Außerdem berichtet der 22-jährige Offensivspieler vom Erfolgslauf der österreichischen Nationalmannschaft und von BVB-Neuzugang Felix Nmecha, der ihm in Wolfsburg als regelmäßiger Schere-Stein-Papier-Gegner gedient hat.
Herr Wimmer, mit welchen Zielen starten Sie in die neue Saison?
Patrick Wimmer: Wir haben das gleiche Ziel wie vor der letzten Saison: Am Ende auf einem internationalen Startplatz zu stehen. Letztes Jahr haben wir es leider knapp verpasst.
Genau wie für Sie ist es auch für Trainer Niko Kovac die zweite Saison in Wolfsburg. Wie erleben Sie ihn?
Wimmer: Er hat sehr viel Erfahrung. Wir haben uns unter ihm gut entwickelt. Wenn wir seinen Plan umsetzen, werden wir am Ende besser dastehen als in der letzten Saison. Das ganze Trainerteam ist sehr nah an der Mannschaft. Die Trainer sind oft in der Kabine und sprechen mit uns. Niko und Robert häkeln sich auch gerne gegenseitig. Meistens geht es darum, wer früher als Spieler in der Abwehr weniger zugelassen hat.
Apropos "häkeln", das österreichische Wort für "ärgern". Mit welchen aktuellen oder ehemaligen Mitspielern hatten Sie im Laufe Ihrer Karriere bisher am meisten Spaß?
Wimmer: Bei der Austria gab es eine lustige Gruppe um Manprit Sarkaria und Dominik Fitz. Bei der Arminia ging es eher ruhiger zu. Hier in Wolfsburg haut Max Arnold gerne mal einen Spruch raus. Mit ihm verstehe ich mich sehr gut.
Sie haben in einem Interview auch mal von sich behauptet, dass Sie "eine große Klappe" haben. Wie äußert sich das?
Wimmer: Wenn ich etwas sagen will, dann sage ich es auch - egal ob negativ oder positiv. Diesbezüglich bin ich vielleicht etwas anders als Spieler, die ruhiger sind oder zum Beispiel in Akademien ausgebildet wurden und schon früh ein Medientraining absolviert haben. (schmunzelt)
Sie sind in Österreich auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wie denken Sie an Ihre Kindheit zurück?
Wimmer: Zuhause war es sehr schön. Und mit meinen Freunden hatte ich immer einen unglaublichen Spaß. Wir haben auch mal Blödsinn gemacht, aber das gehört dazu.
Was genau?
Wimmer: Das muss geheim bleiben. (lacht) Ansonsten wissen die Leute dort sofort, dass wir für gewisse Streiche verantwortlich waren.
Mussten Sie am Bauernhof auch mithelfen?
Wimmer: Als ich groß genug dafür war, hatten wir nicht mehr so viele Tiere. Da lag der Fokus auf dem Holz- und Weinanbau. Ich habe alles gemacht: Bäume beschneiden, Holz zerkleinern und spalten, den Weinanbau pflegen.
Und das Erzeugnis auch trinken?
Wimmer: Ja, mir schmeckt Wein.
Könnten Sie sich vorstellen, nach Ihrer Karriere in dieses Leben zurückzukehren?
Wimmer: Auf jeden Fall könnte ich mir das vorstellen. Das ist ein schönes, entspanntes Leben.
Stimmt es, dass Sie zeitweise eine Karriere als Gewichtheber angestrebt haben?
Wimmer: Ja, bis zum Alter von 13 Jahren war ich Gewichtheber. In meiner Schule musste jeder Schüler zwei Sportarten auswählen. Fußball war klar. Dann habe ich mit meinen Freunden überlegt, was wir als Zweites nehmen. Es gab nicht so viele spannende Möglichkeiten, also haben wir uns zu viert beim Gewichtheben angemeldet.
Wie ging es weiter?
Wimmer: Mein Trainer hat mich ziemlich gepusht. Ich bin bei internationalen Gewichtheber-Turnieren angetreten und habe immer gewonnen. In meiner Gewichtsklasse war ich europaweit konkurrenzfähig. Ich war damals ein bisschen bulliger, hatte ein paar mehr Kilos drauf.
Hat das Gewichtheben Ihre Spritzigkeit oder Beweglichkeit beim Fußball beeinträchtigt?
Wimmer: Ganz im Gegenteil. Ich weiß nicht, wer den Mythos in die Welt gesetzt hat, dass Krafttraining die Spritzigkeit behindert. Das stimmt gar nicht.
Wann und warum haben Sie mit dem Gewichtheben aufgehört?
Wimmer: In meinem vierten Jahr dort musste ich mich zwischen Gewichtheben und Fußball entscheiden. Dann wären beim Gewichtheben noch größere Turniere angestanden. Dafür hätte ich den Fußball vernachlässigen müssen, aber das wollte ich nicht. Stattdessen bin ich mit meinen Kumpels zum Golf gewechselt. Aber da war ich nicht so erfolgreich.
