Fabian Hambüchen grinst. "Ich haue jetzt alles rein. Ich freue mich einfach, Vollgas zu geben", sagt der deutsche Vorzeigeturner im Interview mit der Nachrichtenagentur "dapd" wenige Tage vor seinem Comeback.
Über 200 Tage Wettkampfpause liegen hinter dem 23-Jährigen, der sich im Januar im Training einen Achillessehnenriss am linken Fuß zugezogen hatte. Am Samstag kommt Hambüchen zurück - und will besser sein als je zuvor.
Comeback kam unverhofft: "Aber ich fühle mich gut"
"Ich habe mein Programm sogar aufgestockt", sagt der Reck-Weltmeister von 2007, der von einem leichteren, vorsichtigeren Wettkampfprogramm absolut gar nichts hält. "Warum denn? Ich habe doch nichts zu verlieren".
Hambüchen brennt auf seine Rückkehr beim Bundesligawettkampf seines Heimatvereins KTV Straubenhardt bei der KTG Heidelberg, denn er will mehr als den WM-Titel. "Olympia treibt mich an", sagt er, und geht sogar noch weiter: "Gold wäre ein Traum."
Auf Kohlen hat Hambüchen in den vergangenen drei Wochen gesessen, in denen er schon voll trainierte: "Ich habe trotzdem nicht im Traum damit gerechnet, so schnell einen Wettkampf turnen zu können", sagt Hambüchen. Das ursprüngliche Comeback bei der ersten WM-Qualifikation in Altendiez in rund einer Woche wurde aber dann kurzerhand doch vorverlegt. "Es lief so gut, dass mein Arzt gesagt hat: Du darfst es machen, wenn du dich selber gut fühlst. Und das tue ich."
"Ich muss den Bundestrainer mit Leistung überzeugen"
An vier Geräten geht der sechsmalige Europameister bei den kommenden beiden Wettkämpfen an den Start, auf Sprung und Boden will er zunächst verzichten. Dass Bundestrainer Andreas Hirsch im Falle einer Qualifikation für die WM in Tokio (8. bis 16. Oktober) einen Start im Mehrkampf kategorisch ausschließt, stört Hambüchen daher gar nicht.
"Das schaffe ich noch nicht. Herr Hirsch sieht die Dinge neutral und relativ realistisch. Ich muss ihn jetzt mit Leistung überzeugen", sagt Hambüchen, der die WM sowieso nur als "Durchgangsstation" sieht - und sich betont locker gibt: "Wenn der Bundestrainer sagt, ich brauche dich bei der WM, bin ich dabei. Wenn nicht, dann eben nicht."
Offiziell geht es Deutschlands Turnstar zunächst nur darum, "reinzukommen. Ich versuche gar nicht, an irgendeine Quali zu denken", sagt er. Denn trotz aller Gelassenheit hat sich die tägliche Arbeit nach dem "schlimmsten Tag meines Lebens" geändert. "Es wird nach und nach alles besser, auch das mit der Angst. Aber die ist natürlich da", sagt Hambüchen. Für die WM-Quali genehmigte der Lenkungsstab des Deutschen Turner-Bundes (DTB) seinem Ausnahmetalent deshalb das Auslegen von weicheren Landematten. "Noch brauche ich diese Absicherung. Sonst würde ich nicht danach fragen."
"Keine Sekunde" an einen Rücktritt gedacht
Es sei ein Prozess, sagt Hambüchen über sein momentanes Leistungsniveau. Nach und nach reduziert er die Anzahl der Landematten, zwei-, dreimal müsse er dann testen, bis die Sicherheit da sei.
An einen Rücktritt habe er trotz der Aussicht auf diese für ihn neue Erfahrung nie gedacht: "Keine Sekunde. Ich habe mir eher überlegt, wie kann ich die Zeit nutzen, um andere Defizite wie Kraft und Ausdauer zu kompensieren". Die Voraussetzungen, das Weltklasse-Niveau von 2007 wieder zu erreichen, sind nun da: "Vor dem ersten Wettkampf sehe ich: Wir haben alles richtig gemacht."
Ob es die anhaltende Enttäuschung über den dritten Platz in Peking ist, die alles aus ihm herauskitzelt, kann Hambüchen nicht beantworten. "Egal, was es ist. Ich will alles rausholen", sagt er. Die Chancen werden wohl nie wieder so gut sein wie 2008, als alles bereitet schien für Gold des damals in der Weltspitze dominierenden Turners: "Die Nerven haben geflattert", sagt er inzwischen fast lässig - und will es diesmal besser machen.
"Wo ich hingehe, geht die Post ab"
Dass Hirsch von einer "neuen Rolle" des Rekonvaleszenten Hambüchen in der Nationalmannschaft spricht, bringt ihn nicht aus dem Konzept.
"Ich bin nicht mehr einzige Mannschaftsführer", sagt Hambüchen mit Blick auf Vize-Weltmeister Philipp Boy und Barren-Europameister Marcel Nguyen: "Aber ich merke doch jetzt schon: Wo ich hingehe, geht die Post ab. Ich bin nicht vergessen worden".
Im Schatten der aufstrebenden deutschen Turner sieht er sich daher keineswegs. Im Gegenteil: "Es ist ein Vorteil, dass die Last auf mehreren Schultern verteilt wird". So kann er langsam wieder der Beste werden.