Alfred Gislason scharrte seine Handballer um sich. Viele Worte brauchte der Bundestrainer nicht. Die neuerlichen Corona-Turbulenzen störten die Vorbereitung auf das Vorrundenfinale bei der EM empfindlich - doch beim Abschlusstraining am Montagnachmittag strahlte der Trainerfuchs ganz viel Ruhe aus. "Wir schaffen es, den Fokus auf das Sportliche zu lenken", versicherte DHB-Sportvorstand Axel Kromer am Rande der Einheit.
Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Polen am Dienstag (18.00 Uhr/ZDF) war das Gislason-Team zum zweiten Mal binnen 48 Stunden durch einen Coronafall aufgeschreckt worden. Nachzügler Hendrik Wagner wurde nach seiner Ankunft in Bratislava positiv auf das Virus getestet. "Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagte er.
Glück im Unglück: Wagner, der eigentlich den am Samstag positiv getesteten Rückraumshooter Julius Kühn im Kader ersetzen sollte, hatte nach Verbandsangaben noch keinen Kontakt zur restlichen deutschen Delegation. "Mir geht es aktuell körperlich gut, aber die letzten Stunden waren eine emotionale Achterbahnfahrt", sagte der Zweitligaspieler von den Eulen Ludwigshafen.
Beim Mittagessen hatte Kromer die DHB-Auswahl über die Infektion des Rückraumspielers informiert. "Die Jungs waren sehr überrascht. Manche haben gedacht: Der Kromer macht einen Witz. In dem Fall war das leider ernst gemeint", sagte der Delegationsleiter.
Für Gislasons Team kommen die Probleme zur Unzeit. In der Partie gegen Polen kämpft das DHB-Team schließlich um mehr als nur den Gruppensieg. Da die Punkte aus dem Polen-Spiel definitiv mit in die nächste Turnierphase genommen werden, geht es schon um die deutschen Halbfinalchancen.
Weiterhin unklar, wo sich Kühn angesteckt haben könnte
Nach den beiden klaren Erfolgen gegen Belarus (33:29) und Österreich (34:29) rückt nun jedoch Corona mehr denn je in den Mittelpunkt. "Es stellt für ihn und unsere sportliche Qualität vielleicht ein Problem dar. Es besteht aber Gott sei Dank kein Risiko für die Delegation", bekräftigte Kromer. Die weiteren PCR-Tests der deutschen Delegation fielen durchweg negativ aus.
Dennoch wachsen die Sorgen stetig, da weiterhin unklar ist, ob Kühn nicht weitere Spieler angesteckt haben könnte. Der DHB-Torjäger hält sich in einem Quarantänehotel in Flughafennähe so gut es geht fit, um für eine mögliche Rückkehr gewappnet zu sein.
Bereits Kühns Fall hatte die Sinne im deutschen Team geschärft. "Der positive Befund hat viel durcheinander geworfen", sagte Kapitän Johannes Golla nach dem Österreich-Spiel und nannte die Infektion des Rückraumspielers eine "Schocknachricht" für die Mannschaft. Man habe sich "vorher sicher gefühlt, weil wir uns streng an alle Vorgaben gehalten haben".
Dieses Gefühl der Sicherheit ist nach auch Wagners Infektion erst recht dahin. "Am Abend nimmt man das Thema auch mit ins Bett", sagte etwa Luca Witzke: "Es kann jeden erwischen, das weiß jeder von uns." Und auch Christoph Steinert stimmt die momentane Lage nachdenklich. "Die Situation geht einem nicht so einfach aus dem Kopf. Man spürt, dass die Einschläge näher kommen", so der Linkshänder.
Ein positives Testergebnis muss nicht gleichbedeutend mit dem EM-Aus sein muss. Kühn könnte nach überstandener Quarantäne mit zwei negativen PCR-Tests also theoretisch schon im Laufe der am Donnerstag startenden Hauptrunde wieder mit von der Partie sein. In erster Linie hofft das Team jedoch, dass keine weiteren Fälle hinzukommen.