DFB-Team: Die Rücktritte der Mittelfeld-Bosse wurden vorerst aufgefangen
Mit Kapitän Ilkay Gündogan, dem Chefstrategen Toni Kroos, dem langjährigen Stammkeeper Manuel Neuer und der Identifikationsfigur Thomas Müller verabschiedeten sich nach der EM vier Ikonen der deutschen Nationalmannschaft.
Für Neuer gibt es mit dem langjährigen Reservisten Marc-André ter Stegen einen idealen Nachfolger. Müller spielte zuletzt sportlich ohnehin keine große Rolle mehr und war hauptsächlich für die gute Stimmung verantwortlich. Aber dafür gibt es ja auch Niclas Füllkrug und Deniz Undav, der bereits öffentlich mit dem freigewordenen Radio-Müller-Posten kokettierte.
Die große Frage vor der Länderspielphase lautete demnach: Wie sind Gündogan und vor allem Kroos zu ersetzen? Nach dem 5:0 gegen Ungarn und dem 2:2 gegen die Niederlande lässt sich bilanzieren: Die Rücktritte der Mittelfeld-Bosse wurden vorerst aufgefangen.
Pascal Groß (33) überzeugte als Ballverteiler neben dem von der EM bewährten Abräumer Robert Andrich (29). Vor allem mit seinen überlegten Chippässen setzte der Neuzugang von Borussia Dortmund offensiv Akzente. "Pascal ist unfassbar clever, sowohl mit dem Ball als auch gegen den Ball", lobte Groß' Nebenmann Andrich. "Ich verstehe mich sehr, sehr gut mit ihm." Bis zur WM 2026 in Nordamerika dürften die beiden Routiniers aber noch von den jüngeren Aleksandar Pavlovic (20) und Angelo Stiller (23) herausgefordert werden, bei ihren Kurzeinsätzen hinterließen sie gute Eindrücke.
Gündogans Nachfolge auf der Zehn trat unterdessen Kai Havertz an, der bei der EM noch als falsche Neun agiert hatte. Auch eine Reihe weiter hinten präsentierte sich der 25-Jährige vom FC Arsenal äußerst umtriebig - erneut aber auch unglücklich im Abschluss. Das fiel jedoch deutlich weniger ins Gewicht, weil er mit Füllkrug bzw. Undav echte Knipser vor sich hatte. Beide trafen bei ihren jeweiligen Startelf-Einsätzen. Dass Havertz nach Füllkrugs verletzungsbedingtem Ausfall gegen die Niederlande nicht in die Sturmspitze rochierte, spricht für eine Zukunft auf der Zehn.
DFB-Team: Joshua Kimmich blüht als Kapitän weiter auf
Zu Gündogans Nachfolger als Kapitän ernannte Nagelsmann seinen langjährigen Vertrauten Joshua Kimmich. Die Binde am Arm beflügelte den 29-Jährigen sichtlich, mit zwei starken Auftritten setzte er seinen schon länger anhaltenden Aufwärtstrend fort. Kimmich führte das DFB-Team in beiden Spielen gewohnt energisch an und erzielte gegen die Niederlande zudem das wichtige Tor zum zwischenzeitlichen 2:1. "Das tut gut", sagte er anschließend.
Nach für ihn persönlich schwierigen Monaten mit viel öffentlicher Kritik und der Rückversetzung vom Mittelfeldzentrum nach rechts hinten, hatte sich Kimmich schon im Vorfeld der EM mit der eher ungebliebten Position arrangiert und ein starkes Turnier gespielt. Beim FC Bayern beorderte ihn der neue Trainer Vincent Kompany zuletzt wieder in die Zentrale, Nagelsmann setzt Kimmich weiterhin rechts hinten ein. Das Wechselspiel scheint ihm nichts auszumachen. Er überzeugt aktuell in beiden Mannschaften und auf beiden Positionen.
Nagelsmann lobte seinen neuen Kapitän ausdrücklich: "Kimmich ist in seiner Art und Weise, wie er den Job ausführt als Profifußballer, ein Vorbild für die gesamte Gruppe. Er gibt immer Vollgas, will immer trainieren, ist nie müde, will immer gewinnen."
DFB-Team: Die Reservisten werden es schwer haben
Dank der beiden sowohl spielerisch als auch kämpferisch starken Auftritte und der guten Stimmung in der Mannschaft hat Nagelsmann wenig Grund für Änderungen an Startelf- und Kader-Zusammenstellung. Im Oktober gastiert das DFB-Team zunächst in Bosnien-Herzegowina, ehe die Niederlande zum Rückspiel nach München kommen.
Selbstverständlich in die Startelf zurückkehren wird dann lediglich der diesmal geschonte Vize-Kapitän und Abwehrchef Antonio Rüdiger. Sein Vertreter Nico Schlotterbeck überzeugte zwar im Aufbauspiel, patzte gegen die Niederlande aber bei beiden Gegentoren. Sein Nebenmann Jonathan Tah erwischte in Amsterdam zwar ebenfalls einen schwarzen Abend, dürfte neben Rüdiger aber dennoch weiterhin gesetzt sein.
Umkämpft scheinen somit nur zwei Rollen. David Raum dürfte seinen Posten als Stamm-Linksverteidiger im Duell mit Maximilian Mittelstädt bei dieser Länderspielphase gefestigt haben, er war bei beiden Spielen an Treffern beteiligt und stand defensiv sicher. Offener erscheint der Konkurrenzkampf im Sturm. Undav warb bei seinem Startelfdebüt mit einem Tor und einer Vorlage für weitere Einsätze, Füllkrug muss zunächst angeschlagen passen.
Schwer haben werden es ob der überragenden Leistungen von Jamal Musiala und Florian Wirtz sowie des Standings von Vize-Kapitän Havertz künftig auch drei arrivierte Nationalspieler, die im aktuellen Aufgebot fehlen: Leroy Sané (28), Serge Gnabry (29) und Julian Brandt (28). Sané arbeitet in München an seinem Comeback, langfristig plant Nagelsmann mit ihm - aber womöglich nicht mehr als Stammspieler. Gnabry und Brandt wurden trotz ordentlicher Saisonstarts nicht nominiert.
Wiederholt hob Nagelsmann in den vergangenen Tagen die gute Chemie in der Mannschaft hervor. "Wir hatten sehr gute zehn Tage als gesamte Gruppe", resümierte der Bundestrainer nach dem Remis in den Niederlanden. "Es ist eine sehr angenehme Mannschaft, die Lust versprüht. Es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten, sie haben es echt gut gemacht."