"Why always me?" Wie es zum ikonischen Jubel von Mario Balotelli kam

Von Justin Kraft
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Teil 3 der SPOX-Serie: Balotelli war ein Riesentalent - aber auch ein Skandalprofi. Die Geschichte hinter einem Jubel, der viral ging.

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"Why always me?" - "Warum immer ich?" Im Derby gegen Manchester United erzielt Mario Balotelli zwei Tore. Beim Führungstreffer zieht der Stürmer von Manchester City sein Trikot über den Kopf und zeigt mit ernstem Gesichtsausdruck ein Unterhemd, auf dem die berühmte Frage steht.

Warum eigentlich immer er? Der Italiener ist im Jahr 2011 wohl einer der talentiertesten Spieler des Planeten. Er ist aber auch einer der umstrittensten.

Skandale reihen sich an Skandale.

Zwei Nächte vor seinem ikonischen Auftritt bricht in seinem Haus ein Feuer aus. Um ein Uhr nachts rückt die Feuerwehr mit zwei Löschmannschaften an. Ein Böller explodiert und setzt sein Badezimmer in Brand.

"Einer meiner Freunde und ein Freund meines Bruders waren verantwortlich dafür", versucht sich Balotelli aus der Nummer herauszureden. Verletzt wird glücklicherweise niemand. "Vielleicht sollte ich besser darauf achten, wen ich in mein Haus lasse", sagt der damals 21-Jährige, der fortan noch mehr als ohnehin schon im Fokus der Medien steht.

Platzverweise, weil ihm auf dem Platz die Nerven durchbrennen, sind da noch das geringste Übel. So kassiert er in einem Spiel gegen Dynamo Kiew die rote Karte, weil er einen Gegenspieler auf Brusthöhe tritt. Doch es ist viel mehr die Attitüde, an der sich Fans und Wegbegleiter abarbeiten.

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Mario Balotelli: Eine große Skandalakte

In einem Vorbereitungsspiel gegen LA Galaxy taucht Balotelli mutterseelenallein vor dem gegnerischen Tor auf, nimmt Tempo heraus und setzt den Ball mit einer Hackendrehung gleichgültig neben das Tor. Sein damaliger Trainer Roberto Mancini wechselt ihn sofort aus, auch Mitspieler sind fassungslos.

Was die Skandale neben dem Platz angeht, ist die Liste an Dingen, die er angeblich verbockt haben soll, schier endlos. Sein Auto soll knapp 30-mal abgeschleppt worden sein, weil er falsch parkte. Auf dem Trainingsgelände in Manchester soll er einen Jugendspieler mit Dartpfeilen beworfen haben. Als er einen Autounfall mit einem Dauerkartenbesitzer seines Klubs hatte, habe er 5000 Pfund in bar bei sich gehabt. Als der Polizist fragte, warum er so viel Geld mit sich trage, sei seine Antwort gewesen: "Weil ich reich bin."

Geschichten von einem Einbruch in ein Frauengefängnis in Brescia oder einer Rundtour durch ein Drogenviertel in Neapel mit bekannten Mafiabossen machen die Runde. Balotelli bestreitet die meisten von ihnen, bei anderen gibt es Fotobeweise.

Das damalige Supertalent ist ein Kindskopf. In den Augen vieler ist er ein arroganter und verantwortungsloser Fußballprofi, der mit seinem Status und dem Geld nicht umgehen kann. Und gewiss haben seine Kritiker valide Gründe dafür.

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Mario Balotelli: Die Geschichte hinter dem Grenzgänger

Gleichzeitig gibt es hinter dem Menschen Balotelli auch eine Geschichte, die damals und vermutlich auch heute niemand so wirklich sieht. Als Sohn ghanaischer Einwanderer kommt er 1990 in Palermo zur Welt. Dort wird er von seinen leiblichen Eltern zur Adoption freigegeben und kommt so in eine Pflegefamilie, die ihn großzieht, aber nicht adoptiert.

Sein Talent ist außergewöhnlich. 2001 wechselt er zum AC Lumezzane, im April 2006 gibt er für Calcio Padova sein Debüt in der ersten Mannschaft in der Serie C1. Eine Ausnahmegenehmigung sorgt dafür, dass er vor seinem 16. Geburtstag im italienischen Profifußball spielt.

Schon wenige Monate später erfolgt der Wechsel zu Inter Mailand. Bei all seinen Stationen erfährt Balotelli Rassismus auf unterschiedlichen Ebenen. "Es gibt keine schwarzen Italiener" bekommt er oftmals von Fans anderer, teilweise sogar den Fans des eigenen Klubs zu hören. Eine noch wohlwollende Übersetzung.

Balotelli wird wegen seiner Hautfarbe früh zum Feindbild vieler Menschen in Italien. Selbst bei der Nationalmannschaft, wo er von Beginn an zu den talentiertesten und besten Spielern zählt, erfährt er immer wieder Abneigung. Auch deshalb legt er sich vermutlich einen Schutzpanzer aus Arroganz zu.

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Mario Balotelli: "Charakter, den die Zeitungen erstellt haben"

Von Beginn an will und kann er nicht verstehen, warum er so im Fokus steht. In einem Interview mit dem Corriere della Sera sagt er 2016: "Letztendlich glaube ich nicht, dass ich all diese Aufmerksamkeit, ob gut oder schlecht, verdient habe - auch wenn es ein paar Exzesse gab. Diese Figur wurde um mich herum geschaffen und es ist mir nicht erlaubt, mehr oder weniger zu tun."

Und weiter: "Balotelli ist der Spieler. Mario ist etwas anderes. Es ist einfacher, Balotelli zu beschreiben als Mario. Balotelli ist der Charakter, den die Zeitungen erstellt haben: Der, der lacht oder nicht lacht, ein großartiges Tor schießt, einen Elfmeter verschießt, nicht jubelt und immer von denen bewertet wird, die ihm zusehen."

Mario hingegen sei ein "Typ, der kein normales Leben haben kann, aber es versucht, Zeit mit seiner Tochter verbringt, wenn es möglich ist, mit Freunden, Familie, der PlayStation. Immer mal wieder sage ich zu meinen Freunden: 'Was würde ich geben, um mit euch für eine Woche zu tauschen.'"

Zweifellos hat Balotelli in seiner Karriere Dinge gemacht, die die teils auch harte Kritik verdient haben. Den Menschen hinter dem Fußballer wird aber kaum Beachtung geschenkt. Und so fragt der Stürmer nach seinem Tor gegen den großen Stadtrivalen im Jahr 2011: "Warum immer ich?" Die Antwort darauf bleibt wohl bis heute eine Kontroverse.

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