit sieben Toren zweitbester deutscher Werfer in dieser Partie. Als Backup für Gensheimer wichtig, um diesem Pausen zu verschaffen.
Fazit: Gensheimer ist der vielleicht beste Linksaußen der Welt, dazu Dahmke. Auf dieser Position hat die deutsche Mannschaft ähnlich wie bei den Torhütern keine Sorgen.
Rückraum links
Paul Drux: Hat mit knapp 38 Minuten die geringste Einsatzzeit aller Spieler. Fast 35 Minuten dieser Zeit brachte der Füchse-Spieler gegen Ungarn auf die Platte, wo er seine Übersicht und seinen Zug zum Tor unter Beweis stellte. Holte damit den einen oder anderen Siebenmeter raus, wartet aber noch auf seinen ersten Treffer. Verletzte sich gegen Chile am Sprunggelenk und setzte gegen die Saudis aus. Über die Wichtigkeit des Füchse-Spielers für Deutschland braucht man nicht zu sprechen. Vor allem seine Flexibilität ist immens wichtig, kann er doch auch als Spielmacher auflaufen.
Steffen Fäth: Nominell linker Rückraumspieler, wurde Fäth bislang vom Bundestrainer vor allem in der Mitte gebraucht. Gegen Ungarn und Chile konnte der 26-Jährige kaum Akzente setzen, gegen Saudi-Arabien verbuchte er aber sechs Tore bei sechs Versuchen und war damit bester DHB-Werfer. Seine Anspiele an den Kreis ließen allerdings noch zu wünschen übrig.
Julius Kühn: Ist der Spieler mit der bislang viertmeisten Einsatzzeit und den viertmeisten Toren (10), allerdings auch mit der zweitschlechtesten Quote (53 Prozent). Der Gummersbacher versemmelte neun seiner 19 Würfe und sollte in Sachen Effektivität noch zulegen. Zudem ist seine Wurfauswahl noch verbesserungswürdig. Kühn kann aber wie schon nach seiner Nachnominierung in Polen noch ganz wichtig werden als Spieler, der aus dem Rückraum den Hammer auspackt, wenn die Abwehr des Gegners einmal nicht auszuspielen ist.
Finn Lemke: Wünscht sich auch eine Rolle im Angriff, bekommt sie aber nicht. Ist nach der Absage von Hendrik Pekeler, mit dem er bei der EM und bei Olympia ein Bollwerk bildete, der unumstrittene Abwehrchef und mit seinen 2,10 Meter der Fels in der Brandung. Zeigte gegen Ungarn schon, was er drauf hat und wird im Verlaufe des Turniers ganz klar einer der Schlüsselspieler des DHB-Teams sein.
Fazit: Drux angeschlagen und deshalb noch nicht zu 100 Prozent im Turnier angekommen, Kühn und Fäth mit schwankenden Leistungen. Trotzdem: Auf keiner Position ist Deutschland im Rückraum so gut besetzt wie links. Das Offensiv-Trio wird noch in Fahrt kommen, über Lemke muss man ohnehin nicht weiter sprechen.
Rückraum Mitte
Simon Ernst: Durfte sich schon auf seiner angestammten Position als Spielmacher beweisen, ist aber vor allem in der Abwehr wie gegen Ungarn gesehen wichtig. Ernst übernahm hier bisher häufig für Häfner und verschaffte dem damit wichtige Pausen. Vier seiner sechs Würfe waren insgesamt drin, der Gummersbacher ist mit über 111 Minuten Einsatzzeit bislang der Dauerbrenner im DHB-Team.
Niclas Pieczkowski: Machte gegen die Saudis fünf Tore, kam aber erst in der zweiten Hälfte zum Zug, als die Partie schon gelaufen war. Verwandelte insgesamt im Turnier bislang sechs seiner sieben Würfe. Pieczkowski ist unter dem Strich aber wohl eher ein bisschen der Zeitlückenfüller.
Fazit: Einen klassischen Spielmacher von Weltklasseformat hat das DHB-Team nicht, was aber ein bekanntes Manko ist. Die Situation hat sich nach der Absage von Martin Strobel nicht verbessert. Trotzdem sind Drux und Fäth in der Lage, großartige Leistungen auf der Mitteposition auf die Platte zu zaubern.