Im Fußball haben Sie einen für die heutige Zeit ungewöhnlichen Werdegang hingelegt: Sie waren nie an einer Akademie, haben dafür mit 17 Jahren in der 4. Liga gespielt.
Wimmer: Ich habe mal bei der Akademie in St. Pölten vorbeigeschaut. Damals gab es aber zu viele Anmeldungen und außerdem hatte ich eine kleine Verletzung. Zeitgleich hat sich AFW Waidhofen gemeldet, wo ich dann hingegangen bin.
Über den Viertligisten SV Gaflenz sind Sie schließlich bei der Wiener Austria gelandet.
Wimmer: Das habe ich dem Unternehmer Raimund Harreither zu verdanken. Er hat seinen Firmenstandort in Gaflenz, war Sponsor bei uns, aber auch bei der Austria. Ich bin ihm bei einem Spiel aufgefallen, woraufhin er dafür gesorgt hat, dass mich ein Scout von der Austria beobachtet. So hat sich das ergeben. Für meine Entwicklung war dieser Weg perfekt.
Bei einem Viertligisten trinkt man nach einem Spiel wohl auch mal im Mannschaftskreis ein Bier. Vermissen Sie das?
Wimmer: Nach jedem Training und jedem Spiel gab es Bier. Klar vermisse ich diese Zeit manchmal. Aber es heißt ja nicht, dass wir das hier nicht auch mal machen können.
Ja?
Wimmer: Wir sind schon gelegentlich mit der Mannschaft unterwegs und haben Teamabende.
Teil der Mannschaft war in der vergangenen Saison noch Felix Nmecha, der für 30 Millionen Euro zu Borussia Dortmund gewechselt ist. Hat Sie die hohe Ablösesumme überrascht?
Wimmer: Überhaupt nicht. Felix hat eine super Saison gespielt und kann sich auf jeden Fall auch noch weiterentwickeln. Dortmund wird viel Spaß an ihm haben.
Was zeichnet ihn aus?
Wimmer: Felix ist ein unglaublicher Fußballer. Er hat gute Körpertäuschungen, ein gutes Tempo, eine gute Größe, ist athletisch und hat mit dem Ball am Fuß immer eine Idee. Ein richtiger Allrounder.
Wie tickt er menschlich?
Wimmer: Felix hat immer ein Grinsen im Gesicht, ist ein sehr lustiger Typ. Man kann sich gut mit ihm unterhalten oder Spiele spielen.
Welche Spiele denn?
Wimmer: Wir spielen in Wolfsburg sehr viel Schere-Stein-Papier. Um alles mögliche: Beispielsweise, wer die Gymnastikmatten holen oder wegräumen muss. Da war er ein häufiger Gegner von mir.
Im Zuge seines Wechsels gab es große Diskussionen über sein Social-Media-Verhalten, das homophobe Ansichten nahelegt. War das in Wolfsburg Thema in der Mannschaft?
Wimmer: Felix ist bekanntlich sehr gläubig, aber das war bei uns in der Mannschaft absolut kein Thema.
Im österreichischen Nationalteam waren Sie zuletzt gesetzt. Nach drei Siegen und einem Remis rangiert Ihre Mannschaft an der Tabellenspitze der EM-Qualifikationsgruppe F, es herrscht eine große Euphorie im Land. Wie erleben Sie das?
Wimmer: Die Ausgangslage ist gut, aber wir sind noch nicht qualifiziert. Wir haben eine super Mannschaft und können viel erreichen. Es fühlt sich gut an, ein Teil davon zu sein.
Einen großen Anteil an der Entwicklung hat Teamchef Ralf Rangnick.
Wimmer: Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Trainer passt sehr gut. Wir haben viele Spieler, die das Red-Bull-Gen in sich haben - also genau wissen, wie Ralf Rangnick spielen lassen will. Das ist auch mein Spiel, obwohl ich bei keinem RB-Klub war. Wir gehen in jeden Zweikampf voll rein und haben mit dem Ball alle Freiheiten.
Im November treffen Sie mit Österreich in einem Testspiel auf das DFB-Team, das sich kurz vor der Heim-EM in einer tiefen Krise befindet.
Wimmer: Das wird ein sehr besonderes Spiel. Aber die Deutschen werden sich schon wieder fangen. Spätestens bei der EM werden sie die Leistung abrufen, die jeder von ihnen erwartet.
Patrick Wimmer: Seine Karriere-Stationen
Zeitraum | Klub | Pflichtspiele | Tore | Assists |
2019 bis 2021 | FK Austria | 57 | 8 | 8 |
2021 bis 2022 | Arminia Bielefeld | 32 | 3 | 10 |
seit 2022 | VfL Wolfsburg | 31 | 4 | 8 |