"Perspektive 20+": So heißt das im November 2015 veröffentlichte Strategiekonzept des Deutschen Handballbundes. Darin hält der DHB fest, dass es im Männerbereich bei jeder WM und EM das Ziel ist, um Medaillen mitzuspielen. Für 2020 steht gar das klar formulierte Ziel Olympiasieg auf der Agenda.
An diesen Vorgaben muss sich der DHB messen lassen. Allerdings fällt auf, dass Anspruch und Wirklichkeit in den vergangenen Jahren häufig nicht zusammenpassen. Seit dem großartigen Jahr 2016, als unter dem damaligen Bundestrainer Dagur Sigurdsson der EM-Titel in Polen und Bronze bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro gewonnen wurden, gab es keine Medaille mehr.
Bei der WM 2017 wurde Deutschland unter Sigurdsson Neunter, bei der EM 2018 im ersten Turnier unter Christian Prokop sprang ebenfalls Rang neun heraus. Es folgte Platz vier bei der Heim-WM im vergangenen Jahr und bei der nun laufenden EM ist schon jetzt maximal noch der fünfte Platz realistisch.
Prokops Ausbeute als Bundestrainer ist mau
Prokops Ausbeute als Bundestrainer ist damit mau. Die EM 2018 war vom ersten bis zum letzten Spiel ein einziger Krampf. Die WM 2019 war größtenteils mitreißend, wobei das nackte Ergebnis mit Platz vier letztlich das Minimum dessen war, was eine Handball-Nation wie Deutschland bei einem Turnier im eigenen Land erreichen muss.
Und die diesjährige EM wirft wieder mehr Fragen als Antworten auf. Warum spielt die Mannschaft in der Vorrunde in Trondheim im Gegensatz zu den beiden bisherigen Hauptrundenspielen in Wien dermaßen desolat? Liegt es wirklich nur am zur Verfügung stehenden Personal, dass im Angriff immer wieder keine Lösungen gefunden werden? Ist das Verhältnis zwischen der Mannschaft und Prokop tatsächlich okay? Ist der Bundestrainer in der Lage, die Truppe konstant emotional zu erreichen?
Ziel Olympiasieg nicht mehr als eine Spinnerei
Es wäre jedenfalls fatal, das über weite Strecken starke Spiel gegen Kroatien dafür zu nutzen, die Lage schönzureden. Fakt ist: Siege gegen die Niederlande, Lettland und Weißrussland sind für eine deutsche Nationalmannschaft bei einem Turnier Pflicht. Fakt ist auch: Aus den beiden entscheidenden Partien gegen Spanien und Kroatien stehen zwei Niederlagen zu Buche. Dabei enttäuschte das DHB-Team einmal auf ganzer Linie und gab einmal ein schon gewonnen geglaubtes Spiel aus den Händen.
Bei der EM war die DHB-Auswahl also mal wieder ein gutes Stück weit davon entfernt, um die Medaillen mitzuspielen. Das Ziel Olympiasieg 2020 ist aktuell nicht mehr als eine Spinnerei, zumal im April zunächst das Olympiaqualifikationsturnier in Berlin erfolgreich bestritten werden muss.
Das scheint auch der DHB-Vizepräsident zu wissen. Am Montag "wird sich zeigen, was diese Mannschaft mit ihrem Trainer macht", sagte Bob Hanning am Sonntag im deutschen Mannschaftsquartier in Wien. Dazu könnte passen, dass der Name Alfred Gislason seit Wochen als möglicher neuer Bundestrainer durch die Gegend geistert. Folgender Eindruck bleibt: Gegen Österreich geht es um Prokops Job.