Der böse Wolff im Killermodus

Andreas Wolff zeigte beim Sieg gegen Chile eine hervorragende Form
© getty

Beim 35:14-Sieg gegen Chile hat nach Silvio Heinevetter mit Andreas Wolff auch der zweite DHB-Torhüter seine Topform bei der WM in Frankreich eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Bundestrainer Dagur Sigurdsson beruhigt die Gemüter in den Fällen von Paul Drux und Tobias Reichmann. Nun müssen die Hausaufgaben erledigt werden, um sich einen Trip in den Süden zu ersparen.

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Rouen, Kindarena, 28. Minute. Patrick Wiencek und Finn Lemke sind in der Abwehr für einen Moment nicht aufmerksam, Emil Feuchtmann erzielt das 5:15 aus Sicht der Chilenen. Es ist ein völlig belangloses Tor.

Belanglos? Nicht für Andreas Wolff! Der wirft seinem Mittelblock-Duo einen Blick zu, der vermuten lässt, er würde jeden Augenblick über ihn herfallen. Wiencek und Lemke bemerken die Gefahr und verziehen sich sicherheitshalber aus Wolffs Revier.

"Er hat jedes Gegentor als persönliche Beleidigung gesehen", konnte sich DHB-Vizepräsident Bob Hanning nach dem Spiel auf den Kiel-Keeper angesprochen ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wolff selbst ergänzte: "Das kann man mir nicht übel nehmen. Ich ärgere mich über jedes Gegentor."

"Ich will den Titel gewinnen"

Die Szene zeigte: Wolff war schon bei seinem ersten WM-Einsatz wieder im Tunnel, so wie er es bei den Olympischen Spielen in Rio und vor allem bei der EM in Polen war. Der gebürtige Nordrhein-Westfale schwebt bei großen Turnieren traditionell in anderen Sphären, so ein wenig erinnert er dabei an Oliver Kahn in früheren Tagen.

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"Ich will den Titel gewinnen", bekräftigte der 25-Jährige nach dem Chile-Spiel seine forsche Zielsetzung von vor der WM und zeigte sich dann doch gnädig: "Und meine Mannschaft zieht mit."

Freilich war es nämlich auch dem Mann zwischen den Pfosten nicht entgangen, dass seine Vorderleute beim zweiten Sieg im zweiten Spiel insgesamt gesehen einen sehr guten Job gemacht hatten: "Ich bin stolz auf meine Mannschaft, sie hat über 60 Minuten eine sehr starke Abwehr gespielt. Die Jungs haben hervorragend gearbeitet, sodass eigentlich recht wenige Würfe überhaupt auf das Tor kamen. Der Rest war relativ gut lesbar."

Zwei Torhüter in Topform

Letztlich standen für Wolff 16 Paraden und insgesamt 53 Prozent abgewehrter Bälle zu Buche. Er bot damit eine ebenso beeindruckende Leistung, wie es Silvio Heinevetter beim Sieg im ersten Spiel gegen Ungarn getan hatte.

Zwei Torhüter in Topform - das ist im Handball bekanntlich die Basis dafür, um den ganz großen Wurf zu schaffen. Wobei das Turnier natürlich noch jung ist und weder Ungarn und erst recht nicht Chile als Maßstäbe gelten können, wenn man Weltmeister werden möchte.

Für Sigurdsson ergibt sich aus der aktuellen Situation dennoch die Qual der Wahl, könnte man meinen. Der Bundestrainer sieht die Sache allerdings anders. "Das ist nicht kompliziert. Schwierig wäre es nur, wenn beide Torhüter schlecht drauf wären", sagte der Isländer.

Rotation für den historischen Coup

Neben der Tatsache, dass dem DHB aktuell zwei Torhüter in toller Verfassung zur Verfügung stehen, bot die Partie gegen Chile wie erwartet nicht sehr viele Erkenntnisse - zumal die Südamerikaner gegen Deutschland selten einmal ihre beste Mannschaft aufboten, die im ersten Spiel mit dem Sieg gegen Weißrussland überrascht hatte.

"Ich habe volles Verständnis dafür, dass Chile rotiert hat", erklärte Sigurdsson: "Schließlich haben sie die für sie historische Chance, das Achtelfinale zu erreichen."

Was der Bundestrainer meinte: Die einzige realistische Chance für Chile, einen zweiten Sieg bei dieser WM einzufahren, bietet sich im Spiel gegen Saudi-Arabien. Darauf ist alles ausgerichtet, dadurch könnte erstmals der Einzug in die Runde der letzten 16 gelingen.

Entwarnung bei Drux und Reichmann

Auch Sigurdsson rotierte gewaltig. So kamen Leistungsträger aus dem Ungarn-Spiel wie Kapitän Uwe Gensheimer oder Patrick Groetzki kaum zum Zug, dafür durften Rune Dahmke (sieben Tore) auf Linksaußen, Tobias Reichmann auf Rechtsaußen oder im Rückraum sehr häufig Simon Ernst mitmischen. Am Kreis überzeugte Jannik Kohlbacher, der mit acht Toren bester Werfer der deutschen Mannschaft war.

Einen wenig überzeugenden Eindruck hinterließ dagegen der bei den vergangenen Erfolgen so immens wichtige Reichmann, der nur zwei seiner fünf Würfe verwandelte. Der 28-Jährige, der beim polnischen Spitzenklub Kielce unter Vertrag steht, war zuletzt angeschlagen und ist deshalb noch nicht in Form.

"Er ist fit, hat aber nicht die gleiche Vorbereitung machen können wie beispielsweise Groetzki. Er ist ein bisschen aus dem Rhythmus. Aber er braucht nur ein oder zwei solche Spiele, dann ist er wieder voll da", beruhigte Sigurdsson.

Beruhigen musste der Bundestrainer auch im Falle von Paul Drux. Der Berliner verletzte sich gegen Ende der ersten Halbzeit und wurde für den Rest der Partie nicht mehr eingesetzt. Sowohl Sigurdsson als auch Hanning erklärten später, dass sie nicht von einer ernsteren Verletzung ausgehen.

Die Zeit der Hausaufgaben

So geht der Blick nach vorne. In den nächsten beiden Spielen gegen Saudi-Arabien (Dienstag, 17.45 Uhr im LIVETICKER) und Weißrussland (Mittwoch, 17.45 Uhr im LIVETICKER) gilt es, das erste große Etappenziel nicht in Gefahr zu bringen - den Gruppensieg.

"Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Das haben wir gegen Ungarn getan, das haben wir gegen Chile getan. Nun müssen wir das auch gegen Saudi-Arabien und Weißrussland machen, sodass uns vielleicht im letzten Spiel ein Unentschieden reichen könnte, um Gruppensieger zu werden", gab Hanning die Richtung vor.

Die letzte Partie in der Gruppe C gegen Kroatien am Freitag (17.45 Uhr im LIVETICKER) wird aller Voraussicht nach darüber entscheiden, wo die Reise hingeht. Der Erste fährt direkt nach Paris, wo nicht nur das Achtel- und Viertelfinale, sondern auch das Halbfinale und das Endspiel stattfinden.

Der Gruppenzweite muss dagegen einen gewaltigen Umweg Richtung Süden in Kauf nehmen und die ersten beiden K.o.-Runden im knapp 900 Kilometer von Rouen entfernten Montpellier bestreiten. Darauf kann der DHB-Tross getrost verzichten.

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