Am vergangenen Donnerstag war es endlich soweit: Alejandro Grimaldo feierte im Alter von 28 Jahren, einem Monat, drei Wochen und sechs Tagen sein Debüt für die spanische Nationalmannschaft. Beim 3:1-Sieg in der EM-Qualifikation gegen Zypern stand er über die vollen 90 Minuten auf dem Rasen und bereitete das 2:0 vor. Mit einer präzisen Hereingabe von halblinks bediente der Linksverteidiger in der Mitte Teamkollege Mikel Oyarzabal, der frei vor dem Kasten nur noch einschieben musste.
Überhaupt lieferte Grimaldo bei seinem ersten Spiel im Trikot der La Furia Roja einen starken Auftritt ab. So stark, dass sich auch die spanische Medienlandschaft wunderte, wieso dieser jahrelang auf eine Berufung für die A-Nationalmannschaft hatte warten müssen.
Die Mundo Deportivo schrieb, Grimaldo sei "eine Art Debütanten-Lügner. Es ist nicht so, dass der Außenverteidiger von Bayer Leverkusen die Unwahrheit gesagt hätte, aber man kann mit Fug und Recht behaupten, dass seine Leistung nicht zu jemandem passt, der noch nie das Trikot der Nationalmannschaft getragen hat."
Übersetzt heißt das so viel wie: Grimaldo war viel besser, als er es hätte sein dürfen. Der Bayer-Star habe die Taktik von Trainer Luis De la Fuente perfekt umgesetzt, "und zwar einfach so, als hätte er schon sein ganzes Leben lang für die Nationalmannschaft gespielt."
Alejandro Grimaldo: Beim FC Barcelona einst weggeschickt
Tatsächlich dürften sich viele Klubs, die aktuell gegen Bayer Leverkusen und den 28-Jährigen antreten müssen, genau diese Frage stellen. Wie zur Hölle konnte Grimaldo so dermaßen einschlagen? Schließlich zeigt er Leistungen wie gegen Zypern im B04-Trikot wie am Fließband. In seinen wettbewerbsübergreifend 17 Pflichtspielen kommt der Spanier auf starke 14 Torbeteiligungen (acht Tore, sechs Vorlagen). Für viele ist er deshalb schon jetzt DER Transfer der vergangenen Transferperiode - und möglicherweise sogar eine der besten Verpflichtungen eines Bundesligaklubs der Geschichte.
Dabei galt die Karriere von Grimaldo zwischenzeitlich schon als gescheitert. Ausgebildet in der Jugendakademie des FC Barcelona durchlief er bei den Katalanen von der U16 bis Barcelona B sämtliche U-Mannschaften, einen Durchbruch bei den Profis traute man ihm bei Barça aber nicht zu. Im Alter von 21 Jahren floh er deshalb nach Portugal zu Benfica Lissabon, im Gegenzug flossen 2,1 Millionen Euro Ablöse nach Spanien.
Beim portugiesischen Rekordmeister lesen sich seine Zahlen in sieben Jahren keineswegs schlecht - in 303 Spielen erzielte er 27 Treffer und bereitete 66 Tore vor - von seiner Leverkusen-Quote ist er aber Lichtjahre entfernt. Dementsprechend ruhig blieb in dieser Zeit auch die Gerüchteküche um den Linksverteidiger. Im vergangenen Sommer klopfte Juventus Turin beim Spanier an, abgesehen davon blieben konkrete Bemühungen von europäischen Topklubs aber weitestgehend aus.
Letztlich kam es dann aber doch noch zu einem Vereinswechsel. Grimaldo suchte nach seiner Zeit in Portugal eine neue sportliche Herausforderung und schloss sich ablösefrei den Leverkusenern an, die den 28-Jährigen als neuen Linksverteidiger präsentierten - seit dem Abgang Wendells 2021 so etwas wie die Problemposition bei der Werkself. Zwar soll Grimaldo von Leverkusen ein Handgeld von rund sieben Millionen Euro erhalten haben, doch allein durch den Verkauf von Vorgänger Mitchel Bakker zu Atalanta Bergamo hat Bayer rund zehn Millionen Euro eingenommen. Ein zweifellos überragendes Geschäft. Angekommen in Deutschland brauchte der Spanier keinerlei Eingewöhnungszeit, hatte vom 1. Spieltag an seinen Stammplatz sicher und liefert seitdem konstant gut ab.
