"Ultimativer Trainer": Der gewagte Schachzug des FC Chelsea mit einem Schüler von Pep Guardiola

Von Constantin Eckner
Enzo Maresca
© getty

Der FC Chelsea bekommt mit Enzo Maresca einen neuen Cheftrainer. Doch wer ist der Italiener überhaupt?

Cookie-Einstellungen

Trainer aus der EFL Championship, der zweiten englischen Liga, stehen aktuell hoch im Kurs. Ipswich Towns Kieran McKenna steht bei Manchester United auf der Liste und war auch im Fokus von Chelsea. Die Blues entschieden sich jedoch am Ende für Enzo Maresca, welcher Leicester nach Reibereien mit der Vereinsführung nun verlässt.

Am Montag wurde Maresca offiziell vorgestellt: Er bekommt einen bis 2029 (!) gültigen Vertrag, inklusive der Option auf eine weitere Spielzeit.

Chelsea ist erst die dritte Trainerstation für den 44-jährigen Italiener, der vor seiner Saison mit Leicester nur einmal für sechs Monate Parma coachte. Ansonsten ist Maresca vor allem als Co von Pep Guardiola bekannt, den er 61 Spiele lang bei Manchester City unterstützte.

Es ist in jedem Fall ein gewagter Schachzug von Chelsea, zumal zuletzt noch viel erfahrenere Trainer an der Stamford Bridge scheiterten, sei es wegen des aufgeblähten und recht inkohärent erstellten Kaders oder der Dynamiken innerhalb des Klubs. Maresca, der einst von seinem ehemaligen Trainer Manuel Pellegrini dazu motiviert wurde, selbst eine Trainerkarriere einzuschlagen, verlangt jedoch volle Hingabe von seinen Spielern. Er möchte, dass diese zu 100 Prozent an seine Spielidee glauben. In Leicester wurde er deshalb als "ultimativer Trainer" charakterisiert.

Die Anweisungen an seine Spieler, das fiel bereits nach wenigen Trainingseinheiten auf, waren extrem präzise, aber zugleich auch kognitiv fordernd, weil keiner der Leistungsträger einfach ein wenig auf dem Feld umhertraben konnte. In gewisser Weise bringt Maresca diese fast schon manische Art mit, die auch Guardiola über viele Jahre ausgezeichnet hat und immer noch auszeichnet. Ob jedoch dieses Verhalten in einer von Charakterköpfen und Egos geprägten Mannschaft wie jener von Chelsea funktioniert, wird sich zeigen. Es besteht in jedem Fall Potenzial für ein explosives Gemisch.

Enzo Maresca
© getty

Enzo Maresca beim FC Chelsea: Der Magnus Carlsen unter den Trainer?

Rein taktisch sind die Ähnlichkeiten zu Guardiola nicht zu übersehen. Bereits vor seiner Zeit mit der ersten Mannschaft von Manchester City war Maresca ein Verehrer von proaktivem Ballbesitzfußball. In seiner Abschlussarbeit am FIGC Trainerausbildungszentrum Coverciano in Florenz schrieb er über die Ähnlichkeiten zwischen Fußball und Schach: "Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Das Wichtigste ist das Positionsspiel und die strategische Ausrichtung. Ein Trainer muss die Mentalität eines Schachspielers besitzen: einen Plan entwickeln, Konterspielzüge studieren und die Anordnung der Figuren auswählen."

Das klingt nicht unbedingt so, als wäre Maresca ein "Players' Coach", welcher in erster Linie seine Aufgabe darin sieht, seine Spieler weiterzuentwickeln und ihnen Freiheiten zu geben. Ganz so radikal ist er selbstverständlich nicht. Ähnlich wie Guardiola oder auch Xabi Alonso scheint Maresca vor allem sehr restriktiv mit Blick auf den Spielaufbau und die Abläufe im Pressing, weniger, wenn es darum geht, Torchancen zu finalisieren.

Trotzdem dreht sich Marescas Denken zunächst darum, das Handeln seiner Spieler ein gutes Stück zu bestimmen. Mit Bezugnahme auf Johan Cruyff spricht der Italiener davon, dass ein Spieler im Schnitt nur drei Minuten pro Partie den Ball hat. Was man in den restlichen 87 Minuten abseits des Balles tut, würde darüber entscheiden, ob man ein guter Fußballer ist. Gibt es jedoch einen Knackpunkt in Marescas fußballerischem Ansatz, so ist dieser nicht unbedingt beim Pressing zu finden, sondern im Spielaufbau selbst.

Leicester war zuweilen derart darauf fokussiert, dass der Ball in den hinteren Reihen - unter Einbeziehung der eingeklappten Außenverteidiger - so präzise wie möglich lief, dass manchmal das Auslösen der Angriffe schlicht zu spät erfolgte und die Räume vom Gegner schon wieder geschlossen wurden. Die Fans im King Power Stadium waren mit diesem abwartenden Fußball nicht durchweg einverstanden, manche forderten nach einem 0:1 gegen Plymouth Argyle im April sogar die Ablösung Marescas.

Bernardo Cueva
© getty

Enzo Maresca beim FC Chelsea: Standard-Guru Bernardo Cueva kommt ebenfalls

Schlussendlich konnte Leicester die Meisterschaft in der EFL Championship einfahren, wobei aufgrund des sehr teuren Kaders ein Aufstieg fast schon Pflicht war. Wo Maresca als Trainer wirklich steht, lässt sich jedoch nach knapp 18 Monaten in Leicester und Parma nur schwerlich bewerten. Bei Chelsea wird ihm zugutekommen, dass Pochettino in der abgelaufenen Saison nach und nach ein funktionierendes Gerüst aufbauen konnte. Die zentrale Figur in der Offensive ist Cole Palmer, den Maresca bereits aus seiner Zeit als Verantwortlicher für das "Elite Development Squad" von Manchester City kennt.

Neben dem 44-Jährigen holt Chelsea unter anderem den Standard-Trainer Bernardo Cueva von Brentford, der einen herausragenden Ruf besitzt. Allerdings hatte einen solchen Ruf auch Pochettino vor seiner Ankunft an der Stamford Bridge. Doch der alte Hase des Trainergeschäfts hatte irgendwann keine Lust mehr auf die politischen Spielchen im Hintergrund. Maresca muss jedoch mit den Direktoren Paul Winstanley und Laurence Stewart sowie Boehly und dem Eigentümerkonsortium klarkommen. In Leicester äußerte er nach dem geplatzten Transfer von Stefano Sensi von Inter Mailand öffentliche Kritik.

Das kann er sich bei den Blues gerade zu Beginn nicht erlauben, denn Marescas Vita ist noch zu dünn und Chelsea ein hochkomplexer Club. Manch ein Anhänger des FC Bayern kann gewiss mitfühlen.