Federico Chiesa: Krasser Absturz! Vom heißen Bayern-Kandidaten zum Außenseiter bei Juventus Turin

Von Mark Doyle / Daniel Buse
Federico Chiesa
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Der neue Juve-Trainer plant radikale Veränderungen, um den Klub wieder nach oben zu führen. Betroffen ist auch Federico Chiesa. Die Geschichte eines Absturzes vom EM-Helden und Bayern-Transferziel zu einem Außenseiter bei Juventus Turin.

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Federico Chiesa war gerade einmal 22 Jahre alt, als er Italien bei der EM 2020 zum Titelgewinn führte. Einem Spieler, der gerade eine brillante Debüt-Saison bei Juventus Turin hinter sich hatte, winkte nun der Status als neuer Superstar. Alessio Tacchinardi gehörte zu denjenigen, die ihm den Gewinn des Ballon d'Or "in drei oder vier Jahren" zutrauten.

Leider hat sich Chiesas Karriere seitdem in eine ganz andere Richtung entwickelt. Der erwartete Leader der Nach-Cristiano-Ronaldo-Ära bei Juventus Turin wurde vom neuen Trainer Thiago Motta als einer der Spieler eingestuft, die jetzt gehen können.

Weniger als zwei Wochen vor Beginn der neuen Serie-A-Saison ist einer der Helden des italienischen EM-Triumphs auf der Suche nach einem neuen Verein - und schlimmer noch, kein Topteam will ihn anscheinend verpflichten. Eine schockierende und traurige Entwicklung für Chiesa, der nach seinen Heldentaten in Wembley im Sommer 2021 von fast allen europäischen Spitzenklubs umworben worden war.

Federico Chiesa
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Federico Chiesa: "Er war nicht zu stoppen"

Bayern München war damals besonders interessiert - und der damalige Trainer Julian Nagelsmann machte keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Flügelspieler. "Ich kenne Chiesa schon lange", sagte Nagelsmann der Bild-Zeitung, "und ich finde ihn außergewöhnlich gut, weil er oft ins Eins-gegen-Eins geht und dann versucht, sehr schnell abzuschließen."

Es war die Rede davon, dass die Bayern 100 Millionen Euro für ihn bieten würden, aber für Juve war Chiesa unverkäuflich. Er sollte der Eckpfeiler des neuen Projekts werden, der magische Dribbler, der Ronaldos Arbeitseinstellung bewunderte und ein ähnliches Talent wie CR7 entwickelt hatte, in den wichtigen Spielen zur Stelle zu sein.

"Nach einer gemeinsamen Saison mit Federico bei Juve ist das alles für mich keine Überraschung mehr", sagte sein Ex-Teamkollege Gigi Buffon nach der EM der Gazzetta dello Sport, "aber es war bei seiner Verpflichtung nicht klar, dass er in der Lage sein würde, bei einem Turnier wie der Europameisterschaft auf solch einem hohen Niveau zu spielen. Aber er war einfach unglaublich. Im Finale gegen England war er nicht zu stoppen."

"Als er zu Juve kam, hätte ich nicht gedacht, dass er so gut ist, um ehrlich zu sein. Doch wenn man das auf einem solch hohen Niveau abliefert, dann bedeutet das, dass man wirklich etwas Besonderes ist."

Federico Chiesa: Ein Schicksalsschlag

Doch Chiesas Entwicklung wurde seither immer wieder gebremst. Nicht nur, dass er von ständigen Verletzungen geplagt wurde - Chiesa musste sich in den letzten drei Jahren mit 17 Blessuren herumschlagen -, er hatte auch das Pech, Massimiliano Allegri als Trainer zu haben.

In seiner ersten Saison bei Juve erzielte Chiesa 14 Tore. Seitdem hat er allerdings nur noch insgesamt 18 Treffer erzielt. Der drastische Rückgang seiner Torquote kann zum Teil auf den Kreuzbandriss zurückgeführt werden, den er sich im Januar 2022 zuzog und der ihn zehn Monate lang außer Gefecht setzte. Aber Allegris defensive Taktik hat Chiesa ebenso zu schaffen gemacht.

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"Immer der Erste, der rausgenommen wird"

Die Juve-Auftritte waren in fast jedem Spiel von Allegris zweiter Amtszeit in Turin völlig unansehnlich, da der Trainer beim größten Verein des Landes eine negativen Ansatz wählte, anstatt die Spiele dominieren zu lassen. Das Ergebnis war, dass talentierte Spieler wie Chiesa in einem System, das nicht zu ihren offensiven Fähigkeiten passte, völlig verschenkt wurden. Dusan Vlahovic zum Beispiel musste oft ganz alleine in vorderster Front kämpfen, weil er völlig allein gelassen wurde.

