"Haben Anschluss verloren"

SID
Die WM sorgt für Kopfzerbrechen beim deutschen Fechtverband
© getty

Nach dem schlechtesten WM-Ergebnis seit 33 Jahren und dem drohenden Olympia-Aus selbst für Topfechter wie Britta Heidemann oder Peter Joppich gab es nichts mehr zu beschönigen. "Wir haben außer im Herrensäbel den Anschluss an die Weltspitze verloren", sagte Sportdirektor Sven Ressel vom Deutschen Fechter-Bund (DFeB) zum Abschluss der Titelkämpfe in Moskau dem SID: "Gerade die Top-Nationen haben einen Riesenschritt gemacht, da können wir nicht mithalten. Das ist Fakt."

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Zweimal Bronze durch Säbelfechter Max Hartung und das Säbel-Team war die magere Ausbeute der deutschen Athleten. So wie zuletzt 1982. Im Medaillenspiegel gab es Platz zwölf. Und noch viel schlimmer: Der Weg zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro ist noch schwieriger geworden. Der einstigen deutschen Vorzeigesportart droht mehr denn je, nur mit einer Handvoll Aktiven nach Brasilien fahren zu dürfen. Eine eigentlich nicht für möglich gehaltene Horrorvorstellung.

"Die Sorge ist da. Ganz klar. Ich habe nicht gedacht, dass wir von den Ergebnissen her so dastehen", sagte Ressel: "Das macht natürlich traurig."

Zumal auch mit Blick auf die weitere finanzielle Unterstützung nicht Olympia-Teilnahmen, sondern Medaillen zählen. Erst vor wenigen Tagen hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière mehr Podestpätze gefordert - im Kampf der Sportarten gegeneinander um die begrenzten Mittel sind Erfolge bei Olympia eben die beste Waffe.

Olympia-Siegerin Heidemann muss bangen

Doch woher die bei den Fechtern in Rio 2016 kommen sollen, ist nach Moskau ungewisser denn je. Selbst Britta Heidemann muss bangen. Deutschlands Topfechterin belegte im Einzel Rang 19, mit der Degenmannschaft kam die Peking-Olympiasiegerin auf Rang zwölf - zu wenig.

Bei den verbleibenden vier Weltcups braucht das Team wohl zwei bis drei Halbfinal-Teilnahmen - eine kaum lösbare Aufgabe. "Es ist total ärgerlich und bitter", sagte die immer noch an der Achillessehne verletzte 32-Jährige. Ein einziger Treffer fehlte in Moskau zum Viertelfinaleinzug - schon dieser wäre ungemein wichtig gewesen.

Genauso wie bei den Florettfechtern mit dem viermaligen Einzel-Weltmeister Peter Joppich. Auch sie müssen weiter zittern. Auch ihnen fehlte gegen den direkten Konkurrenten Großbritannien nur ein Treffer. Am Abschlusstag fanden die letzten Entscheidungen sogar ganz ohne deutsche Beteiligung statt.

Nachwuchsförderung mangelhaft

Die schon seit Jahren schwelenden Probleme der deutschen Fechter traten in Moskau unter der "WM-Lupe" offen zutage. Seit Jahren gelingt es dem Verband nur punktuell, hoffnungsvolle Nachwuchssportler an die Weltspitze heranzuführen. Eigentlich nachhaltig nur im Herren-Säbel, der inzwischen unbestrittenen deutschen Vorzeige-Waffe. Doch ausgerechnet in Rio ist der Teamwettbewerb nicht olympisch.

In den vergangenen Jahren hatte der Verband dabei noch Glück, dass immer wieder einmal einer der deutschen Topfechter bei Großereignissen ganz vorne landete und damit die größten Probleme übertünchte wie noch 2014 der erste WM-Titel einer deutschen Säbel-Mannschaft und Heidemanns Silber. In diesem Jahr gelang das nicht.

Zumal die Rahmenbedingungen der Fechter - auch selbstverschuldet - im internationalen Vergleich höchstens zweitklassig sind. "Wir trainieren zwar wie die Bekloppten und geben alles, aber wir können dieses Fecht-Umfeld nicht bieten", sagte Ressel: "Das zeigt, dass wir enorme Nachteile haben. Wenn das so weitergeht, werden wir uns in Zukunft noch wärmer anziehen müssen."

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