Ein Fiasko für den FC Bayern München? Die Debatte um die Gehälter wird falsch geführt

Von Justin Kraft
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Der FC Bayern München hat ein schlechtes Gehaltsgefüge, heißt es. Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic hätten den FCB in eine schwierige Situation gebracht. Aber wie schlimm ist die Situation für den Rekordmeister wirklich?

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"Es droht ein finanzielles Fiasko", titelte der kicker am Montag über einem Text, der sich mit den drei möglichen ablösefreien Abgängen von Leroy Sané, Alphonso Davies und Joshua Kimmich im Sommer 2025 befasst.

Der Grund? "Altlasten", wie es das Fachmagazin nennt: Zu hohe Gehälter, "die vormals völlig unnötig durchgewunken wurden". Und das eben nicht nur bei den genannten Spielern.

Ex-Sportvorstand Hasan Salihamidzic hätte mit seinem Team gar das Leistungsprinzip in den Hintergrund gerückt. Aber wie sehr gleicht die aktuelle Situation wirklich einem sich anbahnenden wirtschaftlichen "Fiasko" und ist die vor allem aus heutiger Perspektive getroffene Bewertung, die vielerorts vorherrscht, überhaupt gerechtfertigt?

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FC Bayern München: Hohe Gehälter? Die Faktenlage

Der FC Bayern zahlt im europäischen Vergleich in der Tat sehr gut. Laut der Datenbank Capology, die ihre Zahlen nach eigenen Angaben aus Insiderquellen und Medienberichten hat, verdienen derzeit acht Spieler zwischen 17 und 25 Millionen Euro. Harry Kane bildet dabei die Spitze, Kingsley Coman das untere Ende der Spitzenklasse.

FC Bayern München: Die Topverdiener des FCB (Quelle: Capology)

Spieler (Alter)Gehalt pro Jahr
Harry Kane (31)25 Millionen Euro
Manuel Neuer (38)21 Millionen Euro
Thomas Müller (34)20,5 Millionen Euro
Leroy Sané (28)20 Millionen Euro
Joshua Kimmich (29)19,5 Millionen Euro
Serge Gnabry (29)18,87 Millionen Euro
Leon Goretzka (29)18 Millionen Euro
Kingsley Coman (28)17 Millionen Euro

Die Quantität der Topverdiener ist in der europäischen Elite durchaus eine Besonderheit. Bei Real Madrid gibt es beispielsweise nur vier bis fünf Spieler, die 17 Millionen Euro oder mehr pro Jahr verdienen - bei Federico Valverde ist unklar, ob er diese Summe knackt, Kylian Mbappé ist mit rund 31 Millionen Euro der Topverdiener.

Beim FC Barcelona sind es drei Spieler, dafür mit Robert Lewandowski (33 Millionen Euro) und Frenkie de Jong (37,5 Millionen Euro) zwei Extremfälle. Selbst bei Manchester City (vier Spieler) und Paris Saint-Germain (zwei Spieler) sind es nur wenige Akteure, die die 17 Millionen Euro knacken.

Allein mit Blick auf das aktuelle Gehaltsgefüge der Bayern ist die Kritik also fair. Insbesondere dann, wenn man die aktuelle sportliche Situation mit einbezieht.

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FC Bayern München: Zu viele sportliche Wetten verloren

Denn Vertragsverlängerungen und Transfers sind immer auch sportliche Wetten. Verlängert man den Vertrag eines Spielers und erhöht dessen Gehalt um 100 Prozent, dann sind damit Erwartungen verknüpft.

Der FC Bayern hat zu viele sportliche Wetten verloren. Leroy Sané, Kingsley Coman, Leon Goretzka und Serge Gnabry konnten ihr Gehalt auf dem Platz nicht wirklich rechtfertigen. Joshua Kimmich ist dahingehend sicher ein Streitfall, aber auch bei ihm, das zeigen die internen Uneinigkeiten der letzten Monate, hatten sich die Bayern wohl noch mehr erhofft.

Schaut man heute auf die Topverdiener, stellt sich die Frage, was der Rekordmeister sich dabei gedacht hat? Unverständnis und recht einseitige Kritik am Gefüge überwiegen entsprechend. Doch das aktuelle Gehaltsgefüge resultierte aus ganz unterschiedlichen Ebenen, die man dabei nicht ausblenden sollte und kann.

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FC Bayern München: Jede Entscheidung zu ihrer Zeit

Serge Gnabry ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Im Sommer 2022 verlängerte der Rechtsfuß seinen Vertrag beim FCB bis 2026, erzielte bei den Verhandlungen 235,8 Prozent des Gehalts, das er zuvor bekam: Von acht Millionen Euro hoch auf 18,87 Millionen Euro.

Der damals 27-Jährige befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur im oft als bestes Fußballalter beschriebenen Zyklus seiner Karriere, sondern blickte auch auf drei Jahre zurück, in denen er stets zu den Topscorern des FC Bayern zählte. 2019/20 waren es 23 Tore und 14 Assists, in den darauffolgenden beiden Spielzeiten erst elf Tore und sieben Vorlagen, dann 17 Treffer und neun Assists.

