SPOX: Lassen Sie uns auf die WM zurückblicken. Ihr Vater ist kurz vor dem Turnierstart gestorben, dennoch haben Sie sich gegen eine Absage entschieden. Das muss Ihnen furchtbar schwer gefallen sein.
Gensheimer: Ich habe einfach gewusst: Mein Vater hätte gewollt, dass ich die WM spiele. Das war für mich der wichtigste Punkt. Klar war es insgesamt schwierig, gleichzeitig hat es mir aber auch gut getan, in Frankreich dabei zu sein. Ich war so ein wenig abgelenkt, zudem hat mich die Mannschaft aufgefangen. Wenn ich alleine war, sind die Gedanken an meinen Vater aber natürlich sofort hochgekommen. Mir sind immer wieder die Tränen gekommen, für mich war es natürlich eine tragische Situation.
SPOX: Sie haben die Unterstützung der Teamkollegen bereits angesprochen. Deren Verhalten und das des DHB insgesamt war äußerst respektvoll und herzlich Ihnen gegenüber.
Gensheimer: Dieser Eindruck ist auf jeden Fall richtig. Mir wurde die Freiheit gelassen, selbst zu entscheiden. Niemand hat mich unter Druck gesetzt. Als ich wieder zum Team gestoßen bin, hat mich die Mannschaft geschlossen umarmt. Das war für mich ein Gänsehaut-Moment. Zudem hatte ich mit Patrick Groetzki einen Freund als Zimmerkollegen an meiner Seite. Die Jungs sind so respektvoll mit mir umgegangen - das hat mir sehr geholfen. Die Entscheidung, die WM zu spielen, war richtig. Auch wenn der sportliche Erfolg ausgeblieben ist.
SPOX: Sie sagen es. Nach einer tollen Vorrunde war im Achtelfinale gegen Katar Endstation. Was war das Problem?
Gensheimer: Wir haben unser mit Abstand schlechtestes Spiel zum komplett falschen Zeitpunkt abgeliefert. Wir waren zu nachlässig, haben teilweise überhastet und ungenau abgeschlossen, haben den Ball nicht gut laufen lassen. Das waren einfach zu viele technische Fehler. Umso länger die Partie dauerte, umso nervöser wurden wir. Das kannst du dir bei einem Turnier nicht erlauben. Man muss seine beste Leistung dann auf die Platte bringen, wenn es darauf ankommt. Das haben wir nicht geschafft. Und dann interessiert es auch keinen mehr, wie gut man in der Vorrunde war.
SPOX: Es war ein bitteres Ende für die Amtszeit von Dagur Sigurdsson. Wie bewerten Sie seine Verdienste um den deutschen Handball?
Gensheimer: Dagur hat uns zurück in die Weltspitze geführt. Er hat viele mutige Nominierungen getätigt, die sich als goldrichtig erwiesen haben. Er hat es geschafft, Spielern so viel Selbstvertrauen zu geben, dass sie selbst auf höchster Ebene Topleistungen gebracht haben. Seine gute Arbeit zeigte sich bereits beim ersten Turnier bei der WM in Katar, dann bei der EM in Polen und bei den Olympischen Spielen. Es ist wirklich schade, Dagur hätte ein schöneres Ende verdient gehabt.
SPOX: Nun übernimmt Christian Prokop. Was dürfen wir vom neuen Bundestrainer erwarten?
Gensheimer: Er hat in Leipzig gezeigt, dass er mit einer gewieften Taktik sehr viel aus einer Mannschaft herausholen kann. Ansonsten heißt es für uns als Mannschaft, den Bundestrainer in den kommenden Wochen und Monaten noch besser kennenzulernen. Mir ist vor der Zukunft der Nationalmannschaft jedenfalls überhaupt nicht bange.
SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss noch kurz über die HBL sprechen. Kiel ist quasi raus aus dem Titelrennen, Flensburg hat einen Minuspunkt weniger als die Rhein-Neckar Löwen aufzuweisen. Holt Ihr Ex-Klub erneut den Titel?
Gensheimer: Grundsätzlich traue ich es den Löwen natürlich zu. Wobei Flensburg in dieser Saison bislang einen sehr guten Eindruck macht. Für mich waren sie schon im Sommer der klare Titelfavorit, das ist jetzt nicht anders. Die werden mit dieser Mannschaft alles daran setzen, endlich wieder den Titel zu holen. Aber die Löwen müssen sich vor niemandem verstecken.
Uwe Gensheimer im Steckbrief