Chiesa war jedoch das prominenteste Opfer von Allegris Anti-Fußball. Einer der spannendsten Flügelspieler der Welt wurde immer wieder als zentraler Angreifer eingesetzt. Und jedes Mal, wenn Chiesa auf die Außenposition auswich, konnte man Allegri zuhören, wie er Chiesa anschrie, er solle sofort zurück in die Mitte gehen.

Deshalb wurde der frustrierte Stürmer regelmäßig früh aus dem Spiel genommen, weil er nicht das tat, was man von ihm verlangte - in der Regel nach rund einer Stunde. Sein Frust war dann immer offensichtlich. In der vergangenen Saison wurde er sogar einmal dabei beobachtet, wie er kopfschüttelnd jammerte: "Ich bin immer der Erste, der rausgenommen wird!"

Neuer Trainer, selbes Problem für Chiesa

Vor diesem Hintergrund hätte Allegris längst überfällige Entlassung eine gute Nachricht für Chiesa sein müssen, zumal dessen Nachfolger Thiago Motta ein weitaus modernerer Trainer ist, der in seinem bevorzugten 4-1-4-1 stark auf Flügelspieler setzt. Allerdings steht jetzt Chiesa selbst vor dem Aus bei den Turinern. Dafür trägt Chiesa aber wohl mindestens eine Mitschuld.

Juve wollte seinen Vertrag verlängern - allerdings zu den gleichen Konditionen. Chiesas Berater hat die Behauptung zurückgewiesen, er wolle eine deutliche Gehaltserhöhung für seinen Klienten. Aber es ist klar, dass die beiden Parteien sehr unterschiedliche Ansichten über den Wert des Flügelspielers hatten.

Das Ergebnis ist nun, dass Chiesa das erste große Opfer der Revolution wird, die Motta und Sportdirektor Cristiano Giuntoli bei Juve durchführen wollen. Er wird aber nicht das letzte sein.

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Juventus Turin: Auch McKennie darf gehen

Weston McKennie wurde ebenfalls ein Abschied nahegelegt. Obwohl die Messlatte ziemlich niedrig lag, war der Amerikaner in der vergangenen Saison noch einer der besseren Spieler von Juve, der mehr Assists (10) als jeder andere seiner Teamkollegen verbuchen konnte.

Nach seiner Rückkehr nach Turin zur Saisonvorbereitung wurde er jedoch dazu verdonnert, getrennt von der ersten Mannschaft zu trainieren. Und dann stellte Motta unmissverständlich klar, dass weder McKennie noch Chiesa Teil des neuen "Projekts" in Turin sind.

"Sie müssen sich so schnell wie möglich einen neuen Verein suchen", sagte der neue Trainer der Bianconeri, nachdem er beide Spieler aus dem Kader für das Freundschaftsspiel gegen Brest am Samstag gestrichen hatte. "Die Entscheidung ist gefallen."

Die Frage ist nun natürlich, wo die Beiden landen werden - und besonders über die sportliche Zukunft von Chiesa wird seitdem heftig spekuliert.

Federico Chiesa: Schnäppchen oder zu großes Risiko?

Die Roma wurde als mögliches Ziel von Chiesa genannt, aber im Olimpico ist das Geld mittlerweile knapp, sodass Chiesa sich angeblich nun weigert, Juve zu verlassen, um im nächsten Sommer ablösefrei zum verhassten Rivalen Inter zu wechseln. Giuntoli und Co. wollen ein solches Alptraumszenario natürlich unbedingt vermeiden und würden Chiesa noch vor dem Ende des Transferfensters für 20 Millionen Euro angeblich ziehen lassen.

Zu diesem Preis könnte er ein echtes Schnäppchen sein, ein kalkuliertes Risiko, das sich spektakulär gut auszahlen könnte. Immerhin hat Chiesa in der vergangenen Saison zehn Tore erzielt - sein bestes Ergebnis seit 2021 - und gleichzeitig mehr Chancen kreiert (61) und mehr erfolgreiche Dribblings verzeichnet (39) als jeder andere Juve-Spieler.

In der richtigen Rolle und unter dem richtigen Trainer könnte Chiesa, der beteuert, dass er sich von seinen vielen Verletzungen vollständig erholt hat, wieder zu seiner Top-Form zurückfinden. Der Schlüssel dazu ist jedoch, einen Verein davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, das Risiko mit ihm einzugehen.

Für Chiesa geht es nicht mehr um den Ballon d'Or, sondern einfach nur darum, über einen langen Zeitraum fit zu bleiben.

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