Die Hoffnungen ruhen vor allem auf dem Olympiadritten Dimitrij Ovtcharov, der sich in Bolls angestammter Rolle als Leitwolf beweisen muss und will. Die Marschrichtung gibt Boll höchstpersönlich vor. "Auch ohne mich kann die Mannschaft den Titel wieder gewinnen", sagt der 16-malige Europameister.
Das Team von Bundestrainer Jörg Roßkopf geht bei den Titelkämpfen in Schwechat vor den Toren Wiens auf die Jagd nach dem 39 Jahre alten Rekord der Schweden, die seinerzeit sechsmal in Folge Mannschafts-Europameister waren. Als seinen eigenen Nachfolger sieht Boll, der seit 2007 fünf von sechs EM-Titel gewann, in erster Linie Ovtcharov: "Im Einzel heißt es jetzt ganz klar: Go, Dima, go!"
Ovtcharov scheut den von Boll aufgebauten Druck keineswegs. "Wir haben auch ohne Timo Chancen auf den Mannschafts-Titel", sagt der 25-Jährige und demonstriert gelassenes Selbstbewusstsein: "Wenn ich zu meinem Spiel finden und mein Potenzial abrufen kann, bin ich der beste Mann im Feld. Es muss mein Anspruch sein, den Titel zu holen."
Ovtcharov hinter Boll derzeit bester Nicht-Chinese
Als Nummer sechs der Welt ist Ovtcharov hinter Boll der beste Nicht-Chinese im Ranking. Seine schwarze EM-Serie ohne Einzelmedaille seit seinem Debüt 2007 in Belgrad (Bronze) empfindet der Rechtshänder in Diensten des russischen Champions-League-Siegers Fakel Orenburg nicht als Bürde: "Seit Olympia habe ich eine gewisse Ruhe. Wenn es nicht klappt, probiere ich es wieder und wieder. In bin ja zum Glück noch keine 40 Jahre alt."
Eine ebenfalls sechsjährige Durststrecke wollen die DTTB-Damen im Mannschafts-Wettbewerb beenden. Kristin Silbereisen (Berlin), die ein mit vier gebürtigen Chinesinnen gespicktes Team anführt, unterstreicht die Ansprüche nachdrücklich: "Wir haben eigentlich das beste Team in Europa."
Tatsächlich gehört ein ganzes Quartett der deutschen EM-Fahrerinnen zu den Top Ten in Europa, zudem braucht die Mannschaft von Bundestrainerin Jie Schöpp nur einen einzigen Sieg für den Sprung auf das Podest. Dennoch ist eine Medaille oder gar der erste Titel seit 1998 für Silbereisen kein Selbstläufer: "Es kann so viel passieren."