Als die Serientäter um Timo Boll nach ihrem fünften Triumph in Folge in der Lobby des Danziger Teamhotels an ihren Sektgläsern nippten, stand der Glaspokal unbeachtet auf einem Tisch. Mannschaftsgold bei einer Tischtennis-EM zu feiern - das ist für den deutschen Ausnahmespieler und seine Teamkollegen zur Routine geworden.
Trotz der deutschen Dominanz in Europa hatte Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), vor dem Endspiel bewusst darauf verzichtet, vorab ein Programm für den Abend zu planen. "Das mache ich nicht, das organisiere ich immer spontan", erklärte Weikert, verriet damit aber auch: Bei Silber wären die erfolgsverwöhnten deutschen Herren wohl ohne Sekt ins Bett marschiert.
Goldene Generation setzt Siegeszug fort
In Polen aber setzte die goldene Generation um die beiden Topspieler Boll und Dimitrij Ovtcharov mit dem 3:0 im Finale gegen Schweden ihren seit 2005 andauernden Triumphzug bei EM-Spielen fort. Die letzte Niederlage musste die DTTB-Auswahl im Viertelfinale von Aarhus gegen Rumänien einstecken.
"Dass wir dieses Niveau bei den Männern seit so langer Zeit schon halten können, macht stolz", sagte Weikert, gab aber zu bedenken: "Das wird nicht immer so bleiben." Bundestrainer Jörg Roßkopf befürchtete: "Diese Serie wird irgendwann reißen - wir wollen dafür sorgen, dass das noch möglichst lange dauert." Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig pflichtete bei: "Wollen wir den Titel 2013 erfolgreich verteidigen, müssen wir uns weiterentwickeln."
Roßkopf: "Die anderen Nationen haben aufgeholt"
Das Duell mit Rekord-Champion Schweden (14 Team-Titel) um den 45 Jahre alten Ex-Weltmeister Jörgen Persson machte deutlich, dass eine Vormachtstellung nur dann dauerhaft Bestand hat, wenn die Strukturen und die Nachwuchsförderung ständig überprüft werden.
"Es wird immer schwieriger, die anderen Nationen orientieren sich an uns und haben aufgeholt", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf und meinte damit vor allem die portugiesische Mannschaft, die seinem Team im Halbfinale (3:1) den größten Kampf geliefert hatte.
Nächste Aufgabe: Team-WM in Dortmund
Doch die nächste Aufgabe für das deutsche Team wird eine deutlich härtere: Bei der Team-WM in Dortmund (25. März bis 1. April 2012) wartet die Standortbestimmung im internationalen Vergleich. Die "Chinesen Europas" wollen sich dort gut gegen die Tischtennis-Weltmacht China verkaufen.
"Wir haben Silber bei den Herren und bei den Damen Bronze zu verteidigen", sagte Weikert und versprach eine deutlich stimmungsvollere Kulisse als bei den Titelkämpfen von Danzig, wo meist eine Geisterkulisse herrschte: "Der DTTB wird alles daran setzen, dass das in Dortmund anders sein wird."
Zunächst aber konzentrieren sich die DTTB-Asse noch auf das Mammutprogramm bei der Medaillenjagd in Danzig. Als die Sektgläser leer waren, plauderten Boll und Co. noch ein wenig mit der mitgereisten Delegation, winkten aber nach kurzer Zeit bereits in die Runde - am Donnerstag begannen bereits die Individualwettbewerbe. Und wenn die Konkurrenz nicht schläft, müssen die Gejagten eben besonders ausgeschlafen sein.