Alejandro Grimaldos Spielstil passt perfekt zu Xabi Alonso
Gründe für Grimaldos guten Start beim Bundesligisten gibt es viele, der Schlüsselfaktor ist jedoch zweifelsohne das perfekte Zusammenspiel zwischen ihm und Leverkusen-Trainer Xabi Alonso, in dessen taktischen Vorstellungen der Linksverteidiger eine zentrale Rolle spielt. "Wenn man einen Coach von Xabis Niveau hat, wird man jeden Tag besser. Er redet viel mit mir und weiß, wie man Figuren perfekt platziert. Er zeigt mir, wie ich mich auf den Positionen, die ich spiele, wohlfühlen kann", schwärmte Grimaldo von seinem nur knapp 14 Jahre älteren Landsmann. Alonso kenne "meine Stärken und sorgt dafür, dass ich sie ausnutze."
Und in der Tat ist das System, welches Alonso bei Leverkusen spielen lässt, wie für Grimaldo geschaffen. Im asymmetrischen 3-5-2 kommt ihm nominell die Rolle des linken, offensiven Außenverteidigers zu, der B04-Coach versteht es aber, ihm die nötigen Freiheiten zu lassen, um seine Stärken voll und ganz ins Spiel der Werkself einbringen zu können. So agiert Grimaldo im Gegensatz zu seinem Pendant Jeremie Frimpong auf der anderen Seite deutlich zentraler. Während der Niederländer meistens nur die rechte Seite beackert und mit Hereingaben in den Sechzehner seine Mitspieler sucht, wird dem Spanier oftmals die Rolle als eine Art vertikaler Spielmacher zuteil.
Neben seinen individuellen Fähigkeiten im Eins gegen Eins besitzt Grimaldo nämlich ein ausgezeichnetes Gespür für die entstehenden Strukturen in Angriffssituationen, welche er wahlweise mit kurzen, schnellen Antritten in die Spitze oder aber mit punktgenauen Bällen in die Tiefe einleitet. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf eine vertikale Rolle entlang der Seitenlinie, sondern beweist auch eine taktische hohe Veranlagung, indem er zielstrebig den freien Raum in der Halbspur nutzt - sowohl mit als auch ohne Ball.
"Alejandro ist nicht der vertikale Spieler wie es Jeremie Frimpong ist oder Arthur sein kann", schilderte Bayers Sportchef Simon Rolfes kürzlich in einem Interview mit dem kicker und verglich Grimaldo mit den beiden Rechtsverteidigern im Leverkusener Kader. "Als wir ihn verpflichtet haben, war klar, dass er kein Spieler ist, der ständig auf Linksaußen ins Eins gegen Eins geht. Spielkontrolle zu haben und das Spiel aufzuziehen - das passt zu uns als Mannschaft und zu ihm als Spielertyp. Er ist ein extrem spielintelligenter, ballsicherer und fleißiger Spieler."
Generell ist Grimaldo unglaublich aktiv auf dem Platz, läuft durchschnittlich knapp 11,5 Kilometer pro Partie* und liegt mit 125,88 gelaufenen Kilometern nach elf Spieltagen* auf Platz neun in der Bundesliga-Rangliste der laufstärksten Spieler. Dank seiner individuellen Freiheiten dringt er gerne in den gegnerischen Strafraum ein und bietet sich im Rücken seines Gegenspielers für potenzielle Abschlussaktionen an. Darüber hinaus bringt sich der 28-Jährige oftmals auch für zweite Bälle in passende Situationen. Alleine seine vier Treffer nach Fernschüssen stellen den absoluten Höchstwert aller Spieler aus den europäischen Top-5-Ligen* dar. Gepaart wird diese Torgefahr mit einer glänzenden Technik bei ruhenden Bällen - schon zweimal traf Grimaldo per direktem Freistoß.
Trotz alldem besitzt der Spanier für einen derart offensiv ausgerichteten Spieler auch Qualitäten im Spiel gegen den Ball. Grimaldo gewinnt 54 Prozent seiner Defensivzweikämpfe (in insgesamt 74 Duellen)*, sein Stellungsspiel bei Gegenstößen kann sich ebenfalls sehen lassen. Echte Schwächen besitzt er lediglich in der Luft, hier geht er - auch aufgrund seiner geringen Körpergröße von 1,71 Meter - aus lediglich 29 Prozent aller Duelle als Sieger hervor*.
