SPOX: Ich will ehrlich sein: Bei der Recherche ist mir eine Sache sofort ins Auge gesprungen - Sie haben High-School-Football in Texas gespielt! "Friday Night Lights" und alles was dazu gehört, das ist ja ein ganz eigener Mythos. Sie selbst sind damals von Kalifornien nach Texas umgezogen, wie haben Sie all das als High-School-Quarterback erlebt?
Shane Carden: Da ich in Houston gespielt habe, hatte ich nicht dieses ganz extreme Kleinstadt-Feeling. Aber gleichzeitig muss ich sagen: Football ist alles in Texas. Väter kommen zurück an die Schule, für die ihr Sohn vor fünf Jahren gespielt hat - einfach um zu sehen, wie sie sich schlägt. Die Leute lieben es, Football zu schauen. Freitags kommen dann in der Schule alle zusammen, jeder trägt sein Trikot. Die Cheerleader kommen und dekorieren dein Haus und deinen Garten vor den Homecoming-Spielen. Es ist nicht ganz so extrem, wie manche TV-Serien es aussehen lassen. Aber es ist definitiv eine Riesensache in Texas.
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SPOX: Und Sie haben die High School mit einem Titel abgeschlossen! Trotzdem mussten Sie auf Angebote lange warten und erlebten den kompletten College-Recruiting-Prozess hautnah mit. Wie kann man sich das vorstellen?
Carden: Es ist wild. (lacht) Man bekommt diverse Briefe von verschiedenen Colleges, ich habe hunderte dieser Briefe erhalten. Du machst dir dann Gedanken über die Schulen, ich war währenddessen noch in verschiedenen Summer-Camps. Man zeigt sich den Coaches. Aber am Ende haben mir nicht allzu viele Schulen volle Stipendien angeboten. Es ist vergleichbar mit der GFL und den US-Importen: Du stellst dein Profil zur Verfügung und dann fragen dich verschiedene GFL-Teams an. So ähnlich kann man sich es vorstellen.
SPOX: Wie fiel die College-Entscheidung am Ende?
Carden: Ich hatte zwei Teams zur Auswahl, Central Michigan und Eastern Carolina. Letztlich entschied ich mich für Eastern Carolina.
SPOX: Haben Sie während dieser Zeit auch mit Quarterback-Coaches trainiert? Es ist ja mittlerweile fast normal, dass Quarterback-Prospects viel Geld investieren, um mit QB-Experten zusammen zu arbeiten. Haben Sie etwas Vergleichbares gemacht?
Carden: Oh ja, ich weiß genau was Sie meinen. Ich habe noch einige Kontakte in Kalifornien, wo ich trainiert habe. Aber es kam mir nie so ernst vor, wie es heute bei einigen wirkt. Ich ging einfach heim zu meiner Familie und habe etwa ein Mal pro Jahr zuhause mit meinem Quarterback-Coach trainiert. Ich glaube unter dem Strich geht es darum, alles zu machen, was dir hilft, was dir einen kleinen Vorteil gibt und was dich weiter bringt.
SPOX: Und es hat sich früh ausgezahlt, im College haben Sie diverse Schul-Rekorde gebrochen! (Schul-Rekorde in Yards und TDs vor David Garrard; 2014 landesweite Höchstwerte mit 617 Passversuchen und 392 Completions, d. Red.) Gleichzeitig stelle ich mir den Alltag als College-Football-Spieler nicht gerade einfach vor, Richard Sherman hatte sich vor einiger Zeit mal drüber ausgelassen.
Carden: Man muss bedenken: Dir wird ein volles College-Stipendium gewährt. Das heißt, sie bezahlen dir die komplette Ausbildung. Aber ja, es ist ein Vollzeit-Job. Du hast nicht viel Zeit für irgendetwas neben Football und College. Du hast deine Unterrichtsstunden, dann gibt es Mittagessen und dann folgen Meetings und drei Stunden Training. Dann hast du teilweise noch deine Lerngruppen und bis du mit allem durch bist, ist es fast schon Mitternacht. Dann geht's ins Bett und am nächsten Tag gibt es das gleiche Programm wieder. Wie gesagt: Ein Vollzeit-Job!
SPOX: Im Gegenzug bietet College-Football, ähnlich wie der Kleinstadt-High-School-Football in Texas, eine ganz eigene Atmosphäre. Und Eastern Carolina, eine große Schule in einer kleinen Stadt, dürfte da keine Ausnahme gewesen sein.
Carden: Oh ja, das ist nochmal ein ganz anderes Level als in der High School. Wir hatten 50.000 Zuschauer bei unseren Heimspielen, die komplette Stadt hat sich in den Farben der Schule geschmückt und während meiner letzten beiden Jahre am College konnte ich nirgends hingehen, ohne dass ich erkannt wurde und Leute sich bei mir bedanken oder ein Autogramm wollten. Ich war so eine Art Kleinstadt-Berühmtheit! (lacht)
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SPOX: Irgendwie auch ein komisches Gefühl, oder?
Carden: Ja! Ich glaube, ich habe zunächst auch dieses Level an Begeisterung gar nicht so richtig verstanden und konnte es nicht so recht einordnen. Aber es war eine kleine Gemeinde und es macht Spaß, so vielen Leuten etwas zu bedeuten. Noch heute kommen Leute zu mir und danken mir für den einen oder anderen Sieg! Das ist schon verrückt. Du denkst, ein Spiel bedeutet dir viel - aber den Leuten bedeutet es ebenfalls viel.
SPOX: Einer Ihrer Mitspieler damals war Receiver Justin Hardy, der sich inzwischen bei den Atlanta Falcons durchgesetzt hat. Stehen Sie mit ihm noch in Kontakt? Wie hat er darauf reagiert, als er gehört hat, dass Sie nach Deutschland gehen?
Carden: Ja, wir haben noch Kontakt. Ich habe zuletzt vor etwa zwei Wochen mit ihm gesprochen. Wir kamen zusammen ans College und waren im ersten Jahr zusammen im Practice Squad. Er ist ein wirklich harter Arbeiter, sehr demütig. Er hat sich wirklich für mich gefreut, als er von Deutschland gehört hat. Gleichzeitig sagt er mir auch, dass ich ebenfalls in der NFL spielen sollte - er ist ein super Typ, ein enger Freund.
SPOX: Wie wird Deutschland insgesamt in der amerikanischen Football-Community gesehen? Nach der NFL Europa gab es ja einen kleinen Durchhänger, über die GFL ist der Football jetzt aber auch hier wieder auf dem Vormarsch. Wissen NFL-Spieler das?
Carden: Football-Spieler wissen definitiv davon und wissen, dass es verschiedene Ligen gibt. Mir wurde immer gesagt, dass Deutschland die beste Liga hat. Die Allgemeinheit weiß über die Football-Ligen hier in Deutschland allerdings nicht allzu gut Bescheid. Aber es wächst definitiv. Ich selbst habe bereits früh im College davon gehört und kannte einige Leute, die hier waren. Ich glaube, die GFL leistet wirklich gute Arbeit, auch was die Medien angeht, um zu wachsen und auf sich aufmerksam zu machen.