Mit seinen zerzausten schwarzen Haaren sieht Christian Prokop immer so aus, als hätte er gerade ein kleines Nickerchen hinter sich. Dabei ist der Bundestrainer der deutschen Handballer hellwach, unter dem wirren Haarschopf lauert ein messerscharfer Verstand. "Ich bin ein Verfechter der intelligenten, beweglichen Abwehr", sagte Prokop nach dem 25:20 (14:10) gegen Slowenien und der damit verbundenen Qualifikation für die EM 2018 in Kroatien. Getreu der alten Handball-Weisheit: Der Angriff wirft Tore, die Abwehr gewinnt Spiele.
Genau so war es am Samstag in Halle/Westfalen, wo 9000 Zuschauer statt einer Handball-Gala einen hart erkämpften Arbeitssieg der deutschen Mannschaft sahen. Der Angriff, der noch beim 32:23-Sieg am vergangenen Mittwoch in Ljubljana wie aus dem Lehrbuch gewirbelt hatte, wurde von der humorlosen slowenischen Deckung entzaubert. Kapitän Uwe Gensheimer sah auf Linksaußen überhaupt kein Land und stand am Ende nur mit einem Treffer vom Siebenmeterpunkt zu Buche - im Hinspiel hatte er elfmal ins slowenische Tor getroffen.
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Dass es mit dem Sieg und der vorzeitigen EM-Qualifikation in Halle nicht noch eng wurde, dafür sorgte dann eben die Abwehr um den hünenhaften Innenblock mit Zwei-Meter-Mann Finn Lemke, Hendrik Pekeler und dem bulligen Patrick Wiencek, der sein 100. Länderspiel bestritt. "Eine kompakte Abwehr ist der Schlüssel des Spiels", sagte Prokop: "Für viele bedeutet Kompaktheit, hinten stehen und den Gegner kommen lassen, aber das bedeutet es nicht." Künftig wolle er seine Abwehr "offensiver und gegnerorientierter" ausrichten - damit die beiden auch am Samstag wieder herausragenden Torhüter Andreas Wolff und Silvio Heinevetter "so wenig wie möglich eingreifen müssen".
Prokop setzt auf Allrounder
Im Spielaufbau muss Prokop vor allem personell ein bisschen tricksen. "Wir haben im Nachwuchsbereich zurzeit keinen Domagoj Duvnjak", sagte der Bundestrainer mit Blick auf den Weltklasse-Regisseur des THW Kiel. Deshalb setzt Prokop auf Allrounder, die nicht nur auf der Mittelposition, sondern in der gesamten Breite des Rückraums ihre Stärken haben: "Spielsteuerung, Taktik, Torgefahr, da fallen mir sofort Paul Drux, Steffen Fäth, Philipp Weber, Niclas Pieczkowski ein."
Prokop scheut sich auch nicht vor unpopulären Maßnahme. Europameister Jannik Kohlbacher erhielt beispielsweise in den beiden Begegnungen gegen die Slowenen kaum Spielanteile, was Prokop sofort begründete: "Seine Leistung im Deckungsverbund reicht mir noch nicht aus, und ich wollte im Hinblick auf die EM-Qualifikation keine Experimente machen."
Für Experimente hat der Bundestrainer nun in den beiden noch ausstehenden Spielen in der Qualifikationsgruppe 5 in Portugal (14. Juni) und in Bremen gegen die Schweiz (18. Juni) ausreichend Zeit, obwohl er sofort klarstellte, dass "mir die Situation zwar ein bisschen Spielraum gibt, aber die große Linie werden wir nicht verlassen".
Gewinnen wollen er und seine Bad Boys jedes Spiel, daran ließ auch Abwehrrecke Finn Lemke keinen Zweifel: "Die EM-Qualifikation war wichtig für das Mantra, jetzt wollen wir weitere Siege für das Gefühl." Das könnte derzeit kaum besser sein.