Vor dem zweiten WM-Spiel gegen Chile (So., 14.45 Uhr im LIVETICKER) hat sich SPOX im deutschen Mannschaftsquartier mit Patrick Groetzki getroffen. Der Rechtsaußen sprach im Interview über den Auftaktsieg und die Ziele des Teams, den Abschied von Bundestrainer Dagur Sigurdsson und den großartigen Auftritt von Uwe Gensheimer.
SPOX: Herr Groetzki, Sie waren unmittelbar nach dem Spiel gegen Ungarn nicht wirklich zufrieden mit dem Auftritt der deutschen Mannschaft. Wie fällt Ihr Fazit denn mit ein wenig Abstand aus?
Patrick Groetzki: Mit dem Ergebnis können wir natürlich zufrieden sein. Es hat sich bewahrheitet, was wir bereits vorher wussten: nämlich dass Ungarn ein unbequemer Gegner ist. Diese Mannschaft ist überhaupt nicht mit der zu vergleichen, die im vergangenen Jahr bei der EM am Start war. Sie ist schon alleine von der personellen Situation her deutlich stärker einzuschätzen. Außerdem haben die Ungarn kurz vor der WM ihren Kader noch an einigen Stellen etwas überraschend verändert, weshalb wir eigentlich kein Videomaterial von der gesamten Mannschaft hatten. Trotzdem hätten wir besser in die zweite Halbzeit starten müssen.
SPOX: Ein Grund dafür waren die zu vielen Zeitstrafen, die sich das DHB-Team eingehandelt hat.
Groetzki: Das stimmt, ja. Das hätte uns so nicht passieren sollen. Entscheidender war meiner Meinung nach aber, dass wir in dieser Phase im Angriff zu wenig Tempo gemacht haben. Wir gingen nicht entschlossen genug in die Lücken, brachten die gegnerische Abwehr kaum in Bewegung. Wir haben es einfach nicht geschafft, den Schalter sofort umzulegen, weshalb es plötzlich ziemlich eng wurde.
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SPOX: Grundsätzlich fiel auf, dass die Kreisläufer im Angriff kaum in Szene gesetzt werden konnten. Woran lag das?
Groetzki: Ich habe das jetzt nicht so extrem gesehen. Richtig ist, dass die Ungarn eine hervorragende, massive Deckung mit vielen großen Spielern haben, die sich nicht so weit nach vorne locken lassen. Dadurch wird es eng. Das wird sich in den nächsten Spielen aber regeln lassen. Unsere Kreisläufer haben genug Qualität, um sich durchzusetzen. Und unsere Rückraumspieler sind in der Lage, sie mit Pässen zu versorgen. Da mache ich mir keine großen Sorgen.
SPOX: Einer der ganz entscheidenden Faktoren gegen Ungarn war die Leistung von Uwe Gensheimer. Wie haben Sie den Auftritt des Kapitäns nur fünf Tage nach dem Tod seines Vaters erlebt?
Groetzki: Uwes Auftritt hat mich total beeindruckt. Die aktuelle Situation ist für ihn natürlich alles andere als einfach, aber er hat den Schalter für 60 Minuten umgelegt und dann so ein Spiel abgeliefert. Ich weiß nicht, wie ihm das gelungen ist. Irgendwie hat er sich wahrscheinlich auch mit den vorhandenen Emotionen gepusht. Er war unglaublich.
SPOX: Es heißt, die Mannschaft hätte Gensheimer am Donnerstagabend besonders herzlich empfangen. Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Groetzki: Als Uwe eingetroffen war, hat Bundestrainer Dagur Sigurdsson für eine richtig schöne Aktion gesorgt. Er hat die gesamte Mannschaft zusammengerufen und wir haben dann Uwe alle gemeinsam als Team umarmt. Das hat ihm den Wiedereinstieg glaube ich schon ein bisschen erleichtert.
SPOX: An den vergangenen beiden Turnieren konnten Sie aus Verletzungsgründen quasi nicht teilnehmen. In Polen waren Sie gar nicht dabei, bei Olympia in Rio mussten Sie sehr früh abreisen. Wie gut tut es, nun wieder mittendrin in der Nationalmannschaft zu sein?
Groetzki: Das ist wunderschön. Ich habe immer alles gegeben für die Nationalmannschaft und habe mich in der Vorbereitung auf die WM meiner Meinung nach gut präsentiert. Und es macht natürlich immer gleich noch mehr Spaß, wenn man viel Spielzeit erhält. Dieses Vertrauen will ich zurückzahlen.
SPOX: Gegen Ungarn spielten Sie die kompletten 60 Minuten durch. Das wird sich ändern, sobald Tobias Reichmann wieder bei 100 Prozent ist. In welcher Rolle sehen Sie sich im Verlaufe des Turniers?
Groetzki: Ich weiß es noch nicht, da müssen wir jetzt einfach mal abwarten. Jeder weiß, dass Tobi ein sehr guter Spieler ist. So viel ist sicher. Aber ich gehe mal davon aus, dass das Turnier lange genug dauern wird, weshalb man uns beide gut gebrauchen können wird.
SPOX: Nach der WM werden die Karten ohnehin neu gemischt, weil der Bundestrainer den DHB in Richtung Japan verlässt. Welche Rolle spielt sein Abgang innerhalb der Mannschaft?
Groetzki: Ich weiß natürlich, dass es solche Diskussionen immer gibt, wenn ein Trainer vor dem Abschied steht. Aber als Mannschaft machen wir uns darüber keine Gedanken. Für uns zählt jetzt erst einmal, was hier bei der WM ist, der gesamte Fokus ist darauf gerichtet. Das nächste große Turnier steht dann ja erst in einem Jahr an. Das ist so ein weiter Weg, bis dahin bleibt noch genügend Raum, sich mit der Zeit nach dem Abgang von Dagur Sigurdsson zu beschäftigen.
SPOX: Dann bleiben wir im Hier und Jetzt. Im nächsten Spiel bekommt es Deutschland am Sonntag mit Chile zu tun, das in seiner ersten Partie überraschend gegen Weißrussland gewonnen hat. Besinnt man sich in so einem Spiel, in dem man klarer Favorit ist, auf die eigenen Stärken, oder beschäftigt man sich tatsächlich auch im Detail mit dem Gegner?
Groetzki: Wir werden alles genau so analysieren, wie wir das immer machen. Dagur Sigurdsson überlässt grundsätzlich nichts dem Zufall. Die Aufgabe ist eine ganz andere als gegen Ungarn, weil Chile für uns in gewisser Weise eine Unbekannte ist. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, jemals gegen Chile gespielt zu haben. Deshalb geht es schon darum, sich im Vorfeld mit der Mannschaft zu beschäftigen und sie erst einmal kennen zu lernen. Bisher kenne ich eigentlich nur die drei Feuchtmann-Brüder, auf alles Weitere wird man uns sicherlich noch einstellen. Aber es stimmt: Bringen wir unsere Qualität auf das Feld, werden wir diese Partie auch deutlich für uns entscheiden.
SPOX: Was dürfen wir im weiteren Verlauf vom DHB-Team erwarten, was springt am Ende heraus?
Groetzki: Wir wollen alle richtig viel, das kann ich versichern. Erstmal geht es darum, die Gruppe zu gewinnen, um eine sehr gute Ausgangsposition für das Achtelfinale zu haben. In den K.o.-Spielen ist es dann halt immer so eine Sache. Es kann gut laufen, es kann an einem Tag aber auch mal in die andere Richtung gehen. Das klare Ziel ist, ins Halbfinale zu kommen. Danach sieht man weiter.
Die WM 2017 im Überblick