Rechtfertigt das das hohe Gehalt? Auch hier ist die Kritik fair, dass fast 19 Millionen Euro schlicht zu viel sind. Gleichzeitig war Gnabry damals Stammspieler, regelmäßiger Torschütze und Vorbereiter und ein wichtiger Bestandteil des Kaders. Die Alternative wäre gewesen, den damaligen Nationalspieler mit nur einem Jahr Vertragslaufzeit zu verkaufen - eine hohe Summe hätte man dabei nicht erzielt und die Bayern hätten einen Ersatz verpflichten müssen.

2022/23 wechselten einige Flügelstürmer zu Topklubs: Darunter mit Antony (95 Millionen Euro, Manchester United), Mykhaylo Mudryk (70 Millionen Euro, FC Chelsea), Raphinha (58 Millionen Euro, FC Barcelona) und Raheem Sterling (56,2 Millionen Euro, FC Chelsea) - nicht unter diesen und weiteren Spielern: Jemand, der einem eine Verbesserung zu Gnabry garantiert hätte.

Schaut man zudem auf die Ablösesummen, wäre es schwer geworden, diese mit einem Verkauf zu refinanzieren. Ein eventuell geringeres Gehalt eines neuen Spielers hätte sich in der Hierarchie durchaus positiv bemerkbar machen können, allein um ein Zeichen zu setzen. Dafür hätte man diesen eben integrieren müssen und wäre Gefahr gelaufen, sportlich einen Rückschritt zu machen - auch wenn Gnabry auch aus der damaligen Perspektive nicht so konstant war, wie man das in München gehofft hatte.

Selbst bei Leon Goretzka ist es komplex

Das ist nur ein konkretes Beispiel, das zeigt, wie komplex solche Verlängerungsprozesse sein können. Auf Coman und Sané lässt sich diese Argumentation ziemlich genau übertragen, bei beiden gab es damals die große Hoffnung, sie würden ihre Konstanzprobleme in den Griff bekommen - und echte, lohnenswerte Alternativen waren auf dem Markt rar.

Hätte Bayern dennoch wenigstens einen der drei Flügelspieler abgeben können, um frischen Wind reinzubekommen? Rückblickend betrachtet wäre das eine Option gewesen. Doch auch die damaligen Trainer (erst Hansi Flick, dann Julian Nagelsmann) waren wohl überzeugt von der Qualität dieser Spieler - und die Kritik an ihnen spielte sich eben auf hohem Niveau ab.

Selbst bei Goretzka, der aktuell als eine Art Paradebeispiel für die vermeintlich verfehlte Gehaltspolitik der Bayern angeführt wird, ist es komplizierter als die bloße Kritik an seiner Verlängerung im September 2021. Der gebürtige Bochumer spielte eine überragende Saison 2019/20, in der er als Mittelfeldspieler an 19 Toren in 38 Partien direkt beteiligt war. Auch in der Saison 2021/22 kam er auf 16 Torbeteiligungen in 32 Spielen.

Goretzka war Stammspieler, genoss in Deutschland ein ganz anderes Ansehen als heute. Kritik an ihm war die Ausnahme, wenngleich es hier und da erste kritische Laute zur Doppelsechs mit Kimmich gab und auch die Verletzungsanfälligkeit ein Thema war. Dennoch war man beim FC Bayern überzeugt von der Qualität des ehemaligen Schalkers - und dafür gab es eben gute Gründe.

Zu denen zählt auch die generelle Teamdynamik. Als die Münchner 2020 das Triple holten, wurde vielerorts das besondere Verhältnis der Generation rund um Kimmich gelobt. Es galt als eines der Erfolgsgeheimnisse. Erst als der Erfolg weniger wurde, gab es Kritik daran. Zum damaligen Zeitpunkt hätte ein Verkauf von nur einem dieser Spieler die Stimmung und Dynamik innerhalb des Teams komplett verändern können. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko.

Aber auch der FC Bayern hatte großen Anteil daran, dass es für die jeweiligen Spieler nicht optimal lief. Die ständigen Wechsel auf der Trainerbank, die Transferpolitik, die nicht richtig durchblicken ließ, welche Art von Fußball man überhaupt spielen will - das Vorgehen der sportlichen Führung wirkte mitunter etwas kopflos. Da hatten es selbst eher konstante Spieler wie Kimmich schwer, ihre beste Leistung zu zeigen.

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FC Bayern München: Verschiedene Zyklen und steigender Umsatz

Zwei weitere Ebenen, die es beim retrospektiven Blick auf dieses Thema zu beachten gilt, werden ebenfalls nur selten beleuchtet. Da wäre zunächst die Tatsache, dass die Bayern zwischen 2017 und 2022 einen besonderen Zyklus durchlebt haben, in dem einerseits vorhandene Spieler in die Fußstapfen ehemaliger Topspieler wie Franck Ribéry, Arjen Robben, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm treten sollten, andererseits teure Neuzugänge verpflichtet wurden, die entsprechende Gehaltsforderung stellen.