Rückraum rechts
Kai Häfner: Häfner ist hier mehr oder weniger als Einzelkämpfer unterwegs. War entsprechend bisher in allen drei Partien ein Faktor. Häfner ist mit 15 Toren bei 20 Würfen Deutschlands zweitbester Werfer und scheint schon nah dran an der Polen-Form zu sein, wo er neben Kühn für die letzten drei EM-Spiele nachnominiert wurde. Vor allem mit seinen Würfen von jenseits der neun Meter ist Häfner unverzichtbar.
Fazit: Im rechten Rückraum ist der Europameister von 2016 mit Häfner sehr gut, dafür aber extrem dünn besetzt. Wird Holger Glandorf aber wie erwartet in den kommenden Tagen nachnominiert, löst sich dieses Problem in Luft auf.
Rechtsaußen
Patrick Groetzki: Absolvierte eine starke Vorbereitung und ist voll drin im Turnier. Gegen Ungarn ließ er noch ein paar Würfe zu viel liegen (4 von 7), war aber ansonsten gut. Gegen Chile spielte er nur wenige Minuten, doch gegen die Saudis lief er zahlreiche Tempogegenstöße in der ersten Hälfte und verwandelte fünf von sechs Versuchen. Es ist Groetzki förmlich anzumerken, wie heiß er darauf ist, nach zwei verpassten Turnieren wieder bei der Nationalmannschaft zu sein. Hat auf Rechtsaußen aktuell klar die Nase vorn.
Tobias Reichmann: Bei der EM und bei Olympia war der Kielce-Profi einer der herausragenden Spieler im Sigurdsson-Team. War vor der WM aber verletzt und schleppt noch die Nachwirkungen mit sich herum. Ihm fehlt der Rhythmus, ihm fehlt auch noch ein wenig das Zutrauen in den eigenen Körper. Gegen Ungarn kam Reichmann gar nicht zum Einsatz, gegen Chile (2 von 5) und Saudi-Arabien (2 von 6) überzeugte er nicht. Hat mit 36 Prozent die schlechteste Quote aller DHB-Akteure.
Fazit: Groetzki und Reichmann - eigentlich ein tolles Gespann auf Rechtsaußen. Allerdings ist Reichmann so ein wenig das Sorgenkind in der Mannschaft. Es ist fraglich, ob er es schafft, noch während der WM altbekannte Form zu erreichen. Umso wichtiger wird Groetzki, dessen Qualitäten unbestritten sind. Sein Manko war in den vergangenen Jahren allerdings ein wenig die Chancenverwertung in den alles entscheidenden Situationen.
Kreis
Patrick Wiencek: Ob im Mittelblock neben Lemke oder im Angriff beim Umschaltspiel oder als Wühlbüffel - Wiencek ist einer der wohl wichtigsten Spieler im deutschen Team. Hat bislang mit gut 100 Minuten nach Ernst die meiste Einsatzzeit abgespult, zeigt aber noch Schwankungen in seinem Spiel. Dies gilt vor allem für den Angriff, wo Wiencek nur fünf seiner neun Versuche versenkte und im einzigen Spiel gegen einen namhaften Gegner, also Ungarn, keine Akzente setzen konnte.
Jannik Kohlbacher: Ist mit 21 Jahren das Nesthäkchen beim DHB. Wird aber immer wertvoller, weil er mittlerweile auch in der Abwehr einsetzbar ist. Sigurdsson traut dem Wetzlarer den Sprung in die Weltklasse zu, doch daran muss noch ein wenig gearbeitet werden. Kohli war gegen Ungarn im Angriff abgemeldet, avancierte gegen Chile dann mit acht Treffern zum besten DHB-Werfer, ehe er gegen die Saudis viel zu schludrig im Abschluss agierte (3 von 8).
Fazit: Das Duo Wiencek und Kohlbacher kann sich durchaus sehen lassen, wobei die Hauptverantwortung natürlich eindeutig beim Kieler liegt. Spielt er auf einem konstant hohen Niveau, wäre das im weiteren Turnierverlauf ein echtes Pfund.
Die WM 2017 im Überblick