Sie hüpften im Kreis, sie umarmten sich und sie konnten ihr Glück kaum fassen. Nachdem Deutschlands Volleyballerinnen bei der Europameisterschaft in Serbien und Italien den Einzug ins Halbfinale perfekt gemacht hatten, kannte ihre Freude kaum Grenzen.
"Wir haben uns die letzten drei Tage nur darauf konzentriert, dieses Spiel zu gewinnen", sagte Zuspielerin Kathleen Weiß. "Ab Mitte des zweiten Satzes wusste ich, dass wir es schaffen. Da hätte schon die Halle einstürzen müssen, um das noch zu verhindern."
Zum insgesamt 16. Mal seit 1949 sowie zweiten Mal hintereinander stehen die deutschen Frauen bei einer EM-Endrunde im Halbfinale. Achtmal gewannen sie eine Medaille, zuletzt 2003 in der Türkei Bronze. Wie bereits vor zwei Jahren ist Edelmetall zum Greifen nahe. Wiederum aber führt der Weg über Italien, das 2009 mit 3:1 gewann und anschließend zum zweiten Mal in Folge Europameister wurde.
"Vor der EM hatten wir große Probleme"
"Das ist eine tolle Sache", sagt Werner von Moltke, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV). "Vor der EM hatten wir große Probleme, wie Volleyball in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Jetzt sind wir froh und stolz auf unsere Frauen." Persönlich verschaffte sich der 75-Jährige kurz vor EM-Beginn im Trainingslager in Kienbaum einen Eindruck von der deutschen Auswahl. "Die Mädels haben mir gesagt: Werner, wir enttäuschen dich nicht."
Ein flaues Gefühl war trotzdem dabei, als die EM in Serbien und Italien begann. Nach dem enttäuschenden Abschneiden der Männer, die mit Rang 15 und damit der schlechtesten EM-Platzierung seit 40 Jahren zurückkehrten, stand nicht nur die Mannschaft von Frauen-Bundestrainer Giovanni Guidetti, sondern auch der DVV gehörig unter Druck. "Bei den Männern habe ich Platz fünf prognostiziert", sagt von Moltke. "Bei den Frauen dachte ich: Das Halbfinale könnte drin sein. Hoffentlich kann ich mich wenigstens auf sie verlassen."
"Was über Bronze hinausgeht, wäre eine Sensation"
Was von Moltke allerdings vor dem heimischen Fernseher beobachtete, stimmt ihn froh. "Hier ist ein ganz anderes Feuer, ein ganz anderer Schwung drin", sagt er. Einen großen Anteil schreibt der DVV-Präsident dabei dem Italiener Guidetti zu, der die Mannschaft bereits seit 2006 als Bundestrainer betreut, und gänzlich anders agiert als der für die Männer zuständige Argentinier Raul Lozano. "Er ist in den Köpfen der Mädchen drin", erklärt von Moltke. "Die Sprache und der Umgang miteinander sind etwas komplett Anderes."
Auch am Samstag und Sonntag wird von Moltke in Belgrad mit dem deutschen Team fiebern. Eine Medaille traut er diesem zu, er bleibt aber ungewöhnlich zurückhaltend: "Bronze wäre ein toller Erfolg. Alles, was darüber hinausgeht, eine Sensation."
Halbfinal-Neuauflage von 2009
Ein Sieg in der Halbfinal-Neuauflage von 2009 würde für Deutschlands Volleyballerinnen nicht nur die erste EM-Finalteilnahme seit 1989, sondern zugleich die Qualifikation für den World Cup vom 4. bis 18. November in Japan, bei dem die ersten drei Tickets für die Olympischen Spiele 2012 vergeben werden, bedeuten.
Schon jetzt haben sie neben der Qualifikation für den World Grand Prix 2012 die Teilnahme am europäischen Qualifikationsturnier vom 1. bis 6. Mai in der Türkei sicher, bei dem eine weitere Olympiafahrkarte vergeben wird. Gelingt es den Deutschen zudem, bei der EM besser als die Türkei abzuschneiden, könnte sich ihnen noch eine dritte Qualifikationsmöglichkeit beim letzten Turnier vom 19. bis 27. Mai in Japan eröffnen.
Vorerst aber steht in Belgrads altehrwürdiger "Hala Pionier" am Samstag (1. Oktober, 17 Uhr) das EM-Halbfinale gegen Titelverteidiger Italien auf dem Programm. "Wir sind zufrieden, dass wir im Halbfinale sind, aber nicht so zufrieden wie vor zwei Jahren", sagt Guidetti, für den die Partie gegen sein Heimatland immer einen besonderen Reiz versprüht. "In meinen Träumen gab es immer eine Medaille. Das ist jetzt möglich."
Noch zuversichtlicher ist Kathleen Weiß. "Wenn man im Halbfinale steht, hat man auch die Chance, das Finale zu erreichen", sagt sie. "Letztendlich ist es einfach nur ein Volleyballspiel. Wir sollten also nicht zu viel darüber nachdenken, was alles daran hängen könnte."