Während also die bestehende Generation langsam in einen sportlichen Status rückte, der ihnen spätestens mit dem Champions-League-Titel 2020 im Rücken eine gute Verhandlungsposition bescherte, wollte man den Kader sportlich gleichzeitig durch externe Neuzugänge verstärken. Und dann gab es noch mit Manuel Neuer und Thomas Müller zwei Legenden, die sportlich immer noch wichtig waren und bereits einen Topvertrag hatten.

Dass sie heute im Alter von 38 beziehungsweise 34 Jahren immer noch so viel Geld verdienen, ist hingegen ein anderes Thema. Denn natürlich kann das dazu führen, dass jüngere Schlüsselspieler des Kaders im Büro der sportlichen Leitung auftauchen und ähnliche Forderungen stellen.

Innerhalb dieses Zyklus entstand also eine Situation, in der sich mehr Topverdiener anhäuften, als das für gewöhnlich üblich ist. Eine Situation, die rein finanziell aber gar nicht so dramatisch war und ist, die der FC Bayern in den kommenden Jahren relativ zur Marktsituation womöglich korrigieren wird. Zwischen der Saison 2010/11 und der Saison 2020/21 gab es einen Sprung im Personalaufwand von 165 Millionen Euro auf 373 Millionen Euro - doch auch der Umsatz ist eben massiv gestiegen.

Die Personalkostenquote der Bayern betrug selbst während Coronazeiten kaum mehr als 50 Prozent vom Umsatz - das ist im europäischen Spitzenfußball eine der gesündesten Quoten. Wirtschaftlich macht den Münchnern auch heute noch kaum jemand etwas vor. Zuletzt betrug die Personalkostenquote 56 Prozent des Umsatzes - das ist unterhalb des Durchschnitts der europäischen Spitzenklubs.

Insofern könnte man etwas plakativ behaupten: Sie können es sich eben leisten und wenn es schon große Umsätze gibt, warum dann nicht in das investieren, was einem am wichtigsten ist: Sportliche Entwicklung und Erfolg. Das geht eben nur mit Qualität im Kader. Zumal das Verhältnis zwischen Kosten und Umsatz immer noch herausragend ist.

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FC Bayern München: Herausforderungen, aber kein Fiasko

All die dargelegten Entscheidungsprozesse zeigen nicht, dass der FC Bayern in Wahrheit alles richtig gemacht hat. Sie zeigen aber eben auch nicht, dass man alles falsch gemacht hat. Es ist komplizierter als es der Großteil der öffentlichen Kritik impliziert.

Mit dem Wissen, wie die Karrieren vieler der Topverdienen weitergingen, lässt sich heute sehr leicht sagen, dass Salihamidzic und Co. die Fehlentscheidungen bei den Verlängerungen nur so angehäuft haben. Das große Problem liegt aber nicht darin, dass die Bayern hohe Gehälter bezahlen - sondern darin, dass die Spieler, die sie verdienen, ihren Stellenwert weitestgehend nicht rechtfertigen konnten.

Nur denkt man alternative Wege durch, gibt es auch dort Risiken. Zum Zeitpunkt der Verlängerungen war die Kritik an ebendiesen sehr, sehr leise. Beim FC Bayern hat man - wie eigentlich immer in der langen Geschichte - lieber auf Bewährtes und auf Kontinuität gesetzt, statt sich einen großen Umbruch aufzuhalsen. Es ist einfach, dieses Vorgehen mit dem heutigen Wissen als "Altlast" oder als "drohendes Fiasko" zu betiteln.

Realistischer wäre wohl der Begriff "Herausforderung". Denn natürlich ist die Situation für die mittlerweile neue sportliche Führung herausfordernd. Aber bei den Umsätzen, die der FC Bayern generiert, droht selbst beim zweifellos unglücklichen und dringend zu vermeidendem Szenario, dass mit Sané, Davies und Kimmich drei sehr starke Fußballer ablösefrei gehen, sicher kein wirtschaftliches Fiasko. Es ist eher der sportliche Bereich, bei dem aktuell große Fragezeichen verortet werden können. Etwas mehr Sachlichkeit, Abwägung und vor allem eine Analyse aus der jeweiligen Zeit heraus und nicht nur aus der heutigen Perspektive täten der Debatte um die Gehälterstruktur aber gut.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele des FCB

Datum

Duell

Partie

20. August

FC Bayern München - Grashoppers Zürich

Testspiel

25. August

VfL Wolfsburg - FC Bayern München

1. Spieltag Bundesliga

1. September

FC Bayern München - SC Freiburg

2. Spieltag Bundesliga

14. September

Holstein Kiel - FC Bayern München

3. Spieltag Bundesliga

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