*Daten via OPTA.
Alejandro Grimaldo bei Topklubs begehrt: "Würde gerne zurückkehren"
"Im Moment bin ich in Leverkusen. Ich bin seit drei Monaten hier, und alles läuft super", zeigte sich Grimaldo auch selbst zufrieden mit seiner bislang in allen Belangen äußerst beeindruckenden Saison. Auch beim Werksklub ist man sehr happy mit dem Spanier, wenngleich sich die Frage stellen wird, wie lange Grimaldo solche Auftritte noch im Bayer-Trikot abliefern wird. Die Leistungen des Linksverteidigers sind in Europa nämlich logischerweise nicht unbeachtet geblieben, viele Klubs nehmen Grimaldo dem Vernehmen nach genauer unter die Lupe.
Schon vor der laufenden Saison war beispielsweise der BVB einer von ihnen. Einem Bericht von Sport1 zufolge wurde Grimaldo den Dortmundern sogar angeboten, Sportdirektor Sebastian Kehl hatte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings schon auf eine Verpflichtung von Gladbachs Ramy Bensebaini festgelegt, den man letztlich auch als Nachfolger für den zum FC Bayern abgewanderten Raphaël Guerreiro holte. Ein Schachzug, der aus BVB-Sicht bislang kaum aufgegangen ist. Während Grimaldo Woche für Woche Top-Leistungen abruft, steht Bensebaini nach 14 Spielen bei einer mickrigen Torvorlage. Zuletzt verlor er sogar seinen Stammplatz.
Wirklich heiß soll die Spur aber in Richtung Spanien sein. Dort kommen vor allem die beiden Topklubs Real Madrid und der FC Barcelona in Frage, für die sich Grimaldo nach eigener Aussage auch vorstellen könnte, zu spielen. "Ich habe immer gesagt, dass ich gerne zu Barça zurückkehren würde", sagte er bei Jijantes FC Anfang November. "Ich bin dort als Spieler groß geworden und ich bin sehr froh, dass ich dort meine Ausbildung machen durfte."
Nur eine Woche später heizte er die Gerüchteküche dann weiter an und brachte sich auch bei den Königlichen ins Gespräch. "Real Madrid ist eine der besten Mannschaften der Welt, wenn nicht die beste. Und es ist eine Mannschaft, zu der jeder Spieler hin will", sagte der Spanier dem Portal OK Diario. Die Tageszeitung Marca deutete die brisant Sätze am Mittwoch prompt als "Liebeserklärung" an die Königlichen. Brisant einerseits aufgrund seiner Vergangenheit als La-Masia-Schüler, andererseits da Real tatsächlich auf der Suche nach einem Linksverteidiger für das kommende Jahr ist.
Möglich ist diesbezüglich auch ein Wechsel zum FC Bayern München, der nach Informationen von Transferexperte Ekrem Konur ebenfalls Interesse angemeldet haben soll. Bei deutschen Rekordmeister könnte Grimaldo Alphonso Davies ersetzen, sollte dieser seinen Vertrag beim FCB nicht verlängern und tatsächlich einen Transfer nach Madrid anstreben wollen.
Bis es soweit ist, werden noch viele Monate vergehen. Solange will sich Grimaldo voll und ganz auf Leverkusen fokussieren. "Im Moment bin ich in Leverkusen. Ich bin seit drei Monaten hier und bisher lief alles wunderbar. Wir müssen weiter hart arbeiten. Der Klub hat viel Vertrauen in mich gesetzt. Sie haben mir gesagt, dass sie sehr gute Spieler verpflichten werden, und so ist es auch gekommen. Ich bin sehr zufrieden mit der Entscheidung, die ich getroffen habe", sagte er vor wenigen Tagen in einem Interview. Was die Zukunft darüber hinaus bringen wird, "das werden wir dann sehen."
Alejandro Grimaldo: Leistungsdaten 2023/24
Wettbewerb | Spiele | Tore | Assists | Gelbe Karten | Gespielte Minuten |
Bundesliga | 11 | 6 | 5 | - | 985 |
Europa League | 4 | 2 | - | - | 280 |
DFB-Pokal | 2 | - | 1 | 1 | 116 |
GESAMT | 17 | 8 | 6 | 1 | 1.381 |